12.07.2014 11:05 Uhr

Lionel Messi: Der Traum eines Jungen

Lionel Messi ist sichtlich nicht sonderlich glücklich mit seinen Leistungen für Argentinien
Lionel Messi ist sichtlich nicht sonderlich glücklich mit seinen Leistungen für Argentinien

Lionel Messi wollte es genau wissen. Wie fühlt es sich an, fragte er seine spanischen Mitspieler beim FC Barcelona voller Neugier, wenn man diesen goldenen Pokal in den Händen hält? Wenn einen dieses berauschende Gefühl durchströmt, ein ganzes Land in Ekstase versetzt zu haben.

Andres Iniesta, Xavi und wie sie alle heißen, konnten ihm keine Antwort geben. Dafür, sagten sie ihm, gibt es keine Worte, das musst du schon selbst erlebt haben.

Messi hat unter anderem dreimal die Champions League gewonnen. Viermal wählten sie ihn zum Weltfußballer, häufiger als jeden anderen. Messi sei der "beste Fußballer der Welt" - sagt Diego Maradona, der sich sonst selbst für den besten hält. Doch Messi ist ein Unvollendeter. Vorerst jedenfalls. Und er weiß es. "Es gibt nichts besseres für einen Fußballer, als Weltmeister zu werden", sagte er vor ein paar Tagen, "es ist etwas, wovon du als Kind träumst - und es hört nie auf."

Versöhnung mit dem argentinischen Volk?

Am Sonntag könnte es soweit sein. Und es könnte auch der Tag sein, an dem sich Argentinien mit diesem schmächtigen Jungen aus Rosario versöhnt, diesem Wunderknaben, der ein Versprechen ist, das endlich mit dem dritten Titel eingelöst werden soll. Messi mag sich persönlich danach verzehren, Weltmeister zu werden - wie es kleine Jungs eben so tun. Aber Argentinien wartet seit 28 Jahren darauf, dass es ausflippen kann. Maradona hat sein Land berauscht. Messi noch nicht.

Vor acht Jahren in Deutschland war Messi noch nicht so weit, dass er die Sehnsüchte hätte alleine erfüllen können. Er war Teil einer Mannschaft, die im Viertelfinale gegen Deutschland ausschied. Vor vier Jahren in Südafrika war er dann aber schon der Messi(as), der Argentinien zum heiligen Gral führen sollte - noch dazu mit Maradona als Trainer. Es ging krachend schief. Argentinien wurde im Viertelfinale von Deutschland vorgeführt, gedemütigt. Messi und Maradona - es war ein Desaster.

Bittere Tränen nach der letzten Niederlage gegen Deutschland

Vor vier Jahren, nach dem 0:4 gegen Deutschland, soll Messi so bitterlich geweint haben, dass Maradona "Angst hatte, er bricht zusammen". Und Xavi, in Brasilien entthronter Weltmeister und Mannschaftskollege bei Barcelona, berichtete erst vor kurzem, Messi sei danach oft "moralisch völlig am Boden" gewesen, wenn er von der Nationalmannschaft zurückkam. Ja, er müsse sich dort "oft sehr viel Mist anhören", sagt Messi. Wenn es nicht läuft, ist er der Schuldige.

Zurzeit ist Messi vor allem eines: ein großes Rätsel. Er hat Argentinien durch die Vorrunde gemogelt mit vier Treffern, und obwohl er mindestens so schlecht spielte wie alle um ihn herum, wuchs der Glaube daran, dass er es schon richten werde, wenn es darauf ankommt. Doch die K.o.-Runde begann, und Messi war noch immer nahezu unsichtbar. Er wirkte nicht wie einer, der alles dafür geben will oder kann, um Weltmeister zu werden. Und die Leute auf der Tribüne spüren so etwas.

Messi ist der wahre Coach

Die Situation vor dem Endspiel ist ein bisschen verworren. Messi diktiert die Taktik, Messi diktiert die Aufstellung, und Trainer Alejandro Sabella hat in Wahrheit gar nichts zu sagen: Das ist eine Theorie. Und sie scheint glaubhaft, wenn Sabella Sätze sagt wie: Messi sei "das Wasser in der Wüste". Oder die Mannschaft müsse "so spielen, dass Messi sich wohlfühlt". Das Dumme ist nur: Die Gegner spielen nicht so, dass Messi sich wohlfühlt. Und das Wasser ist die Abwehr.

Es gab diese Szene im Halbfinale gegen die Niederlande, im Kabinengang: Sabella redete auf Messi ein, es sah so aus, als weise er ihn zurecht. Messi wandte sich ab - einen Tag später versicherte er: "Ich fühle Stolz, Teil dieser Gruppe zu sein." Aber sollte er sie nicht anführen? Sollte er nicht alles dafür tun, um diese Mannschaft, die sich ihm unterworfen hat, deren Kapitän er ist, so weit zu bringen, dass die Menschen daheim endlich wieder in Ekstase geraten?

Eine Chance hat Messi noch. Und dabei geht es um mehr als den Traum eines kleinen Jungen.

Mehr dazu:
>> Zum Liveticker Deutschland vs. Argentinien (Sonntag ab 21:00 Uhr)

sid

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