Koller: "Müssen jetzt Konstanz reinbringen"

Am Tag nach dem Sieg über Russland in der EM-Qualifikation war die Zufriedenheit bei Österreichs Teamchef Marcel Koller naturgemäß groß. Im nächsten Schritt gelte es, aus der schönen Momentaufnahme einen anhaltenden Zustand zu machen.
"Es ist nach wie vor ein schönes Gefühl. Er fühlt sich noch immer gut an, der Sieg." Auch am Tag nach dem 1:0-Erfolg über Russland, war die Freude bei ÖFB-Teamchef Marcel Koller groß. In seiner Einschätzung, dass der heurige WM-Teilnehmer die in der EM-Qualifikation größte Hürde sei, sah der 54-Jährige sich bestätigt. "Es war das erwartet schwierige Spiel."
In den Tagen vor dem Duell wurde Koller nie müde die Stärken Russlands hervor zu streichen. "Über die Russen weiß man nicht viel, weil man die Spieler nicht so kennt. Aber sie haben gezeigt, dass sie Qualität haben und Fußball spielen können." Das spreche laut dem Teamchef auch weiterhin für Russland. Österreich mag nach vier Spieltagen Tabellenführer der Gruppe G sein, die Favoritenrolle bleibt für Marcel Koller aber dem Team aus Lostopf eins.
Auch die Prognose, dass es in dieser prominent besetzten Gruppe durchwegs enge Spiele werden, traf bislang ein. "Wenn wir die einzigen sind, die Punkte nicht teilen, dann ist das schön." Kurzfristige Freude sei erlaubt. "Wir stehen vier Monate an der Tabellenspitze, Weihnachten steht vor der Tür", so Koller mit etwas Augenzwinkern. "Wir wissen, was zu tun ist, dass wir nicht durch sind und dass wir (im neuen Jahr, Anm.) zurückkommen müssen."
Bei den knappen Angelegenheiten entscheiden Kleinigkeiten. "Glück braucht man immer ein bisserl, aber es heißt ja, dass man sich das erarbeiteten kann. Wenn man auf dem Platz das konsequent umsetzt, was man kann, mit Überzeugung, dann gibt das Resultat. Die geben wiederum Selbstvertrauen", erklärte Marcel Koller, wie eins zum anderen führte.
Wie stark ist Österreich nun?
Ein Heimsieg gegen eine starke russische Sbornaja ist gewiss prestigeträchtig. Aber wo steht das österreichische Nationalteam außer auf dem ersten Platz in der Gruppe? Angesichts der jüngsten Qualifikationsergebnisse wird die ÖFB-Auswahl in der FIFA-Weltrangliste ihren Vormarsch fortsetzen. Unter den besten 30 der Welt war Österreich bereits zu Monatsbeginn.
"Top 10 sind wir noch nicht. Wir sind dort, wo wir gerade sind. Es kann immer auch auf die andere Seite kippen", war sich der Teamchef ziemlich sicher. Im nächsten Schritt gelte es, die Momentaufnahme zu konservieren: "Entscheidend ist für mich Konstanz reinzubringen." Das bedeutet unter anderem mit Ausfällen zurechtzukommen, denn das ist "über einen längeren Zeitraum wichtig."
Gegen Russland musste Österreich mit Bayern-Star David Alaba und Laufwunder Julian Baumgartlinger beide Stammkräfte im zentralen Mittelfeld vorgeben. In Hälfte eins gerieten die ÖFB-Kicker genau dort immer wieder in Unterzahlsituationen. Nach mahnenden Worten in der Halbzeitpause wurden die Mängel behoben. "Leitgeb ist ja schon ein alter Hase", erinnerte Koller. "Und Ilsanker wusste ja bis kurz vor Anpfiff nicht, dass er spielt. Er konnte sich keine Gedanken über den Druck machen."
Zufrieden war Koller auch mit dem Siegstorschützen Rubin Okotie "Gegen Schweden war er noch sehr nervös." Diesmal hielt der Trainer seinen Joker zu mehr Ruhe an. "Er muss nicht gleich alles rausreißen und die Stunde davor aufholen, sondern sein Können auf den Platz bringen – mit Ruhe und Gelassenheit", erklärte Koller.
Nach dem Tor die Gegenoffensive abwehren
Nach dem entscheidenden Treffer gab der Teamchef seinen Spielern aber ein gänzlich anderes Kommando. Er deutete den noch jubelnden Spielern "Fünf" – fünf Minuten Vollgas zu geben. "Wenn du ein Tor schießt – endlich ist es passiert –, dann geht die Spannung runter. Die größte Gefahr sind immer die fünf Minuten nach dem Tor, weil der Gegner sauer ist und eine Reaktion bringt. Das sieht man jedes Wochenende", dozierte Koller.
Russlands Spieler nahmen im Vorfeld nicht nur die Favoritenrolle dankbar an, sondern schossen mit teils arroganten Aussagen über das Ziel hinaus. Genugtuung, diesen nun eine Lektion erteilt zu haben, empfand Marcel Koller, selbst Verfechter von Demut und Bescheidenheit, keine. "Ich freue mich über den Sieg. Was sie erzählen, kann ich ja nicht beeinflussen. Daher interessiert mich das auch nicht. Je nachdem kann man es ausnützen um die Spieler vielleicht noch etwas anzustacheln", meinte der Teamchef auf weltfussball-Nachfrage
In der zweiten Hälfte der EM-Qualifikation wird Österreich einen weiteren Leistungsträger vorgeben müssen - den im Herbst immer wieder in seiner Bedeutung hervorgehobenen zwölften Mann. Wie wird dieser Ausfall verkraftet, wollte welfussball daher ebenfalls wissen? "In Moldawien war das ja schon sehr gut, das war eine große Ecke. Ich glaube, dass uns die österreichischen Fans begleiten werden. Wir werden spüren, dass sie hinter uns stehen. Am liebsten würde ich 48.000 mitnehmen", war diesbezüglich Marcel Koller zuversichtlich.
Das Beste kommt zum Schluss
Zum Jahresabschluss geht es am Dienstag (ab 19:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) gegen den fünffachen Weltmeister Brasilien um einen genussvollen Jahresausklang. Auch Österreichs weiße Weste im Jahr 2014 steht auf dem Spiel. Neun Partien in Folge blieb das ÖFB-Team unbesiegt, als einziges Team blieb es heuer noch ohne Niederlage. Sollte die Serie reißen, "würde ich mich nicht so über Weihnachten freuen", scherzte Koller. Dann ernster: "Es wäre schön, wenn sie hält, aber es hat nicht erste Priorität." Immerhin wäre es ja auch hilfreich, wenn die Seleção den Österreichern den einen oder anderen Schwachpunkt aufzeigt. Weiterentwicklung ist angesagt.
Bis auf Sydney-Legionär Marc Janko, für den es noch eine Nachnominierung geben wird, werden vorerst alle Kaderspieler dabei sein. Bei Julian Baumgartner stellt sich für Koller nicht nur die Frage nach der Fitness, sondern auch dem Sinn des Risikos. Sechs Wechsel sind erlaubt, also dürfen 17 Österreicher mit den Stars vom Zuckerhut auf dem Rasen dem Ball nachjagen.
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Sebastian Kelterer