26.06.2018 12:46 Uhr

Sbornaja hadert nach "Schlag ins Gesicht"

Russland ist zurück auf dem Boden der Realität
Russland ist zurück auf dem Boden der Realität

Den ersten Stresstest hat WM-Gastgeber Russland mächtig vermasselt, von der Euphorie ist kaum noch etwas zu spüren. Im Achtelfinale gegen Spanien braucht die Sbornaja aber jede Unterstützung - und vielleicht auch ein kleines Wunder.

Als sich die russischen Fans tief betrübt und konsterniert auf den Heimweg machten, spielte sich Stanislav Cherchesov zum gutgelaunten Show-Master auf. Die Pressekonferenz war schon beendet, da trat der Nationaltrainer des WM-Gastgebers nochmal auf das Podium, er breitete die Arme aus und fragte provokant: "Und wo ist der Applaus?"

Ein paar russische Journalisten klatschten zwar in die Hände, doch offenbar nur aus Pflichtgefühl. Das klare 0:3 (0:2) in Samara im letzten Gruppenspiel gegen abgezockte Uruguayer hat die russischen WM-Party vorerst abgewürgt. "Uns wurde gezeigt, wer wird sind", schrieb die Zeitung "Sovetski Sport". Und die Russen sind: Ein tapfer kämpfendes Team, das im Konzert der Großen aber wohl nicht mithalten kann.

Für viele Russen kam das tatsächlich überraschend, die klaren Siege gegen Saudi-Arabien (5:0) und Ägypten (3:1) hatten falsche Erwartungen geweckt. Nicht wenige Fans sahen nach dem Schlusspfiff aus, als hätten sie sich die "drei Ohrfeigen von Uruguay" ("Sport-Express") selbst eingefangen. Am späten Montagabend kam noch eine vierte Watschn dazu: Im Achtelfinale wartet in Spanien der schwerstmögliche Gegner aus der Gruppe B.

"Das war definitiv ein Schlag ins Gesicht für uns"

"Unserer wichtigster Kampf ist der am 1. Juli, das dürfen wir nicht vergessen", sagte Vize-Ministerpräsident Witali Mutko mit Blick auf das K.o.-Spiel gegen den früheren Welt- und Europameister im "Heimstadion" Luzhniki. Der frühere WM-OK-Chef appellierte daher an das russische Volk: "Das Wichtigste ist, dass das Team weiter unterstützt wird. Es gibt alles für dieses Spiel."

Zuerst müssen die schwer gedemütigten Russen aber ihre Wunden lecken. "Das war definitiv ein Schlag ins Gesicht für uns", sagte Stürmer Artem Dzyuba. Für das Achtelfinale könnte die Pleite aber auch einen positiven Effekt haben, hofft der 1,91 m große Schlaks, der noch der beste russische Feldspieler war. Jetzt wisse die Mannschaft, auf welchen Niveau sie sich bewegen müsse: "Es war ein Test gegen eine Top-Mannschaft."

Bei diesem Test sind einige Spieler aber durchgefallen. Allen voran Igor Smolnikov, nach dessen völlig überflüssiger Gelb-Roten Karte war das Spiel nach 36 Minuten quasi entschieden. Manche Russen stürzten sich im Internet auf den Verteidiger, sodass sich dessen Frau Ekaterina auf Instagram mit emotionalen Zeilen zu Wort meldete: "Ich bitte alle, ihn zu unterstützen und mir keine Beleidigungen zu schicken. Das ist nicht das Ende der Welt, und es kann jedem Spieler passieren."

"Die Atmosphäre wird unglaublich sein"

Nur wenn am kommenden Sonntag im 81.000 Zuschauer fassenden Luzhniki-Stadion der Funke von den Rängen auf den Rasen überspringt, haben die Russen gegen Spanien eine Chance. "Die Atmosphäre wird unglaublich sein", sagte Spaniens Trainer Fernando Hierro, "und Russland kann uns viele Probleme bereiten."

Tschertschessow wird ähnliche Worte wählen, wenn er im Trainingscamp seine Spieler aufbaut. Gelingt ihm das, wird der Applaus bei der nächsten Pressekonferenz auch wieder größer ausfallen.

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