ÖFB-Personalsorgen just vor dem Highlight

Vor dem abschließenden Länderspiel des Jahres am Dienstag (ab 19:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) gegen den fünffachen Weltmeister Brasilien herrscht bei Österreich neben Vorfreude auf den prestigeträchtigen Gegner auch eine gewisse Sorge. Nicht etwa vor einer Abfuhr, denn das ÖFB-Team rechnet sich im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion durchaus Chancen aus. Vielmehr sind es zahlreiche Wehwehchen von der Russland-Partie, die so manchen Einsatz gefährden.
"Wir haben ein bisserl Probleme. Der eine oder andere hat Schläge abbekommen und wir wissen aktuell nicht, ob es gehen wird." Der 1:0-Sieg über Russland hat dem österreichischen Nationalteam sehr viel Substanz gekostet. Ausgerechnet vor dem freundschaftlichen Aufeinandertreffen mit Rekord-Weltmeister Brasilien, der "Belohnung" am Ende eines starken Länderspieljahres, muss sich ÖFB-Teamchef Marcel Koller also mit zahlreichen Fragezeichen befassen.
Julian Baumgartlinger, der gegen die Russen schon beim Aufwärmen w.o. geben musste, fällt definitiv aus und wird wie der nach Sydney rückbeorderte Marc Janko ebenfalls vorzeitig abreisen. "Wir hoffen, dass es nichts Schlimmes ist und er bald wieder für Mainz spielen kann", so Koller. "Dragovic, Hinteregger sind leicht angeschlagen, auch Klein. Junuzovic hat einen Schlag auf die Wade bekommen und auch Leitgeb hat noch Probleme. Wir werden das erst kurzfristig entscheiden können", führte er seine Personalsorgen weiter aus.
Regeneration ist daher angesagt, die Physiotherapeuten arbeiten beim ÖFB auf Hochtouren. Zweifelsohne werden die Reservisten aber nicht nur wegen des großzügigen Wechselkontingents von sechs Spielern zu Einsatzminuten kommen.
Als eines von Kollers Sorgenkindern hatte Zlatko Junuzovic auf dem Podest Platz genommen. "Die Wade fühlt sich an wie wenn ein Brocken da drin wäre. Es tut weh, aber trainieren wird schon gehen und da kann ich das irgendwie rauslaufen", war der Offensivmann zuversichtlich.
Österreich ist krasser Außenseiter gegen Brasilien. Dennoch geht es für die rot-weiß-rote Mannschaft um die Verteidigung der stolzen Serie von nun schon neun Spielen ohne Niederlage. Sollte die ÖFB-Auswahl auch gegen die Brasilianer nicht verlieren, bliebe sie als weltweit einziges Team 2014 unbesiegt. "Das wäre eine wirklich schöne Sache. Natürlich können wir uns mit einem guten Spiel in die Winter verabschieden und das neue Jahr wieder positiv angehen."
Österreich will sich gegen Weltklasse nicht verstecken
Gegen die Selecão zu spielen wäre eben etwas ganz Besonderes. "Brasilien ist eine Weltklasse-Mannschaft. Sie haben eine sehr hohe individuelle Klasse von hinten bis ganz vorne. Wir müssen höllisch aufpassen", erklärte Junuzovic. "Aber ich glaube, wir haben etwas entgegenzusetzen. Es gibt nichts Schöneres als dieses Spiel."
Kapitän Christian Fuchs stimmte seinem Teamkollegen zu: "Sie bringen auch einen Spielwitz und Spielfreude mit. Aber ich denke trotzdem, dass wenn wir als Mannschaft auftreten, unsere Qualitäten reinbringen und uns etwas zutrauen, dann können wir ein gutes Spiel machen."
"Ehrfurcht ist fehl am Platz", meinte Fuchs vor dem Spiel mit Neymar und Co. "Respekt ja, aber Angst ist keine da." Denn so gänzlich eine andere Welt ist die brasilianische Nationalmannschaft dann ja doch nicht. Den Wolfsburger Luiz Gustavo kenne man aus Duellen in der deutschen Bundesliga. Der Schalke-Spieler konnte zudem von seinen persönlichen Aufeinandertreffen mit Chelsea-Offensivmann Willian in der Champions League berichten: "Er ist eine richtige Rakete. Genauso wie Oscar. Auf solche Duelle freut man sich."
Und Neymar? "Jeder kennt ihn. Wenn du eins gegen eins bist, willst du dir aber Respekt verschaffen", so Zlatko Junuzovic. "Woche für Woche haben wir Spiele gegen Weltklassespieler, daher ist es nichts Neues. Für das Nationalteam und das Land ist es aber etwas Besonderes. Auch wir wollen mit Spielfreude reingehen und schauen, dass uns die eine oder andere Aktion gelingt."
"Es ist nicht so, dass wir nur lernen wollen, dabei stehen und nur zugucken. Wir wollen unser Spiel spielen und zeigen, dass wir gut drauf sind." Das "Zuckerl" Brasilien als reines Lehrspiel zu sehen, darauf wollte sich auch Marcel Koller nicht einlassen. "Aber vielleicht kann – auch erst in der Videoanalyse - jeder Spieler etwas für sich selber mitnehmen. Wo kann ich mich verbessern?"
Aber auch Brasilien darf lernen
Auch der Erkenntnisgewinn Brasiliens soll nicht zu kurz kommen. Nur Trainer Carlos Dunga hatte sich die Russland-Partie angesehen, seine Mannschaft nicht. "Sie sagen, sie kennen keinen Spieler. David (Alaba) ist leider nicht da. Ich hoffe, dass sie danach doch den einen oder anderen von uns kennen", so Koller.
Der Teamchef will mehr als nur dagegenhalten: "Wir wollen auch nach vorne kommen." Wie bleibt aber geheim "Sonst würden sie die kleine Stelle zumachen." Fest stehe nur, dass Effizienz unabdingbar ist. "Gegen Topgegner kriegst du nicht fünf, sechs, sieben Möglichkeiten. Wenn du sie hast, dann musst du sie nützen."
Blickpunkt Wien
Mit Brasilien kommen nicht nur die großen Stars und Idole, sondern auch deren Scheinwerferlicht nach Wien. TV-Stationen aus über 160 Ländern werden Bildmaterial aus dem ausverkauften Ernst-Happel-Stadion zeigen. Ein ausgezeichneter Zeitpunkt um auch selber zu glänzen? "Einerseits ist es ein Freundschaftsspiel, andererseits doch ein richtig geiles Spiel. Es wird eine Mörderkulisse sein. Wir haben uns diese Situation erarbeitet und eine Euphorie entwickelt", so Zlatko Junuzovic.
Mit dem Wert der Partie als Karrieresprungbrett wollte sich der noch bis Sommer an Werder gebundene Spieler nicht befassen "Wir treten als Mannschaft auf, denn nur so sind wir erfolgreich. Das Individuelle kommt dann eh von alleine. Von dem her machen wir uns keine Gedanken."
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