05.10.2016 14:35 Uhr

Österreich fordert Gruppenfavorit Wales

Österreichs Teamchef Marcel Koller ist die Anspannung vor dem Duell mit Wales anzumerken
Österreichs Teamchef Marcel Koller ist die Anspannung vor dem Duell mit Wales anzumerken

Nach dem 2:1-Auftaktsieg gegen Georgien gibt Österreich am Donnerstagabend (ab 20:45 Uhr im weltufssball-Liveticker) seine Heimpremiere in der WM-Qualifikation. Mit Wales gibt sich das vermeintlich stärkste Team der Gruppe D in Wien die Ehre. Der EM-Halbfinalist ist freilich mehr als nur Superstar Gareth Bale.

"Wir haben bei der Europameisterschaft gesehen, dass er Weltklasse ist und Spiele entscheiden kann." Die Rede ist von Gareth Bale, einst Weltrekord-Transfer von Real Madrid und Inbegriff des walisischen Aufstiegs zur Fußball-Macht. ÖFB-Teamchef Marcel Koller konnte mit seinen Spielern in den vergangenen fünf Jahren aber schon reichlich Erfahrung gegen Superstars sammeln.

Ob Zlatan Ibrahimović, der Österreichs Wege mit Schweden gleich mehrfach kreuzte, oder der spätere Europameister Cristiano Ronaldo, die ÖFB-Kicker wussten sich in den meisten Situationen zu helfen.

"Nicht einen Spieler abstellen, der ihm 90 Minuten hinterherrennt"

"Wichtig ist für uns, dass wir Bale im Verbund decken. Wir brauchen zwei, drei Spieler, die in der Nähe sind und ihn frühzeitig stören", erklärte Koller. "Wir werden nicht einen Spieler abstellen, der ihm 90 Minuten hinterherrennt." Markus Suttner wird sich gewiss über jede Unterstützung freuen.

Der Ingolstadt-Legionär hatte bereits 2013 im freundschaftlichen Länderspiel bei der 1:2-Niederlage gegen Wales das zweifelhafte Vergnügen mit der Sprintrakete. Suttner wird als Nachfolger von Christian Fuchs auf der Linksverteidiger-Position wohl auch diesmal beginnen.

Wales ist aber mehr als nur Gareth Bale, dessen war sich auch Marcel Koller bewusst: "Es war vor allem eine hervorragende Mannschaftsleistung bei der EM. Sie sind sehr diszipliniert in der Defensive, nach vorne geht Gefahr von allen, die nach vorne rennen, aus. Mit dem Ball kreieren sie Möglichkeiten". Kurzum: "Sie haben das ganze Repertoire, das notwendig ist."

Auch das Glück hatten die Waliser nach Ansicht Kollers auf ihrer Seite, so dass bei der EM ihre Spiele in entscheidenden Momenten nicht gekippt sind: "Das braucht man auch. Es konnte keiner davon ausgehen, dass sie ins Halbfinale kommen."

Auf ihren zweiten herausragenden Spieler bei der EM, Aaron Ramsey, müssen die Waliser verzichten. Das mag Österreich in die Karten spielen, heiße aber nicht viel. "Er hat auch gegen Moldau gefehlt und sie haben klar und deutlich gewonnen. Sie haben Spieler, die das Loch füllen können. Im Verbund mit dem Team haben sie die Qualität das aufzufangen", warnte Koller.

Wales ist Favorit

Dann bemühte Marcel Koller sogar ein Wort, dem er auf seine Mannschaft bezogen nie großen Stellenwert beimaß, das aber schon seine Spieler in der Trainingswoche ehrfürchtig wiederentdeckt haben: "Ich glaube, dass sie Favorit sind in der Gruppe." 

Für Österreich spricht neben dem bewährten Heimvorteil - 42.000 Tickets sind bereits verkauft, es darf mit einem ausverkauften Ernst Happel Stadion gerechnet werden - laut Kapitän Julian Baumgartner: "Wir sind sehr gut vorbereitet, haben sehr viele Spiele gesehen und einen guten Eindruck, wie Wales Fußball spielt."

Zu verteidigen gibt es zudem stolze Serien: Die letzten neun Pflichtspiele vor eigenem Publikum beendete das ÖFB-Team ohne Niederlage und die jüngsten zehn Qualifikationsspiele wurden alle gewonnen.

Für Baumgartlinger ist das Spiel in mehrfacher Hinsicht besonders. In seinem 50. Länderspiel wird er erstmals vor eigenem Publikum das Team als Kapitän aufs Feld führen. Ungewohnt ist auch, dass Österreichs Laufmaschine im Mittelfeld ohne regelmäßige Spielpraxis zum Team stieß. "Ich sehe Leverkusen als neue Herausforderung. Das ist der 'next step', den ich wollte. Ich werde mich dort beweisen", so Baumgartlinger.

Die Aufgabe beim Nationalteam ist vergleichsweise einfach, seit fünf Jahren wird an einer gemeinsamen Philosophie gearbeitet. Sich einzufügen sei daher auch möglich, ohne wöchentlich 90 Minuten oder mehr runterzuspulen.

Alle Spieler einsatzbereit

Personell kann der Teamchef seinerseits aus dem Vollen schöpfen. "Aktuell haben die Physios mit dem Betreuerteam mehr zu tun", scherzte Koller. Marko Arnautović ist nach dem Schlag gegen sein Knie beim Remis von Stoke City gegen Manchester United wieder fit. "Hier können wir Entwarnung geben, er hat voll trainiert und wird spielen können", so Koller.

Marc Janko absolvierte nach kurzer Verletzungspause rechtzeitig noch etwas mehr als eine Stunde in der Schweizer Super League. Ob es gegen Wales und am Sonntag darauf gegen Serbien zu insgesamt 180 Minuten reicht, bleibt abzuwarten. Neben Michael Gregoritsch, der gegen Georgien bereits debütierte, rutschte nach der Absage des verletzten Martin Harnik zuletzt Deni Alar neu in den Kader.

Ursprünglich hatte der Teamchef den derzeit Führenden der Bundesliga-Torschützenliste nur auf die Abrufliste gesetzt. Keine Zeit, um ihm die Ideen zu vermitteln, rechtfertigte Koller dies sinngemäß. Nun hat das Schicksal nachgeholfen. "Die Vorbereitung war sehr kurz. Grundsätzlich sollten wir Deni Alar nicht als den Allerheilskönig sehen. Er hat jetzt einen Lauf, das ist wichtig fürs Selbstvertrauen", erklärte Koller auf weltfussball-Nachfrage. "Ob es für einen Kurzeinsatz reicht, und ob wir das überhaupt brauchen, das wissen wir noch nicht."

Alaba und das System

Koller schloss auch einmal mehr aus, David Alaba wie beim FC Bayern als Linksverteidiger einzusetzen. "Wie lange sind Sie schon dabei beim Nationalteam? Wo hat er da immer gespielt? Das ist im Team seine angestammte Position." Marcel Koller kanzelte die Frage nach derartigen Überlegungen sehr unwirsch ab. Wenige Momente zuvor hatte der Schweizer noch gemeint: "Man muss mit Kritik umgehen können."

Davon gab es für den Teamchef seit der enttäuschenden EM allerhand. Zuletzt schaltete sich Leipzig-Coach Ralph Hasenhüttl in die Debatte ein, weil er in der Offensive den Plan B vermisse. "Es gab Kritik am Anfang und ich ging meinen Weg", nahm Koller dazu Stellung. "Grundsätzlich sollte man als Trainer gewinnen. Wenn man verliert, dann gibt es Platz für Spekulationen. Es kommen Leute, die nicht dabei sind im engeren Kreis, die es aber besser wissen. Ich würde da gerne vor dem Spiel wissen, wie man zu spielen hat", so der Teamchef.

Gute Stürmer gäbe es in Österreich in der Tat, gab Koller zu, und zählte Soriano, Joelinton, Kayode und Oberlin auf. "Sie sind aber keine Österreicher." Nachsatz: "Ein bissl Demut tut allen gut."

Letztlich bleibt vor dem Spiel gegen Wales wohl nur offen, ob Alessandro Schöpf oder Marcel Sabitzer den fehlenden Harnik ersetzen wird. Überlegungen, mit welchen Formationen Wales beizukommen wäre, gibt es zuhauf. Marcel Koller wird aber wahrscheinlich bei seinem bevorzugten 4-2-3-1-System bleiben. "Wir haben unsere Ideen und versuchen sie umzusetzen. Umzustellen ist nicht der Plan", so Koller.

Kapitän Baumgartlinger betonte, dass das Spiel wichtig, aber noch nicht vorentscheidend sei: "Es ist erst das zweite von zehn." Teamchef Koller unterstrich: "Die WM-Quali-Gruppe ist sehr eng. Es wird auch ein enges Spiel. Wenn du mehr tust, mehr Überzeugung hast, dann kannst du das Spiel gewinnen. Es sind die kleinen Dinge, die entscheiden."

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Sebastian Kelterer

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