Bei Meister Sturm bahnt sich ein Umbruch an

Nach ihrem Titelgewinn genossen die Fußballer von Sturm Graz das Bad in der Menge. Erneut dröhnte "SK Sturm ist neuer Meister" aus den Boxen der Bühne vor dem Stadion, und von Bengalos begleitet gab es ein letztes Titelverteidiger-Selfie der Mannschaft vor der langen Partynacht. "An die Spitze zu kommen, ist schwer. An der Spitze zu bleiben, ist eine noch größere Herausforderung", hielt Sturm-Präsident Christian Jauk zuvor am Rasen voller Stolz fest.
"Diese Saison als Meister abzuschließen, ist ein kleines Wunder", meinte Jauk nach dem Herzschlagfinale gegen den WAC (1:1) und erinnerte an den Abgang der sportlichen Führungsriege im Herbst und Schlüsselspielern im Winter. Jürgen Säumel, der von den Amateuren beförderte Trainer, holte als Bundesliga-Novize mit Sturm den Titel. "Ich bin bei Sturm groß geworden, mit dem Verein als Trainer Meister zu werden, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich bin einfach nur stolz auf alle Beteiligten", sagte Säumel und ließ die zweifache Bierdusche - angeleitet vom belgischen Feierbiest Dimitri Lavalée - am Podium der Pressekonferenz gelassen über sich ergehen.
Planungssicherheit
Als Meister steigt Sturm diesmal im Play-off zur Champions League (19./20. August) ein. Eine Hürde müsste für die Millionenliga genommen werden, zumindest die Europa League ist bereits fix. Für den Verein bedeutet dies "Planungssicherheit", wie die Geschäftsführer Sport und Wirtschaft unisono festhielten. Am Transfermarkt erhält Sportchef Michael Parensen "Argumente, die du sonst nicht hättest". Der Deutsche erlebte nach wenigen Monaten in Graz mit Sturms fünftem Meistertitel gleich Großes.
"Die Geschlossenheit der Mannschaft", machte Parensen als Erfolgsfaktor aus. "Wir haben eine unglaublich gute Mannschaft vom Vorgängerteam übernommen." Säumel stellte sein Licht gleich mehrmals unter den Scheffel. "Die Spieler am Feld sind die entscheidenden Protagonisten." Stefan Hierländer, Sturms wenig spielender Kapitän, erzählte: "Heuer war schon die ganze Saison Druck am Kessel. Die Mannschaft hat das hervorragend gemeistert, wir sind sehr eng zusammengestanden."
Üppige Prämien
Der Rückhalt in einer besonderen Drucksituation war da. "Die Fans haben uns zum Titel getragen. Wir waren diese Woche unglaublich angespannt", gestand Thomas Tebbich, der Geschäftsführer Wirtschaft. Er muss nun "üppige Prämien" an die Mannschaft ausschütten, wie Clubchef Jauk ausplauderte. "Bei Sturm Graz verdient man, wenn man Titel erreicht, sehr, sehr gut."
Als die aufgebaute Spannung mit dem Happy End abfiel, wollten die Steirer weder an Transfers, die nächste Saison oder gar Erwartungen denken. Ob der Kapitän Stefan Hierländer weiter im Sturm-Dress zu sehen ist, wollte niemand verraten. Der 34-Jährige würde auch nach einer Saison, in der er hauptsächlich als "Non playing Captain" agierte, gerne beim Verein bleiben. "Ich habe das ganz klar kommuniziert, der Club wird entscheiden."
Scherpen möchte bleiben
Gregory Wüthrich, ein wichtiger Identifikationsspieler bei Sturm, in dieser Saison aber verletzungsgeplagt und als Abwehrchef nicht immer fehlerfrei, wollte seine Zukunft gar nicht kommentieren. Bei zwei Leihspielern, die wesentlich zum Titel beitrugen, stehen die Zeichen auf Abschied: Leih-Goalie Kjell Scherpen und Leih-Mittelfeldmotor Malick Yalcouyé kehren vorerst zum Premier-League-Verein Brighton & Hove Albion zurück. Scherpen aber hadert mit einem Abschied aus Graz und signalisierte seine Bereitschaft zu bleiben. "Ich weiß, was ich an Sturm habe." Auch Jon Gorenc Stankovic hat Interesse anderer Vereine geweckt. "Die Fans, die Stadt, der Verein, es ist schwierig, in der Karriere noch einmal so etwas zu finden." William Böving, der Däne mit dem Torriecher für wichtige Spiele, dürfte indes den berühmten "nächsten Schritt" woanders tun.
In Graz befindet sich also weiter vieles im Wandel. Für Parensen gehen die Hochintensiv-Wochen weiter, als Sportchef kann er im Sommer erstmals wirklich seine Handschrift einbringen. "In den letzten zwei Wochen hat alles geruht, natürlich haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, und was Transfers betrifft, werden wir das zu geraumer Zeit kommunizieren", ließ er sich wie gewohnt wenig in die Karten blicken. Ein erster möglicher Transfer sickerte schon durch. Laut dem Transfer-Experten Fabrizio Romano holt Sturm den 19-jährigen Offensivspieler Axel Kayombo um zwei Millionen Euro vom FC Basel. Der Franzose erzielte als Leihspieler für den Schweizer Zweitligisten Stade-Lausanne zehn Tore.
WAC hadert nicht
Dem WAC fehlte letztlich nur ein Tor zum Double, stattdessen schaute unglaublicherweise nur Platz vier heraus. Statt zu hadern, strichen die Kärntner Verantwortlichen den Stolz auf das in dieser Saison Erreichte heraus. "Ich bin auf meine Mannschaft sehr, sehr stolz", betonte Club-Präsident Dietmar Riegler. Er will den Weg genau so weitergehen. "Wir können keine Spieler um Millionen holen, aber talentierte Spieler, die wir weiterentwickeln." Auch Trainer Dietmar Kühbauer gratulierte seiner Mannschaft. "Wir hätten es schaffen können, aber die Saison ist trotzdem sehr, sehr gut. Wir haben ein unglaubliches Topjahr gespielt."
apa