05.05.2014 09:16 Uhr

Wien-Hütteldorf verliert ein Wahrzeichen

Dieses Bild ist bald nur noch eine nette Erinnerung: Flutlichtspiele im vollen Hanappi-Stadion
Dieses Bild ist bald nur noch eine nette Erinnerung: Flutlichtspiele im vollen Hanappi-Stadion

Der 2:0-Heimsieg gegen Wacker Innsbruck am Sonntag war wohl das letzte Pflichtspiel von Rapid im (alten) Hanappi-Stadion. Mit dem bevorstehenden Neubau verliert Wien-Hütteldorf auch eines seiner Wahrzeichen. Die Flutlichtmasten in der Keißlergasse waren oft der erste Anblick, wenn man die Fahrt auf der Westautobahn Richtung Hauptstadt hinter sich gebracht hatte.

Läuft alles glatt mit der Finanzierung sowie der Baugenehmigung und findet auch die Suche nach einem neuen Namensgeber für das Stadion ein glückliches Ende, dann kommt es am 6. Juli bei einem Test gegen den schottischen Meister Celtic zum Abschied vom ehemaligen Weststadion, welchem der einstige ÖFB-Rekordteamspieler Gerhard Hanappi nach dem leider viel zu frühen Tod seinen Namen gab.
>> Profil von Gerhard Hanappi

Ein Fußballer als Architekt der neuen Heimstätte seines Lieblingsvereins: Auch solche Geschichten gab es im 14. Wiener Gemeindebezirk und sie machten den SK Rapid und sein "Wohnzimmer" zu einer Institution nicht nur im nationalen Fußball.

Weg vom Weststadion zur Kultstätte war beschwerlich

In der Nähe der alten Pfarrwiese, wo Rapid ab 1911 zu Hause gewesen war, wurde ab 1969 ein neues Fußballstadion als Sportzentrum West geplant. Wie in Österreich und Wien nicht gerade ungewöhnlich wurde der Bau zu einem Politikum, die Rede war von Schmiergeldern, es gab bei der Fertigstellung eine jahrelange Verzögerung und die Pläne von Diplom-Ingenieur Hanappi wurden aus Spargründen nicht nur zusammengekürzt, sondern teilweise ad absurdum geführt.

Der Mittelfeldstratege kannte durch seine aktive Karriere die Begebenheiten in Hütteldorf ganz genau und sah für das neue Stadion eine ganz andere Ausrichtung vor, als jene die letztlich umgesetzt wurde. Dadurch wurde die Arena aber besonders anfällig für den im Westen Wiens oft stürmischen Wind. Bald war deshalb auch von einem zügigen "Vogelhäusl" die Rede.

Außerdem musste das Stadion im November 1977 bereits kurz nach der Eröffnung wieder gesperrt werden. In einem Pfeiler war ein Riss in der Länge von rund 1,70 Meter entdeckt worden. Nach einer kurzen Odyssee kehrte Rapid daher bis Ende der Saison 1977/78 für sechs Spiele wieder auf die Pfarrwiese zurück.
>> Die letzten Rapid-Spiele auf der Pfarrwiese

Gleich drei Eröffnungen

Noch im Herbst 1978 musste der damalige Rapid-Vizepräsident Heinz Holzbach die Werbetrommel rühren: "Wir wollen das Publikum so wie früher auf der Pfarrwiese nun im Weststadion heimisch machen und werden alle Heimspiele hier austragen".

Dabei gab es sogar drei Eröffnungen. Am 30. Juni 1976 fand dort das erste Schülerliga-Finale statt. Vor 6.000 Zuschauern besiegte das BRG Linz-Fadingerstraße die Hauptschule Nenzing nach einem 2:2 im Elferschießen mit 4:2. Das erste Bundesligaspiel gab es am 10. Mai 1977 mit dem Derby Rapid gegen Austria. Die Hausherren waren dabei vor 14.000 Fans durch einen Treffer von Paul Pawlek in der 84. Minute mit 1:0 erfolgreich.
>> Das erste Bundesliga-Spiel im Hanappi-Stadion

Da die Bauarbeiten im Mai aber noch nicht abgeschlossen waren, fand die "offizielle" Einweihung am 14. September 1977 mit Militärmusik und Feuerwerk vor dem UEFA-Cup-Spiel gegen Inter Bratislava statt. Rapid siegte durch ein Goldtor von Werner Walzer in der 63. Minute mit 1:0.
>> Die Europacup-Premiere im "Weststadion"

Und wenn die Stadtbahn steht, ist allen klar.....

Das Spiel ging jedoch wegen unrühmlicher Vorfälle in die Annalen ein. Fans randalierten in der Stadtbahn. Wegen einer mutwillig herbeigeführten Notbremsung blieb eine Garnitur zwischen Meidling-Hauptstraße und Margaretengürtel stehen. Da die Jugendlichen zuvor die Glühbirnen herausgeschraubt hatten, stand der Zug in völliger Dunkelheit auf der Strecke und wurde von einer nachfolgenden Garnitur gerammt.

Dabei wurden gleich neun von 15 Waggons aus dem Gleis gehoben und eineinhalb Meter hoch aufgetürmt. Es gab 44 Verletzte. Drei junge Männer wurden letztlich aber nur wegen der Vandalenakte schuldig gesprochen, der Zugführer hingegen erhielt sechs Monate bedingte Haft, weil er zu schnell unterwegs gewesen war.

"Aber jetzt ist er in Hütteldorf!"

Nach dem Tod von Hanappi, der 1980 mit nur 51 Jahren starb, wurde das Weststadion 1981 nach ihm benannt. Spätestens ein Jahr danach waren die Fans im neuen Zuhause angekommen. Im Mai 1982 wurde Rapid durch einen 5:0-Kantersieg gegen Wacker Innsbruck (je ein Doppelpack von Christian Keglevits und Antonín Panenka sowie ein Treffer von Helmut Hofmann) zum 25. Mal österreichischer Meister. Das erste Championat nach 14 Jahren Pause ließ alle Dämme brechen.

Über 25.000 Fans wollten sich den Titelgewinn nicht entgehen lassen. Die Zuschauer drückten sogar die Zäune ein, um beim Titelgewinn ihrer Lieblinge ganz nahe dabei zu sein. Nicht einmal auf den Vordächern gab es mehr freie Plätze, jedes Veranstaltungsgesetz des neuen Jahrtausends wurde der Lächerlichkeit Preis gegeben.

Am Ende sprach der damals gesperrte Hans Krankl jene Worte, die zu einer mehr als nur geflügelten Redewendung werden sollten: "Alle wollten uns den Meistertitel stehlen, die Funktionäre, die Schiedsrichter, aber jetzt ist er in Hütteldorf!"     

Europacup-Sternstunden und Besuch des Lokalrivalen

In den folgenden Jahren wurde das Hanappi-Stadion Schauplatz legendärer Europacup-Schlachten: Allen Beteiligten unvergessen bleibt etwa die unglaubliche Aufholjagd gegen Dynamo Dresden, als eine entfesselte Rapid-Mannschaft die 0:3-Niederlage aus dem Hinspiel mit einem 5:0-Kantersieg (Doppelpack von Peter Pacult sowie Tore von Leo Lainer, Antonín Panenka und Hans Krankl) mehr als nur wettmachte.
>> Die legendäre Aufholjagd gegen Dynamo Dresden

Sogar die österreichische Nationalmannschaft fand in Hütteldorf vorübergehend eine neue Heimstätte, weil das damalige Praterstadion ein Dach erhielt und wegen der Renovierung einige Jahre nicht zur Verfügung stand. Deshalb war sogar der Erzfeind zu Gast: Die Austria spielte im Europacup wichtige Partien wie etwa gegen den FC Bayern oder Liverpool im Stadion des großen Rivalen. Für viele Fans heute undenkbar.
>> Violetter Europacup-Krimi gegen Bayern im Hanappi-Stadion

Eine Überdachung (der Hintertor-Tribünen) fand dann auch in Hütteldorf statt, jedoch erst 2002. Aufgrund des Umbaus (so waren u.a. vier Tragstützen notwendig geworden) sank die Kapazität auf knapp 18.000 Sitzplätze. Eine (zuvor fehlende) Rasenheizung kam später ebenso hinzu.

Geadelt, gefürchtet, geliebt und verdammt

Es blieb dem damaligen Rapid-Trainer Josef Hickersberger belassen, der Arena jenen inoffiziellen Namen zu geben, der ihr bis heute erhalten blieb: "Sankt Hanappi". Als sich der Rekordmeister angetrieben von einer beeindruckenden Begeisterung auf den Rängen gegen den (damals durch die Unterstützung von Frank Stronach finanziell übermächtigen) violetten Rivalen durchsetzte, gab es den verbalen Ritterschlag. Mehr als nur ein Adelstitel.

Bei Gegnern war die Arena gefürchtet, so manche Schiedsrichter-Entscheidungen waren gegen den zwölften Mann auf den Tribünen nur schwer durchzusetzen und auch die Anreise der Gäste-Fans glich oft einem (verdammten) Spießrutenlauf. Bebender Beton bei den Rapid-Spielen brachte aber sogar internationale Beobachter zum Schwärmen.

Schlachtenbummler von Aston Villa verliehen nach der Europacup-Niederlage in Wien-Hütteldorf sogar eine Auszeichnung für die fußballerische Ewigkeit: "We love this fucking bunker!"           

>> Stadionprofil der Heimstätte des SK Rapid

ct

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