07.07.1974 19:00 Uhr

Zum zweiten Mal Weltmeister

München - Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem 3:2 gegen Ungarn 1954 in Bern erringt die bundesdeutsche Nationalelf gegen die Niederlande zum zweiten Mal den Weltmeistertitel.
Bundestrainer Helmut Schön vertraut der Siegerelf gegen Polen, gebildet aus sechs Spielern von Bayern München (Torhüter Sepp Maier, Libero Franz Beckenbauer mit seinem Ausputzer Georg Schwarzenbeck, Offensivverteidiger Paul Breitner sowie Uli Hoeneß im Mittelfeld und Gerd Müller im Sturm) und je zwei Gladbachern (Berti Vogts und Rainer Bonhof) und Frankfurtern (Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein) sowie dem Kölner Wolfgang Overath, der das Spiel lenken soll.
Als klarer Favorit gilt diese Elf nicht, denn allzu überlegen hatte das »Oranje«-Team – eine Kombination aus Spielern der Spitzenclubs Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam, ergänzt durch »Legionäre« wie Rob Rensenbrink (RSC Anderlecht) und Johan Cruyff (FC Barcelona) – die Vor- und Zwischenrunde überstanden. Die ersten Minuten des Spiels scheinen die Skeptiker im deutschen Lager zu bestätigen.
Zwar gewinnt Kapitän Beckenbauer die Seitenwahl, doch die Niederländer haben Anstoß und übernehmen sofort die Regie. Exakt nach 56 Sekunden erscheint Cruyff erstmals im deutschen Strafraum, wo ihm Hoeneß die Beine wegzieht. Den fälligen Elfmeter verwandelt Johan Neeskens unhaltbar für Maier.
Danach berennt die keineswegs geschockte deutsche Elf voller Elan das niederländische Tor. In der 25. Minute pfeift der englische Schiedsrichter John Taylor erneut, diesmal auf der anderen Seite: Hölzenbein kommt im Duell mit Wim Jansen zu Fall, den Strafstoß verwandelt Paul Breitner unhaltbar für den niederländischen Schlussmann Jan Jongbloed zum Ausgleich.
Wie zuvor Maier wählt auch Jongbloed die falsche Ecke. Er pariert dafür in der 35. Minute einen von Beckenbauer raffiniert über die Mauer getretenen Freistoß, ist aber acht Minuten später machtlos, als Bonhof energisch auf dem rechten Flügel durchmarschiert und flach in die Mitte passt. Müller lässt im Strafraum auf engstem Raum mit einer Körpertäuschung seine Gegenspieler stehen und schießt nicht hart, dafür aber sehr platziert zum 2:1 ein.
Diese zwei Minuten vor dem Pausenpfiff erzielte Führung verteidigt die bundesdeutsche Elf mit Glück und Geschick in den zweiten 45 Minuten gegen nun stürmisch anrennende Niederländer. In der 51. Minute köpft Breitner für den schon geschlagenen Maier nach dessen misslungener Faustabwehr den Ball von der Torlinie. Eine Minute später rettet der Schlussmann gegen einen Kopfball von Wim van Hanegem. In der 75. Minute ist es Rechtsaußen Rep, der freistehend in Maier seinen Meister findet. Das holländische Powerplay lässt natürlich Raum für Konterangriffe, doch weder Bonhof in der 48. Minute noch Hoeneß in der 74. und der 83. Minute können aussichtsreiche Gelegenheiten nutzen. In der 84. Minute lässt Taylor seine Pfeife stecken, als Hölzenbein erneut im Strafraum zu Boden geht. Eine Minute später hat noch einmal Neeskens die Chance, die immer verzweifelteren Versuche der Holländer, das Blatt in der zweiten Hälfte noch zu wenden, mit dem Ausgleich zu belohnen. Sein Schuss verfehlt jedoch ganz knapp das deutsche Tor. Nach dem Schlusspfiff schäumt die Begeisterung über, als Mannschaftskapitän Franz Beckenbauer den Weltpokal entgegennimmt und den Zuschauern präsentiert.
Nach dem unerfreulichen Prämienpoker zu Beginn, geht das sportlich erfolgreiche Turnier auch mit einem Missklang zu Ende: Den Spielerfrauen wird von Seiten der DFB-Offiziellen die Teilnahme am Siegerbankett verwehrt, Hoeneß und andere lassen sich das nicht gefallen. Das Ende vom Lied: Ebenso wie Grabowski und Overath verabschiedet sich auch der erfolgreichste DFB-Torjäger Müller nach 62 Einsätzen und 68 Toren aus der Nationalelf.

Der Spielbericht stammt aus "Die Chronik des deutschen Fußballs", die Ihr mit vielen zusätzlichen Infos und Hintergründen auch online bestellen könnt: Chronik des deutschen Fußballs.

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