05.08.2016 08:46 Uhr

Olympia 1936: Hitler flüchtet aus Stadion

Auf der Führerloge eröffnet Hitler die
Auf der Führerloge eröffnet Hitler die "Propaganda-Spiele" von Berlin 1936

Olympia 1936 war ein Propaganda-Turnier vom Feinsten. Am Wochenende jährt sich die Veranstaltung zum 80. Mal. Ein Turnier, bei dem Hitler sein erstes und einziges Fußballspiel sah.

"Ich verkünde die Spiele von Berlin als eröffnet", lautete die feierliche Ansprache Adolf Hitlers zur zeremoniellen Eröffnung des olympischen Sommerturniers 1936. Es wurde geprotzt und geprahlt, Deutschland sollte als absolute sportliche Weltmacht Ansehen rund um den Globus erlangen: Mittels modernster Technik wurde seinerzeit die erste Live-Übertragung im Fernsehen initiiert, große Fernsehstationen wurden errichtet – dies alles, um ein sportliches Denkmal zu schaffen und großspurig die Überlegenheit des nationalsozialistischen Körperkults zu demonstrieren.

Deutschland als Top-Favorit

Das olympische Fußballturnier stellte als Zuschauermagnet erstmalig nach 1928 wieder die Hauptattraktion des Festes dar. Deutschland, als Gastgebernation, und aus eigenen Reihen als nahezu unschlagbares Team tituliert, galt als der haushohe Favorit der Veranstaltung. Seit Dezember 1932 hatten die Deutschen lediglich ein Heimspiel verloren. Top-Spieler wie Otto Siffling vom SV Waldhof Mannheim und Sturm-Legende Fritz Szepan vom FC Schalke 04 gehörten zum damaligen Kader von Reichstrainer Otto Nerz. Szepan prägte unter anderem mit Schwager Ernst Kuzorra die Schalker Glanzjahre der 1930er Jahre und wurde zudem durch den vielzitierten "Schalker Kreisel" bekannt.  Insgesamt 18 Verbände meldeten sich für die Teilnahme: Unter ihnen Weltmeister Italien, Großbritannien, Österreich und Ungarn, welche jeweils mit einer Amateur-Mannschaft nach Deutschland reisten.

Für das Deutsche Reich, wie der Gastgeber damals noch genannt wurde, startete das Auftaktspiel gegen Luxemburg wie erwartet – das Nachbarland wurde vor 12.000 Zuschauern im Poststadion imposant aus dem Turnier gefegt. Wie entfesselt schoss sich die Elf von Otto Nerz gegen die kleine Fußballnation in einen Rausch. Nach halbzeitlicher 2:0 Führung wirbelte die deutsche Auswahl den Fußballzwerg in der zweiten Spielzeit zum 9:0 Endstand hinfort und ebnete sich ihren Weg in die nächste Runde. Alles schien wie durch die Nazi-Führungsriege geplant: der Durchmarsch bis zur Goldmedaille.

Auch für den späteren Viertelfinalgegner Deutschlands, Norwegen, verlief die erste Partie ungefährdet, folgerichtig konnte sich die Mannschaft von Asbjørn Halvorsen vor 8.000 Zuschauern mit 4:0 gegen die Türkei durchsetzen. Ebenso der spätere Olympiasieger und amtierende Weltmeister von 1934, Italien, sollte sein Auftaktspiel gegen die USA gewinnen, und so passierten die Mannen von Vittorio Pozzo mit einem knappen 1:0 Sieg das Achtelfinale, kamen damit in die nächste Runde.

Eine historische Blamage

Was folgte, ging in die Geschichtsbücher des Sports ein: Der Favorit und Initiator der "Propaganda-Spiele von Berlin", Deutschland, empfing das kleine Norwegen. Es war angedacht, der nächste Schritt zur Untermauerung der deutschen Vormachtstellung im Weltsport zu werden, weshalb im Zuge dessen die gesamte Regime-Führung um Adolf Hitler Präsenz bei dieser Partie zeigte. Es gilt als das erste und einzige Fußballspiel, das Hitler je besuchte. Vor 55.000 Zuschauern blamierte sich der Gastgeber und WM-Dritte von 1934, der zwecks Schonung zahlreiche Stammspieler nicht einsetzte, bis auf die Knochen, als er gegen den Außenseiter Norwegen mit 2:0 auf die Plätze verwiesen wurde. Ein ganzes Land sah das erbärmliche Auftreten einer hochmütigen Mannschaft, die gegen den vermeintlich schwachen Gegner nur eine Reservisten-Elf berief. Die Schmach nicht ertragend, verließ Hitler bereits nach 83 Minuten missmutig das Poststadion in dem Wissen, dass seine glorreiche Propagandamaschinerie sang und klanglos gescheitert war. Klanglos war in Folge dessen auch die Berichterstattung über diese Ohrfeige, denn die Olympiazeitung verfasste nicht eine einzige Überschrift zum klaglosen Ausscheiden der Fußballtruppe aus Deutschland.

Der "Chef" übernimmt

Noch am selbigen Abend wurde der Reichstrainer Nerz zu den Verantwortlichen zitiert und entlassen. Der Vorwurf seiner Spieler, eines zu stringenten Konditionstrainings und zudem seine Strategie, viele der besten Spieler wie Fritz Szepan nicht einzusetzen, führten letztlich zu Nerz' Entlassung und zur Beförderung seines Assistenten: Den später als "Chef" bekannt werdenden Sepp Herberger.

Abseits dieser Querelen sicherten sich die Italiener, welche den Nationalmannschaftsfußball der 1930er Jahre mit ihren zwei Weltmeistertiteln 1934 und 1938 Jahre prägten, unterdessen die Goldmedaille des Olympischen Fußballturniers, als sie sich im Finale mit 2:1 nach Verlängerung gegen Österreich durchsetzen konnten.

Für Hitler und seine NS-Regierung sollte es nichts werden mit der fanatisch geplanten Zurschaustellung deutscher Sport–Dominanz, der Leistungsschau des Deutschen Reichs. Mit dem Ausscheiden seiner Fußballer in jenem Olympia Turnier 1936, welches sich am kommenden Samstag, dem 06.08 2016 zum 80. Male jährt, sah Hitler sein einziges und letztes Fußballspiel.

 

Kevin Goy Ramos

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