20.03.2014 11:46 Uhr

Montella: Catenaccio war gestern

Hat den AC Florenz binnen weniger Monate zu einer Spitzenmannschaft geformt: Vincenzo Montella
Hat den AC Florenz binnen weniger Monate zu einer Spitzenmannschaft geformt: Vincenzo Montella

13 Jahre nach dem Gewinn der letzten bedeutenden Trophäe träumen die Fans des AC Florenz vom Ruhm vergangener Tage. Auch dank Mario Gomez, der wieder spielt und trifft. Der eigentliche Star sitzt aber auf der Bank.

Wie ein Heilsbringer wurde Mario Gomez bei seiner Ankunft in Florenz gefeiert. Zu seiner Begrüßung pilgerten mehr Menschen ins Stadion als andernorts bei so manchem Spiel. Doch nach nur drei Einsätzen war der Spuk schon wieder vorbei. Der deutsche Nationalstürmer verletzte sich schwer und fiel monatelang aus.

Der Schaden war überschaubar, denn mit Guiseppe Rossi stand ein zweiter Stürmer mit dem Prädikat "weltklasse" parat. Der chronische Kniepatient war endlich beschwerdefrei und schoss sich den Frust der vergangenen Monate mit 14 Toren in 18 Spielen von der Seele. Dass der eigentliche Superstar nur auf der Tribüne saß, machte sich kaum bemerkbar.

Möglich gemacht hat es Vincenzo Montella. Der 39-jährige Chef-Trainer, früher selbst ein begnadeter Stürmer, hat dem Team in den letzten beiden Jahren eine neue Identität verpasst. Offensiv, attraktiv und erfolgreich lautet sein Credo. Nicht wenige würden ihn gerne auf der Position des Nationaltrainers sehen. Schaut man sich die Spielweise seiner Mannschaft an, wundert das nicht.

Viel Ballbesitz und taktische Flexibilität

Das Spiel der "Violetten" zeichnet sich in der Liga vor allem durch hohe Ballbesitzzeiten (ca. 60%) aus. Gleichzeitig beweist das Team eine große Passsicherheit (85,8%), die es vielen Gegner schwer macht, überhaupt an das Leder zu kommen. An die Pep'schen Dimensionen reichen sie zwar nicht heran, trotzdem liegt der AC Florenz in beiden Statistiken ligaweit auf Platz drei.

"Vom ersten Training an haben wir viel mit dem Ball gearbeitet. Bei fast jeder Übung war ein Ball dabei", schwärmte der Spanier Joaquin nach seinen ersten Trainingseindrücken. Er habe nicht erwartet, dass in Italien genau wie in Spaniern trainiert werde, gab der Spielmacher zu. Statt Catenaccio gab es vom ersten Tag an gepflegtes Kurzpassspiel und schnelles Umschalten.

Taktisch fordert Montella von seinen Spielern vor allem eins: hohe Flexibilität. Je nach Gegner lässt der 39-jährige Übungsleiter mal in einem 3-5-2, mal in einem 4-3-3 spielen. Selbst das eher seltene 3-1-4-2 war in dieser Saison schon ein probates Mittel. Am Spielfeldrand und an der Taktiktafel lässt der Trainer keine Zweifel daran aufkommen, wer der Chef ist.

Krisengespräche mit dem verlängerten Arm

Und auch hinter den Kulissen – in Florenz schon fast traditionell ein kleiner Brandherd – herrscht dank Montella Ruhe. "Seit seiner Ankunft geht es sehr ruhig und friedlich zu", berichtet Manuel Pasqual. Der 32-Jährige muss es wissen, schließlich hat er in seinen achteinhalb Jahren im Verein schon fünf verschiedene Trainer kommen und gehen sehen.

In der Umkleidekabine setzt der Coach auf eine flache Hierachie. Die Alten haben nicht mehr Rechte als die Jungen und umgekehrt. Sollte es doch mal Unstimmigkeiten geben, bespricht Montella diese mit seinem Co-Trainer Daniele Russo. Zusammen bilden sie ein eingespieltes Team, das sein Können schon bei der Roma und in Catania unter Beweis stellte. Bis 2016 läuft der aktuelle Kontrakt des Erfolgsgespanns. Vorzeitige Verlängerung nicht ausgeschlossen.

Auf dem Weg in eine goldene Zukunft?

Vieles spricht derzeit für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Zum einen befindet sich ein Großteil der Mannschaft im besten Fußballer-Alter. Erst ein Leistungsträger hat die 30 überschritten, gleichzeitig stehen 14 Kicker aus dem Jahrgang 1990 und jünger im Kader. Zudem hat Montella mit dem Sturmduo Gomez/Rossi zwei absolute Hochkaräter in der Hinterhand. Sollten beide zur kommenden Saison fit werden, müsste die Fiorentina keinen Vergleich mehr scheuen.

Andererseits bleibt die Frage, ob man auch in Zukunft Weltklasse-Kicker vom Kaliber eines Mario Gomez in die Toskana locken kann. Die Serie A hat nun mal längst nicht die Anziehungskraft, die sie noch in den 90er Jahren versprühte. Und wirtschaftlich können die "Violetten" erst recht nicht mit den Branchenriesen mithalten.

Weitere Investitionen zwingend notwendig

Die finanziellen Möglichkeiten, auf Rückschläge zu reagieren, sind begrenzt. In der abgelaufenen Winterpause holte man zwar Spieler wie Alessandro Matri (AC Milan), Anderson (ManUnited) und Modibo Diakité (Sunderland). Diese kamen allerdings nur auf Leihbasis und würden das Gehaltsgefüge bei einer festen Verpflichtung weiter belasten.

Das Problem: Montella muss seinen Kader zur kommenden Saison zwingend aufrüsten. Die laufende Serie-A-Saison zeigt, dass noch nicht genügend Substanz im Team steckt, um die alles überstrahlenden Turiner oder die investitionsfreudigen Neapolitaner einzuholen. Tabellenplatz vier und 27 (!) Punkte Rückstand auf die "Alte Dame" sind nicht das, was sich Fans, Trainer, Spieler und Verantwortliche vorstellen. Zu allem Übel ist auch die Champions-League-Qualifikation schon außer Reichweite.

Und doch scheint der Stern der Fiorentina langsam wieder aufzugehen. Sollte die Mannschaft am Donnerstagabend auch noch den ungebliebten Rivalen aus Turin aus dem Europacup kegeln, wäre das mehr als nur ein kleines Ausrufezeichen. Und ein klarer Beweis dafür, dass mit dem AC Florenz in Zukunft – vielleicht sogar mehr denn je – zu rechnen ist.

>> Das Rückspiel: Florenz vs. Juventus ab 19 Uhr bei uns im Liveticker

Christian Schenzel

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