14.11.2014 11:40 Uhr

Schwere Krise: St. Pauli am Scheideweg

Wirtschaftlich ist der FC St. Pauli vor seiner Jahreshauptversammlung am Sonntag kerngesund. Sportlich geht es für den Kultklub vom Kiez dagegen seit Jahren bergab.

Die Kriegskasse prall gefüllt, tabellarisch aber in schwerer Seenot - die Lage der selbsternannten "Freibeutern der Liga" ist grotesk. Zwar schwimmt der FC St. Pauli seit Jahren im Geld, der Alltag in der 2. Bundesliga gibt hingegen Anlass zu großer Sorge.

Vor der Mitgliederversammlung am Sonntag, auf der eine neue Führungsspitze gewählt wird, steht der Kiezklub so schlecht da wie seit dem Regionalliga-Abstieg vor elf Jahren nicht mehr. Von der Beletage des deutschen Fußballs sind die Hamburger zurzeit so weit entfernt wie der ungeliebte Stadtrivale HSV von der Champions League.

Absturz droht

Als Tabellenvorletzter droht den Paulianern der Absturz in die 3. Liga. Nach der jüngsten 0:3-Niederlage gegen den 1. FC Heidenheim, der vierten Pflichtspielpleite in den vergangenen fünf Partien, gab es sogar ein gellendes Pfeifkonzert der eigenen Fans - so etwas hatte es am Millerntor seit Jahren nicht gegeben.

"Von einer Heimspielstärke ist nichts zu sehen, das ist einfach nur noch erbärmlich", sagte der frühere Kult-Torjäger André Golke der Hamburger Morgenpost: "Das ist seit ein, zwei Jahren schon so." Früher hätten sich "unsere Gegner vor Angst in die Hose geschissen, wenn sie bei uns antreten mussten. Heute freuen sie sich darüber, genießen unser Stadion und die schöne Atmosphäre."

Ton wird ruppiger

In der muckeligen Pauli-Familie wird der Ton allmählich ruppiger. Die Schonfrist ist nach den häufig schwachen Auftritten der letzten Wochen, Monate, fast Jahre vorbei. Nicht nur die Mannschaft steht auf dem Prüfstand, auch die sportliche Leitung rückt immer mehr in den Fokus der Kritik.

Sportchef Rachid Azzouzi ist nach drei erfolglosen Trainerwechseln seit 2012 und einigen unglücklichen Spielertransfers angezählt. Selbst Klub-Legende Thomas Meggle, der nach dem vierten Spieltag erst zum Chefcoach befördert wurde, hat auf dem Kiez längst nicht mehr nur Fürsprecher.

Mithin wartet auf den designierten Präsidenten Oke Göttlich eine Menge Arbeit. Kürzlich hatte Göttlich zwar ein klares Bekenntnis zur sportlichen Leitung abgegeben. Mittelfristig aber will die neue Chefetage, die am Sonntag ins Amt gehoben wird, Erfolge sehen. "Wir wollen die 1. Bundesliga nicht den Red Bulls überlassen. Wir haben Lust, oben anzugreifen", sagte Göttlich dem Hamburger Abendblatt.

Wirtschaftlich alles im Lot

An der Finanzkraft dürfte es nicht scheitern. Wirtschaftlich ist unweit der Reeperbahn alles im Lot. Das Geschäftsjahr 2013/14 wurde mit einem Gewinn in Höhe von 730.000 Euro abgeschlossen. In den vergangenen vier Jahren wurden sogar satte 14 Millionen Euro an Überschüssen vor Steuern erzielt.

"Wir sind mit dieser Bilanz sehr zufrieden", sagte der scheidende Klubboss Stefan Orth, der seinen Posten trotz bester Bilanzen räumen muss. Der Aufsichtsrat hatte bemängelt, dass dem Klub ein "einmaliges Profil zwischen Vermarktung und Identität" fehle. Pauli-Ideale würden dem Kommerz geopfert - das soll sich nun ändern.

Das designierte Präsidium um Musikunternehmer Göttlich (38), Finanzexperte Thomas Happe (50), Rechtsanwalt Reinher Karl (45) und Ex-Paulianer Joachim Pawlik (49) steht also von Beginn an unter Zugzwang - damit es neben der finanziellen Freude auch bald sportlich wieder etwas zu Lachen gibt.

sid

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