Derby in Rom: Legenden auf dem Abstellgleis

Der Fight um die Vorherrschaft in der ewigen Stadt geht in die nächste Runde! Vor dem 144. Derby della Capitale richten sich viele Blicke auf zwei in die Jahre gekommene Weltklasse-Stürmer: Francesco Totti und Miroslav Klose.
Am 04. Juli 2016 jährt sich das denkwürdige WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien zum zehnten Mal. Im Dortmunder Westfalenstadion spielte sich seinerzeit Dramatisches ab: Zwei Last-Minute-Treffer der Squadra Azzurra zerstörten die Hoffnungen einer ganzen Nation auf das Endspiel im eigenen Land, das Sommermärchen fand ein jähes Ende. Francesco Totti und Miroslav Klose waren damals auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.
Freilich hat sich in der Zwischenzeit einiges getan: Obwohl die früheren Weltklasse-Kicker immer noch in einer der stärksten Ligen der Welt aktiv sind, zählen sie vor dem direkten Aufeinandertreffen im 144. Derby della Capitale nicht mehr zum Stammpersonal ihrer Klubs. Eine ungewohnte Situation für die beiden in die Jahre gekommenen Platzhirsche, die den Anstoß im altehrwürdigen Stadio Olimpico diesmal voraussichtlich von der Ersatzbank aus verfolgen müssen.
Verwundern dürfte ihre Jokerrolle im Grunde nicht, denn mit 39 und 37 Jahren auf dem Buckel zählen Totti und Klose selbst im traditionell oldie-freundlichen italienischen Fußball zu den ältesten Profis der Liga. Doch dass Giallorossi und Biancocelesti in dieser Spielzeit zumeist ohne ihre Auslaufmodelle einlaufen, liegt nicht allein am stolzen Alter des Duos.
Ein Denkzettel mit Folgen
Roma-Legende Totti lieferte sich in den vergangenen Wochen einen internen Machtkampf mit Coach Luciano Spalletti, der im Januar an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt ist. Seitdem der 57-Jährige das Amt von Rudi Garcia übernommen hat, rollen die Gelb-Roten die Serie A von hinten auf und haben nach verpatzter Hinserie den Anschluss zur Champions-League-Region hergestellt. Sportlich läuft's also für die Roma, doch vor dem Derby dreht sich wieder einmal nahezu alles um "Il Capitano".
Der Fanliebling war im Februar nach kritischen Aussagen über seinen Trainer für das Spiel in Palermo aus dem Kader gestrichen worden. Totti damals: "Ich kann nicht so aufhören. Ich werde nicht eingesetzt. Ich kann nicht so leben. Ich verlange Respekt für das, was ich in den vielen Jahren geleistet habe". Ein Statement, das den Vereinsoberen gar nicht gefiel. Die harte Bestrafung des Kapitäns sorgte allerdings für jede Menge Unmut in der berüchtigten Curva Sud, dem harten Kern der Roma-Anhänger.
In der ewigen Stadt ticken die Uhren bekanntlich ein bisschen anders, Tradition und Treue stehen über allem. Ohne ihr Idol gehen die Tifosi auf die Barrikaden, doch Spalletti bleibt hart: In der Rückrunde kam Totti lediglich in fünf Pflichtspielen zum Einsatz, jeweils als Joker. Ob der mit elf Toren Führende der Derby-Torjägerliste im mutmaßlich letzten Stadtduell seiner Karriere überhaupt noch mitwirken darf, ist weiterhin unklar.
Kloses Abschied scheint beschlossen
Ein wenig anders stellt sich die Lage bei Miroslav Klose dar. Der WM-Rekordtorschütze spielte in der laufenden Saison aufgrund zahlreicher Verletzungen nur eine Nebenrolle beim kriselnden Lazio. Aktuell dümpelt der Vorjahresdritte im Niemandsland der Tabelle umher, der Trainerstuhl von Stefano Poli wackelt nach nur einem Sieg aus den vergangenen acht Partien und dem peinlichen Europa-League-Aus gegen Sparta Prag bedenklich. Nur ein Prestigeerfolg gegen den Erzrivalen dürfte dem Übungsleiter eine Gnadenfrist verschaffen.
Ungeachtet dessen steht für Oldie Klose wohl das letzte Rom-Derby seiner Laufbahn an. Laut Medienberichten ist der Abschied des 37-Jährigen nach fünf Jahren im hellblauen Dress beschlossene Sache, da der Hauptstadtklub den auslaufenden Vertrag mit dem Deutschen nicht mehr verlängern will. Dabei bewies der Routinier mit seinem Doppelpack beim 2:0-Sieg gegen Atalanta Bergamo erst kürzlich, dass er auch in fortgeschrittenem Alter nichts von seinem Killerinstinkt eingebüßt hat. Bessere Voraussetzungen als bei Totti, ein letztes Mal im Kampf um die Vorherrschaft am Tiber einzugreifen.
Ob die gewohnt feurige Atmosphäre auf den Rängen aufkommt, ist derweil fraglich. Die Roma-Fans riefen aus Protest gegen die strengen Sicherheitsmaßnahmen zum Boykott des Spiels auf, die Lazio-Anhänger schlossen sich dem Vorhaben an. Es wäre ein trauriger Rahmen für den finalen Derbyauftritt eines klangvollen Duos, das die Fußballwelt auch zehn Jahre nach dem WM-Halbfinale noch elektrisieren kann.