18.06.2018 22:10 Uhr

Bayerns James als Hoffnungsträger der Cafeteros

Die Kolumbianer reisen als einer der Geheimfavoriten nach Russland
Die Kolumbianer reisen als einer der Geheimfavoriten nach Russland

Bei der WM 2014 war Kolumbien die Überraschung, in Russland haben die Cafeteros noch mehr vor - dank Superstar James. Auf dem Star von Bayern München liegen die Hoffnungen der Nation.

Seine wilde Haarpracht ist Carlos Valderrama heilig, aber im Falle einer Sensation würde er dann doch die Schere an sich heranlassen. "Wenn Kolumbien Weltmeister wird, schneide ich mir die Mähne ab", sagte Valderrama mit Blick auf die WM in Russland.

Nun ist es natürlich unwahrscheinlich, dass Valderrama tatsächlich seine Locken verliert. Aber allein die Tatsache, dass er sie verwettet, zeugt vom neuen Selbstbewusstsein der Kolumbianer. Und das liegt vor allem an einem: James. Auf dem Star von Bayern München liegen die Hoffnungen der Nation, wenn es darum geht, nun noch einmal das starke Ergebnis von Brasilien 2014 zu toppen - da war erst im Viertelfinale gegen den Gastgeber Endstation.

Und tatsächlich: James war es zu verdanken, dass sein Team ohne den Umweg über die Playoffs das Ticket für Russland löste. Der Offensivspieler der Bayern traf in der Qualifikation in 13 Partien sechsmal, das wichtigste Tor gelang ihm dabei am letzten Spieltag in Peru. Durch das 1:1 sicherte James seinen Kolumbianern den vierten Platz ab - und verschaffte sich persönlich damit die Möglichkeit, wie in Brasilien wieder auf der ganz großen Fußball-Bühne leuchten zu können.

  • Der Star: James Rodríguez

Traumtore, Eleganz und gaaanz viel Esprit: James verzückt spätestens seit seinem Durchbruch bei der WM vor vier Jahren die Fußball-Welt. Nachdem der 26-Jährige in Brasilien Torschützenkönig geworden war, wechselte der Regisseur für 75 Millionen Euro zu Real Madrid. Doch bei den Königlichen wurde er nicht glücklich.

Seit knapp einem Jahr ist James nun an Bayern München ausgeliehen, und Jupp Heynckes führte den Stolz Kolumbiens wieder zu alter Stärke. "Er hat Fantasie, er ist fußballerisch top", schwärmte Heynckes zuletzt: "Er hat eine wunderbare Entwicklung genommen. Unsere Zuschauer sind entzückt, wenn sie ihn Fußball spielen sehen."

Wie in Brasilien, als er sein Team ins Viertelfinale führte, ruhen auch in Russland die Hoffnungen der Cafeteros auf James. "Er ist die geborene Führungspersönlichkeit. Daher ist er heute auch das absolute Aushängeschild unserer Nationalmannschaft und unseres Landes", sagte Torwart-Ikone Rene Higuita. James hat die Sehnsucht nach einem Nachfolger des großen Carlos Valderrama gestillt, der "Zehner" mit dem Wuschelkopf war sein großes Idol.

"Schon als Junge habe ich Carlos verehrt und wollte immer so sein wie er. Er war mein Held, und ich bin sehr stolz, seine Rückennummer 10 zu tragen", sagte James einst. Nun ist er selber der Held kolumbianischer Kinder.
>>> der WM-Kader der Kolumbianer in der Übersicht

  • Der Trainer: Jose Pekerman

Jose Pekerman war 28 Jahre jung, als er erstmals den Boden unter den Füßen verlor. Knieschaden, Ende der Profikarriere. "Es war ein unsanfter Aufprall in der Realität", sagte der heute 68-Jährige über diesen Moment. Fortan schlug sich der Argentinier mit Gelegenheitsjobs und als Taxifahrer durch: "Aber ich hatte immer ein Lächeln im Gesicht."

Am 30. Juni 2006 verschwand dieses Lächeln. Zur WM nach Deutschland reiste Pekerman als Trainer seines Heimatlandes voller Hoffnungen - und kehrte als Staatsfeind Nummer eins viel zu früh zurück. Weil er, der gewiefte Taktiker, der dreimalige U20-Weltmeister, sich vertan hatte. Im Viertelfinale gegen Deutschland war nach dem Elfmeterschießen Schluss für die Albiceleste.

Pekerman flüchtete in die mexikanische Diaspora, bis er im Dezember 2011 einen Anruf des kolumbianischen Verbandes erhielt. Pekerman zweifelte. Kolumbien? Er hatte dort in den 1970er Jahren gespielt. Aber seit dem Ende der Ära Carlos Valderrama hatte Kolumbiens Fußball nicht mehr den besten Ruf. Er ließ sich trotzdem von Tochter Vanessa zum Flughafen bringen. "Papa", sagte sie zum Abschied, "so oder so: Du musst wieder zur WM." Pekerman unterschrieb, die Presse begrüßte ihn als "überbezahlten Argentinier".

Dann führte er die Cafeteros um Münchens James 2014 ins Viertelfinale, in Russland folgt erstmals seit den 1990ern die zweite WM-Teilnahme in Serie. Kolumbien habe Anlass zu "träumen", sagte Pekerman.

  • Die Prognose:

Die Südamerikaner sind in einer Gruppe mit Polen, Japan und Senegal ohne Wenn und Aber der Favorit. Nach den brillanten Auftritten bei der WM 2014 in Brasilien sind die Erwartungen und eigenen Ansprüche hoch - vielleicht sogar zu hoch. 

Schon im Achtelfinale droht ein Duell mit England oder Belgien. Zwei Kaliber, die die Reise der Cafeteros frühzeitig beendet könnten. James allein wird es nicht richten, einst große Namen wie Falcao, Bacca oder auch Cuadrado sind in die Jahre gekommen oder weit von ihrer Bestform entfernt. Ein Erfolgszug wie in Brasilien 2014 wird es diesmal wohl nicht geben.

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