Pfaff: Belgien kann EM 2016 gewinnen

Jean-Marie Pfaff, Erik Gerets, Enzo Scifo: Namen, bei denen belgische Fußball-Fans heute noch leuchtende Augen bekommen. Doch die "Klasse von 86" ist für die heutige Generation eine Last.
Vor der Abreise nach Brasilien hatte Belgiens vielleicht größter Fußballer aller Zeiten seinen Ahnen noch einen dicken Rucksack aufgeladen. "Wenn diese Mannschaft in den nächsten sechs Jahren nicht das Halbfinale eines großen Turniers erreicht, wäre das eine einzige Talent-Vergeudung", sagte der heute 48 Jahre alte Enzo Scifo.
Scifo war der Star der "Klasse von 86", jener legendären belgischen Mannschaft, die bei der WM vor 28 Jahren erst im Halbfinale am späteren Weltmeister Argentinien (0:2) scheiterte. Und die auch deshalb so legendär ist, weil die Roten Teufel von den 13 Welt- oder Europameisterschaften danach gleich acht verpassten und nie weiter kamen als bis ins Achtelfinale.
Wilmots: "Eigene Geschichte schreiben"
Nun hat Belgien die Mannschaft, "um dieses Kapitel zu schließen und eigene Geschichte zu schreiben", meint auch Marc Wilmots, Nationaltrainer und bester Spieler der erfolglosen Generation der 90er-Jahre. Ein ähnlicher Erfolg, ja sogar Titel sind möglich, glaubt Jean-Marie Pfaff, 1986 Torhüter der Belgier und von Bayern München. "Belgien kann weit kommen", sagt Pfaff: "Ob es gleich zum Titel reicht, weiß ich nicht. Aber sicherlich ist unsere Mannschaft auch in der Lage, in Zukunft Titel zu holen. Vielleicht schon in zwei Jahren bei der Europameisterschaft."
Der Druck auf die jungen "Teufelchen" - 17 der 23 WM-Teilnehmer waren 1986 noch gar nicht geboren - wird durch solche Aussagen aus dem eigenen Land größer und größer. In den ersten beiden Spielen schien er sie trotz zweier Siege auch förmlich zu erdrücken. "Das setzt und schon richtig unter Druck", sagt Offensivstar Eden Hazard vom FC Chelsea, konfrontiert mit Scifos Aussage: "Die Erwartungen sind riesig. Viele denken, dass wir die besten Teufel seit 1986 sind, aber das ist keine Garantie für gute Ergebnisse."
Die Ausrede "Druck" gilt für Pfaff jedoch nicht. Die Spieler seien es "bei ihren Vereinen gewohnt, mit Druck umzugehen". Das sei sowieso der große Unterschied - und der große Vorteil - der heutigen Generation im Vergleich mit der von 86.
(Fast) alle bei internationalen Topklubs
"Zu unserer Zeit haben bis auf Erik Gerets und mir alle Spieler in der belgischen Liga gespielt", äußert er: "Heute spielen fast alle bei internationalen Topklubs, bei Chelsea, Arsenal, Atlético oder Bayern. Die gehen mit einer ganz anderen Erfahrung in die Turniere. Das hat uns damals gefehlt."
Doch die Last, die Erwartungen eines ganzen Landes zu tragen und in jedem Spiel ausscheiden zu können, ist für viele neu. Dies erkennt auch Gerets, als Trainer unter anderem beim 1. FC Kaiserslautern und dem VfL Wolfsburg tätig. "Wenn man bei einer WM etwas erreichen will, braucht man richtige Kerle", sagt der 60-Jährige: "Man wird sehen, ob dies in der heutigen Generation so ist. Falls ja, dürfen wir alle von Großem träumen."
Das glaubt auch Wilmots, der das Urteil über seine Spieler aber nicht von einem Turnier abhängig machen will. "Dieser Kader wird bis zur EM 2016 und zur WM 2018 weiter reifen", betont er. Wohl wissend, "dass wir erst von einer goldenen Generation sprechen können, wenn wir wirklich etwas erreicht haben".
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sid