19.06.2023 11:15 Uhr

25 Jahre nach der "Schande von Lens": Die Tat wirkt nach

Daniel Nivel ist bis heute von den schweren Hooligan-Attacken gezeichnet
Daniel Nivel ist bis heute von den schweren Hooligan-Attacken gezeichnet

Am 21. Juni 1998 wird Daniel Nivel von deutschen Hooligans in Lens fast zu Tode geprügelt. Der französische Polizist ist auch nach 25 Jahren schwer gezeichnet von jenem schwarzen Tag bei der Fußball-WM 1998 in Frankreich.

Daniel Nivel ist auf einem Auge blind, kann weder riechen noch schmecken und kaum hören. Das Schwierigste für den heute 68-Jährigen ist aber, dass er 25 Jahre nach der feigen Attacke deutscher Hooligans auf ihn auch nicht mehr sprechen kann.

"Die Fähigkeit, sich ausdrücken zu können, fehlt im sehr", sagte Ehefrau Lorette der "Sport Bild" anlässlich des Jahrestages und machte klar: "Der 21. Juni 1998 bleibt unvergessen. Man hat meinem Mann seine Freiheit genommen."

Jener verhängnisvolle Sonntag bei der WM in Frankreich ging als "Schande von Lens" in die deutsche Fußball-Geschichte ein. Von "einem der dunkelsten Kapitel im deutschen Fußball" spricht DFB-Präsident Bernd Neuendorf in einer neuen ZDF-Dokumentation über den Angriff, der auch nach einem Vierteljahrhundert noch fassungslos macht. Die Täter hätten sich "verhalten wie Monster", heißt es später im Urteil.

"Schande von Lens": Daniel Nivel bleibt schwerbehindert

Eine dreistellige Zahl deutscher Krawallmacher zieht an jenem Tag durch die Straßen der nordfranzösischem Kleinstadt, in der Deutschland am Abend in der Vorrunde auf Jugoslawien trifft. Nivel sperrt zusammen mit zwei anderen französischen Gendarmen die enge Rue Romuald Pruvost ab, als er und seine Kollegen von einer kleinen Gruppe Hooligans attackiert werden. Die beiden Kollegen Nivels können fliehen.

Doch Nivel, damals 43 Jahre alt, Vater von zwei Kindern, wird von einem bis heute unbekannten Mann zu Boden gestoßen und verliert seinen Helm. Mehrere Männer treten und schlagen auf den wehrlosen Polizisten ein, teilweise mit einer Werbetafel aus Holz und dem Aufsatz seines Tränengasgewehres.

Nivel bleibt in einer Blutlache liegen, erwacht erst nach sechs Wochen aus dem Koma. An den Überfall hat er keine Erinnerungen.

Deutschland und Frankreich stehen nach der brutalen Attacke unter Schock. Bundeskanzler Helmut Kohl nennt die Täter eine "Schande für unser Land". Der damalige DFB-Präsident Egidius Braun erwägt sogar, die deutsche Mannschaft von der WM abzuziehen. Kohl und UEFA-Präsident Lennart Johansson aber überzeugten "mich", so Braun, "dass das nicht der richtige Weg gewesen wäre - die Gewalttäter hätten über den Sport obsiegt".

"Schande von Lens": Hooligans sind längst wieder auf freiem Fuß

Die Tat wirkt bis heute nach. Der DFB gründet 2000 die Daniel-Nivel-Stiftung, die sich unter anderem um Gewaltprävention kümmert. Nivel kommt mehrmals auf Einladung des DFB zu Fußballspielen, auch bei der WM 2006 in Deutschland oder der EM 2016 in Frankreich.

Vor dem Spiel der Nations League am 16. Oktober 2018 in Paris verleiht ihm Bundesaußenminister Heiko Maas das Bundesverdienstkreuz.

Sechs Hooligans wurden in mehreren Prozessen zwischen 1999 und 2003 zu Haftstraßen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren verurteilt. Für die Familie Nivel ein schwacher Trost. "Sie kamen", sagte Ehefrau Lorette, "ja wieder aus dem Gefängnis, sie bekamen ihr Leben zurück".

Das Haus mit der Nummer 74 in der Rue Romuald Pruvost, vor dem Nivels Leben beinahe ausgelöscht wurde, ist längst abgerissen. Inzwischen ist dort eine Grünfläche entstanden.

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