10.09.2021 20:14 Uhr

Warum Schalkes eilige Stürmersuche gefährlich ist

Simon Terodde (r.) jetzt die sportliche Lebensversicherung des FC Schalke 04
Simon Terodde (r.) jetzt die sportliche Lebensversicherung des FC Schalke 04

Nach dem Last-Minute-Abgang von Matthew Hoppe durchforstet der FC Schalke 04 derzeit den Markt der vereinslosen Stürmer, um einen Plan B in der Tasche zu haben, sollte Torgarant Simon Terodde einmal ausfallen. Doch die Suche gestaltet sich schwierig - und das nicht nur aus finanziellen Gründen.

Am Mittwoch sahen sich die Verantwortlichen des FC Schalke gezwungen, zu einer eher ungewöhnlichen Maßnahme zu greifen. Während fixierte Verpflichtungen seit vielen Jahren zuallererst via Twitter kommuniziert werden, gehört die Bestätigung geplatzter Deals eigentlich nicht zum Social-Media-Alltag eines Profi-Klubs.

Dennoch wählte der Zweitligist den Schritt an die Öffentlichkeit, um den medial zuvor bereits als perfekt gemeldeten Wechsel des Spaniers Sergi Enrich zu dementieren.

"Wir haben uns mit dem vertragslosen Spieler Sergi Enrich beschäftigt und uns gegen eine Verpflichtung entschieden", teilten die Königsblauen mit.

Ob der 31-Jährige letztlich aus sportlichen Gründen oder doch aufgrund seiner persönlichen Skandalakte durchfiel, blieb offen. Fakt ist nur: Schalke will noch einmal nachlegen und arbeitet dafür weiter die Liste der aktuell vertragslosen Stürmer ab.

"Wir haben Überlegungen angestellt, dass wir den Kader noch einmal verstärken werden", bestätigte S04-Sportchef Rouven Schröder bei "Sky". Allzu rosig sind die Aussichten der klammen Knappen aber nicht.

FC Schalke 04 extrem abhängig von Simon Terodde

Auf den ersten Blick mutet die Suche nach einem weiteren Angreifer tatsächlich kurios an, schließlich verfügt der FC Schalke mit Simon Terodde über den wohl bald schon besten Torjäger in der Geschichte der 2. Bundesliga.

Vor Saisonbeginn fehlten dem 33-Jährigen noch zwölf Treffer bis zu Rekordhalter Dieter Schatzschneider (154 Tore), nach fünf Spieltagen sind es nur noch sechs.

Terodde vom direkten Konkurrenzen HSV loszueisen hat sich für Schalke schnell bezahlt gemacht. Zugleich hat der Goalgetter aber auch die Schwächen im System des Absteigers schonungslos offengelegt.

Wenn eines in den ersten Begegnungen der Schalker deutlich geworden ist, dann ist es die extreme Abhängigkeit von Teroddes Torinstinkt. Erwischt er einen schlechten Tag, fehlt ein Plan B - sowohl taktisch als auch personell.

Aus diesem Grund schwirr(t)en Namen wie Enrich oder Ex-Liverpool-Star Daniel Sturridge durch Gelsenkirchen. Beide sind nicht nur erfahren, sondern auch vertragslos, weshalb eine Verpflichtung auch nach Ende der Transferperiode noch möglich wäre.

Kaum geeignete Kandidaten auf dem Stürmermarkt

Warum einer der gehandelten Angreifer im Spätherbst seiner Karriere noch in die 2. Bundesliga wechseln sollte, noch dazu zu einem Verein, der kaum Geld, dafür aber einen Platzhirsch im Sturmzentrum vorzuweisen hat, ist dabei eine der spannendsten Fragen.

Kandidaten gäbe es zuhauf: Neben Enrich und Sturridge suchen auch Wilfried Bony (32, langjähriger Premier-League-Torjäger), Andy Carroll (32, ehemaliger englischer Nationalspieler), Fernando Llorente (36, Welt- und Europameister mit Spanien), Éder (33, Portugals EM-Held von 2016), Graziano Pellè (36, früherer Auswahlspieler Italiens) und Demba Ba (36, einst in Hoffenheim erfolgreich) noch nach einem neuen Arbeitgeber.

Sie alle eint jedoch, dass keiner von ihnen für ein durchschnittliches deutsches Zweitliga-Gehalt auf Schalke unterschreiben würde. Schlimmer noch: Keiner von ihnen wäre ein Zugang mit mittel- bis langfristiger Perspektive in Königsblau.

Schon beim Terodde-Deal wurde im Umfeld beklagt, dass der im deutschen Oberhaus gleich mehrfach gescheiterte Oldie im Falle eines Aufstiegs kaum eine Zukunft hätte.

Wenig Geduld beim Schalke 04

Nach dem Verkauf des letztjährigen Überraschungsknipsers Matthew Hoppe, der an RCD Mallorca veräußert wurde, steht Trainer Dimitrios Grammozis neben Terodde nur noch ein weiterer klassischer Neuner zur Verfügung: Leihgabe Marvin Pieringer. Den Nachweis seiner Tauglichkeit ist der 21-Jährige bislang allerdings schuldig geblieben.

Insofern sind die jüngsten Gedankenspiele der Schalker Entscheidungsträger sicher nicht abwegig. Fans der Knappen mögen sich momentan kaum vorstellen, was mit dem neu zusammengewürfelten Team passieren würde, sollte Terodde mal längere Zeit ausfallen.

Mangels geeigneter Kandidaten wäre es freilich nicht die schlechteste Idee, bis Anfang Januar zu warten, um in der Winter-Transferphase auf einem erheblich breiteren Spielermarkt nochmal zuzuschlagen. Speziell die verhältnismäßig günstigen Leihgeschäfte sind im Frühjahr für viele Vereine eine attraktive Option, um Baustellen im Kader zumindest für einige Monate zu beheben.

Es scheint jedoch, als wollten Rouven Schröder und Co. lieber heute als morgen einen neuen Terodde-Backup präsentieren. Dabei drückt der Schuh in anderen Mannschaftsteilen (Außenbahn, offensives Mittelfeld) viel heftiger.

So muss sich das Schalker Management einer unbequemen Frage stellen, die viele Anhänger derzeit umtreibt: Ist ein weiterer Stoßstürmer tatsächlich vonnöten oder sollten die vorhandenen finanziellen Mittel nicht doch besser für dünner besetzte Positionen zurückgehalten werden?

Eine Antwort wird in Kürze erwartet.

Heiko Lütkehus

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