Rio-Check: Gelingt Ginter Historisches?

Erstmals nach 28 Jahren nimmt der Deutsche Olympische Sportbund wieder mit einer Fußballmannschaft an den Sommerspielen teil. weltfussball nimmt die Auswahl von Coach Horst Hrubesch einmal genauer unter die Lupe und wagt den Ausblick.
- Olympischer Wettkampf in Rio: Vorrunde vom 4. bis 10. August, Viertelfinale am 13. oder 14. August, Halbfinale am 17. August, Spiel um Platz 3 am 20. August, Finale am 20. August (22:30 Uhr)
- bisherige Olympia-Bilanz: acht Teilnahmen: 1912, 1928 und 1936 als A-Nationalmannschaft, 1952, 1956 und 1972 als Amateurnationalmannschaft, 1984 und 1988 als Auswahlmannschaft)
- größte Erfolge: 3. Platz 1988 in Seoul
Die Vorzeichen: Ambitionierter Rumpfkader greift nach Gold
Um die Fülle an talentierten Nachwuchsspielern wird Deutschland mit Sicherheit von vielen Nationen beneidet. Durch strenge Kriterien für die Kadernominierung glich das Zusammenstellen einer schlagkräftigen Truppe für Trainer Horst Hrubesch aber eher einem Puzzlespiel.
Grundsätzlich dürfen am Olympia nur Spieler teilnehmen, die nach dem 1. Januar 1993 geboren sind. Drei ältere Spieler sind von dieser Regelung ausgenommen. Tabu waren für den Coach EM-Fahrer wie Leroy Sané oder Julian Weigl. Ebenso sollten möglichst keine Spieler ins Team berufen werden, die im Sommer den Verein wechseln. Kevin Volland oder Loris Karius hätte der Bundestrainer sicherlich mit Kusshand empfangen. Da nebenbei auch keine Zweitligaprofis nominiert werden sollten, sich die Vereinsvertreter darauf geeinigt haben, pro Klub nur zwei Spieler abzustellen und gestandene U21-Spieler wie Maximilian Arnold verletzt fehlen, konnte man Horst Hrubesch keineswegs um die Aufgabe der Kaderplanung beneiden.
Trotz der zahlreichen Einschränkungen hat der Bundestrainer eine namhafte Mannschaft zusammengestellt. Angeführt wird das Team vom Schalker Leon Goretzka. Mit Timo Horn, Matthias Ginter, Niklas Süle, Julian Brandt und Max Meyer finden sich weitere gestandene Bundesligaprofis im Olympia-Aufgebot. Als Ü-23-Spieler fahren zudem die Bender-Zwillinge sowie Freiburgs Torjäger Nils Petersen mit an die Copacabana. Die Offensivtalente Davie Selke und Serge Gnabry runden die Mannschaft ab. Als Überraschung dürfte der Mainzer Nachwuchskeeper Jannik Huth und der Karlsruher Sechser Grischa Prömel gelten.
Trainer Hrubesch ist mit seinem Aufgebot zufrieden: "In der Mannschaft haben wir eine gute Mischung aus der aktuellen U21-Nationalmannschaft und älteren Spielern gefunden. Die Qualität des Teams ist trotz der schwierigen Nominierung absolut top." Sollte der ambitionierte Rumpfkader tatsächlich ins Finale einziehen, dürften Hrubeschs Jungs am 20. August im legendären Maracana nach Gold greifen.
Die eigenen Erwartungen: "Ich will da fünf Spiele gewinnen"
Horst Hrubesch geht mit großer Vorfreude in das Turnier: "Da hab ich total Bock drauf! Mir haben viele Einzelsportler wie Jürgen Hingsen und Willi Holdorf von der Faszination erzählt. Oder auch Frankie Mill, der zum letzten Fußballteam bei Olympia 1988 gehörte. Wir haben es nach 28 Jahren geschafft, wieder dort hinzukommen. Ich will da fünf Spiele gewinnen. Macht auch keinen Sinn hinzufahren und zu sagen: Ich werde nicht Olympiasieger! Das wird für uns ein einmaliges Erlebnis, von dem die Spieler noch ihren Enkeln erzählen werden."
Ein deutscher Kicker wird mit besonders großen Ambitionen antreten. Matthias Ginter könnte es als erster deutscher Fußballer vollbringen, Weltmeister und Olympiasieger zu werden. Der Dortmunder würde sich mit einer Goldmedaille somit auf ewig in die Geschichtsbücher des deutschen Fußballs eintragen.
Die Konkurrenz: Superstar als Führungsspieler
Beim brasilianischen Verband haben die Olympischen Spielen augenscheinlich eine höhere Priorität als beim DFB: Die Seleção schickt neben Superstar Neymar unter anderem Barça-Teamkollege Rafinha, PSG-Verteidiger Marquinhos und den Ex-Leverkusener Renato Augusto ins Rennen und ist damit als Gastgeber der Favorit auf Gold.
Das deutsche Team bekommt es in der Gruppe C aber erst einmal mit dem Überraschungs-Titelverteidiger Mexiko, Südkorea mit mit Tottenhams Heung-Min Son und dem Underdog aus Fidschi zu tun. Verstecken muss sich das deutsche Team vor keinem dieser Gegner und könnte in allen drei Begegnungen als Sieger vom Platz gehen.
In einem möglichen Viertelfinale wartet dann wahrscheinlich Portugal oder Argentinien. Bei der Albiceleste, die 2004 und 2008 Gold holten, sind Manuel Lanzini von West Ham und Ángel Correa von Atlético die bekanntesten Kicker und dürften dem deutschen Team keine Angst einjagen. Im portugiesischen Kader kommen die Spieler teilweise aus schillernden Teams des Weltfußballs, sind dort aber keine Stammspieler. Auf Favorit Brasilien kann Hrubeschs Elf frühestens im Halbfinale treffen.
Die weltfussball-Prognose: Große Medaillenchance – Gold an die Seleção?!
Horst Hrubesch ist seit 16 Jahren Trainer deutschen U-Nationalmannschaften, aber auch für ihn ist die Teilnahme bei Olympia Neuland. Wenn das Trainer-Urgestein in der recht knappen Vorbereitungszeit ein Team aus dem talentierten Kader formen kann, gewinnt Deutschland eine Medaille. In jedem Mannschaftsteil herrscht auch ohne die EM-Fahrer großes Potenzial und viele Spieler kennen sich schon aus der Bundesliga oder den Jugendnationalmannschaften.
Mit Ausnahme von Brasilien, das sich in erster Linie durch die Nominierung von Neymar wahrscheinlich die Goldmedaille angeln wird, kann das deutsche Team jeden Gegner bei diesem Turnier bezwingen. Falls sich die Seleção wider Erwarten einen Ausrutscher leistet, wird das deutsche Team zur Stelle sein, sich trotz aller Schwierigkeiten Gold im Maracana schnappen und Matthias Ginter zu einer Legende machen!
Medaillenwahrscheinlichkeit: 70 Prozent
Lionard Tampier