"Kein leichtes Los": DFB-Frauen müssen Top-Niveau beweisen
Jetzt gilt's! Die DFB-Frauen wollen den nächsten Schritt auf dem Weg nach Paris gehen, doch begeben sich nicht nur personell auf eine Reise ins Ungewisse.
Bei seinem letzten Tanz will Horst Hrubesch noch ein paar schwungvolle Extra-Drehungen hinlegen. Erst in Marseille, im Viertelfinale gegen den Tokio-Olympiasieger Kanada, auch wenn das neue Selbstbewusstsein der deutschen Fußballerinnen noch ein wenig wacklig daherkommt.
Dann auf dem Halbfinal-Parkett von Lyon - und schließlich, so erträumt es sich der Bundestrainer, auf einem goldenen Abschlussball in Paris.
Doch vor der Kür, warnt Hrubesch, müssen erst mal die Grundschritte stimmen. Kanada sei "kein leichtes Los", sagte der 73-Jährige vor dem Härtetest für alle Medaillenträume am Samstag (19:00 Uhr). Und doch sieht er eine gute Chance: "Sie haben auch ihre Macken, genau wie wir."
Auch Nia Künzer, selbst einst eine Final-Heldin, präsentiert sich trotz bisher recht wechselhafter Leistungen zuversichtlich. "Ich hoffe, dass das Team weitere Entwicklungsschritte macht, so ein Turnier ist da eine gute Möglichkeit", sagte die DFB-Sportdirektorin.
Nach dem WM-Fiasko vor einem Jahr sei mit dem bereits erreichten Minimalziel Viertelfinale "ein gewisses Selbstbewusstsein" zurückgekehrt. Dabei haben klare Vorrundensiege gegen Australien (3:0) und Sambia (4:1) geholfen - das 1:4 gegen die USA war aber ein heftiger Stolperer.
Verletzungssorgen im DFB-Team
Zudem wird Hrubesch personelle Sorgen einfach nicht los. Es begann mit der Verletzung von Schlüsselspielerin Lena Oberdorf vor dem Turnier, es folgten die Erkrankung von Sarai Linder und der Ausfall des Abwehr-Duos Marina Hegering und Kathrin Hendrich gegen Sambia.
Lea Schüller hat neuerliche Schulterbeschwerden. Am Freitag musste sich die 26-Jährige "letzten Untersuchungen" unterziehen, wie der Deutsche Fußball-Bund mitteilte.
Vor dem Abschlusstraining, das Schüller mit einer getapten rechten Schulter absolvierte, ließ Hrubesch einen Einsatz zunächst offen. "Das werden wir morgen sehen", sagte er am Freitagnachmittag: "Sie hat eine Prellung in der Schulter, das hat man untersucht, alles in Ordnung soweit." Auch über einen Einsatz von Marina Hegering werde, wie mittlerweile üblich, kurzfristig entschieden.
Immerhin: Alle Spielerinnen waren trainingsfähig. Eine Rückkehr von Linder für Felicitas Rauch ist auch vorstellbar - somit könnte Horst Hrubesch im Idealfall zur K.o.-Runde wieder seine nominell beste Elf aufbieten.
Doch bei den von ihm stets geforderten "körperlichen 100 Prozent" sind längst nicht alle.
Hrubesch hält an Torfrau Berger fest
Zudem erwies sich die "rein gefühlsmäßige Entscheidung" des Bundestrainers für die neue Nummer eins Ann-Katrin Berger bisher nicht als zweifelsfrei richtig. Die 33-Jährige patzte gegen die USA leicht, gegen Sambia schwer - jeweils mit einem Gegentor als Folge. Hrubesch aber stärkte seiner Torfrau den Rücken: "Wer macht keine Fehler", sagte er und betonte, Berger, gebe der Mannschaft Sicherheit.
Dennoch lässt besonders die Pleite gegen die USA befürchten, was Inka Grings bereits ausformuliert hat. "Man hat gesehen, dass diese Mannschaft auf internationalem Top-Niveau limitiert ist", schrieb die ehemalige Nationalstürmerin in ihrer Kolumne für das Nachrichtenportal "t-online".
"Ich vermisse eine gewisse gierige Mentalität, die ich nicht bei jeder Spielerin sehe. Jede Einzelne sollte sich hinterfragen", forderte die zweimalige Europameisterin.
Gegnerisches Top-Niveau erwartet das Team in Marseille, wo das deutsche Olympia-Abenteuer vor knapp zwei Wochen begonnen hatte. Kanada sei eine "ziemlich kompakte Mannschaft, die körperlich gut ist und fußballerisch auch ihre Mittel hat", sagte Hrubesch.
Der Olympiasieger von Tokio wirkt von dem Drohnenspionage-Skandal und einem Sechs-Punkte-Abzug wie beflügelt, gewann alle drei Gruppenspiele.
Horst Hrubesch ist viel zu erfahren, um sich davon in Unruhe versetzen zu lassen. Er will weitertanzen - bis nach Paris.