17.09.2015 12:00 Uhr

Brendan Rodgers: Nur eine Frage der Zeit?

Brendan Rodgers gibt Anweisungen an seine Spieler
Brendan Rodgers gibt Anweisungen an seine Spieler

Nach einem durchwachsenen Saisonstart ist bei den Fans des FC Liverpool die Geduld am Ende – sie mobilisieren gegen Trainer Brendan Rodgers und haben auch schon einen Nachfolger im Auge. Noch hält die Klubführung am Nordiren fest. Doch wie lange noch?

"Wenn ich gebeten werde zu gehen, gehe ich. Aber niemand ist auf mich zugekommen, also gebe ich Vollgas." Schon im Sommer musste sich Liverpools Teammanager Brendan Rodgers immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, warum er überhaupt noch im Amt sei.

Tatsächlich war es für viele verwunderlich, dass die Vereinsführung die Finger still halten konnte, nachdem die Reds die vergangene Saison auf einem unter dem Strich enttäuschenden sechsten Platz abgeschlossen hatten. Journalist John Dillion schrieb in seiner Kolumne im "Evening Standard" zuletzt: "Fehlende Konstanz ist in den letzten beiden Jahren die einzige Konstante in der Klub-DNA."

Entscheidung gegen Neuaufbau

Die Klub-DNA wurde im Sommer jedoch durch den Abgang der lebenden Legende Steven Gerrard ohnehin verändert. Für einen Großteil der Fans und auch Experten wäre der logische Schritt gewesen, sich auch von Rodgers zu trennen und einen Neustart anzugehen. Doch die Vereinsführung bekannte sich zum 42-Jährigen.

Ein starkes Statement gegen öffentliche Stimmungsmache und für einen klaren Weg – zumindest auf den ersten Blick. Für viele war nämlich zeitgleich auch klar, dass es nur ein Frieden auf Zeit sein würde. Eine weitere ähnlich durchwachsene Saison würde sich Rodgers nicht erlauben können. Bei den Buchmachern war der Nordire einer der aussichtsreichsten Kandidaten auf die erste Trainerentlassung.

Dicke Investitionen

Mit dem Vertrauensbekenntnis zu Rodgers ging ein Risiko einher, schließlich räumte man ihm große finanzielle Möglichkeiten ein. Und die nutzte er: 47 Millionen Euro für Christian Benteke, 41 Millionen für Roberto Firmino, 18 Millionen für Nathianel Clyne – und das sind nur die drei teuersten Neuverpflichtungen.

Forsche Äußerungen, dicke Investitionen, ambitionierte Ziele: Brendan Rodgers versteckte sich nicht, sondern suchte die Flucht nach vorne.

Tiefpunkt im Old Trafford

Zwar ist die Saison erst wenige Wochen alt, doch die Situation ist schon jetzt angespannter als je zuvor in der seit 2012 dauernden Amtszeit des ruhigen Nordiren.

Nach fünf Spieltagen haben die Reds erst sieben Zähler auf dem Konto und stehen im grauen Mittelfeld der Tabelle. Der neuerliche Tiefpunkt war der Auftritt beim prestigereichen Gastspiel im Old Trafford bei Manchester United – für die Pool-Anhänger das Spiel des Jahres. Am Ende fuhr Liverpool mit einer 1:3-Niederlage nach Hause. Die Vorwürfe der Fans: Die Mannschaft hat keinen Plan, das Spiel keine Struktur und kein Herz.

Die Unzufriedenheit der Anhänger war schon im Stadion spürbar. In den folgenden Tagen eskalierte diese zu einem Aufbegehren gegen Rodgers. Über "GoFundMe" gründeten einige Fans einen Fonds, um das Geld für den Rauswurf des Trainers zu sammeln. "Die Zeit von Brendan Rodgers ist vorbei, diesen geschmacklosen Fußball ertragen wir nicht mehr", schrieb Michael Gavin, der die Aktion initiierte. Etwa 7 Millionen Euro müssten zusammenkommen, um die Abfindung zu stemmen.

#KloppfortheKop

Auch einen Nachfolger haben die Fans schon im Auge: Auf Twitter fordern sie unter dem Hashtag #KloppfortheKop ein Engagement von Jürgen Klopp. Zur Erklärung: The Kop ist der Fanblock an der Anfield Road, in dem die leidenschaftlichsten aller Fans ihr Team feiern.

Genau diese Leidenschaft von Jürgen Klopp ist es, die den zweifachen BVB-Meistertrainer zum Messias der Liverpool-Anhängerschaft macht. Ein solcher Trainer ist auf dem Markt – warum sollten wir an unserem noch festhalten?

Aber würde Klopp sein Sabbatjahr überhaupt unterbrechen, um den Job anzutreten? Liverpool-Experte Dietmar Hamann ist sich nicht sicher: "Grundsätzlich würde er wunderbar nach Liverpool passen, aber die Frage ist, ob er in der Saison dorthin gehen würde. Hätten sie ihn vor der Saison gefragt, wäre ich mir zu 99 Prozent sicher gewesen, dass er dorthin geht."

Neben Klopp haben englische Medien vermehrt auch Frank de Boer und Carlo Ancelotti in den Hut geworfen.

Druck wächst

Der öffentliche Druck auf die Vereinsführung wird jedenfalls immer größer. Noch stehen die Verantwortlichen zu Rodgers, lange werden sie sich jedoch auch nicht vor der Kritik verschließen können.

Vor allem Planlosigkeit wird Rodgers immer wieder vorgeworfen. In der erfolgreichsten Phase der vergangenen Saison (nur eine Niederlage aus 23 Spielen) setzte er auf ein 3-4-2-1, betonte selbst jedoch immer wieder, dies sei nur ein Notsystem. In den ersten Wochen der aktuellen Saison ließ er nun ein 4-2-3-1 und ein 4-3-3 spielen.

Vor allem im Spiel nach vorne ist Sand im Getriebe (aktuell drei Tore in fünf Spielen). Den Abgang von Luis Suárez im vergangenen Jahr konnte Rodgers nie wirklich kompensieren. Die Doppelspitze Suárez/Sturridge hat wunderbar funktioniert. Seitdem diese auseinander gerissen wurde, hapert es. Für Ex-Pool-Spieler Jamie Carragher ein Problem im System: "Sie müssen wieder mit zwei Stürmern spielen. Mit diesem System killt Rodgers Liverpool!"

In dieser schwierigen Phase springt Klubikone Gerrard seinem ehemaligen Trainer zur Seite: "Ich verstehe, dass die Fans nach diesem Start enttäuscht sind, aber es ist enorm wichtig, dass wir nicht panisch werden. Die Mannschaft wird sich finden – mit Rodgers."

Schongang gegen Bordeaux

Nicht panisch werden – einfacher gesagt als getan. Zumal es für Liverpool nun Schlag auf Schlag geht. Viel Zeit blieb nicht, um die Enttäuschung aus dem Old Trafford zu verarbeiten. Schon am Donnerstag steht mit Girondins Bordeaux (ab 19:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) die erste Europa-League-Aufgabe der Saison an.

Eine Partie, die für Rodgers angesichts der aktuellen Situation in der Liga ein Dorn im Auge ist und ihn zum Kräfteeinteilen zwingt. Gegen Bordeaux wird er mit Benteke, Milner, Clyne, Skrtel, Lovren und Lucas Leiva gleich mehrere Leistungsträger für das Ligaspiel am Sonntag gegen Norwich City schonen.

Egal ob erster oder zweiter Anzug – Rodgers will auf jeden Fall "weiter Vollgas geben". Sollten sich nicht jedoch nicht bald Erfolge einstellen, wird demnächst wohl "jemand auf ihn zukommen und ihn bitten zu gehen". Dass er dazu dann bereit sei, hatte er ja bereits im Sommer bekundet…

Mehr dazu:
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Jochen Rabe

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