13.02.2016 17:39 Uhr

Wiener Derby: Die Überläufer

Josef Hickersberger ist gleich bei beiden Vereinen
Josef Hickersberger ist gleich bei beiden Vereinen "Legende"

Ein Wechsel zum Erzrivalen gilt als Tabubruch. Die Geschichte des Wiener Derbys zwischen Austria und Rapid ist aber voll davon. An die 70 Akteure waren für Veilchen und Grün-Weiße engagiert, mehr als die Hälfte seit Einführung der Bundesliga in der Saison 1974/75.

Thomas Murg ist kein Einzelfall. Der 21-jährige Steirer wird beim 316. Wiener Derby am Sonntag (ab 16:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) an seine alte Wirkungsstätte in Wien-Favoriten zurückkehren. Wie ihn der Austria-Anhang empfangen wird, bleibt abzuwarten. Eigentlich hatte er ja kein schlechtes Wort über seinen Ex-Verein verlieren wollen, dann rutschte es ihm doch raus: "Ich habe eine Rechnung offen."

2014 schoben die Veilchen Murg an die SV Ried ab, das hatte etwas mit disziplinären Verfehlungen wie im U21-Nationalteam zu tun. Dass Thomas Murg seinen Weg als Fußballer dennoch machen könne, bleibt dennoch unbestritten. Hat sich die Austria per Vertragsklausel an Folgetransfers beteiligt, wollte daher weltfussball von Austria-Finanzvorstand Markus Kraetschmer wissen. "Nein, wir haben das mit Ried anders gelöst und sind am Transfer zu Rapid nicht beteiligt", stellte dieser klar.

Allerdings dürfen auch Austrianer ihrem Ex-Spieler Murg einen Auslandstransfer gönnen. "Dann wären wir durch die Solidarity-Klausel beteiligt", erinnerte Kraetschmer an die "Ausbildungsentschädigung".

Vielleicht werden sich die Austrianer bei diesem Derby mit ihrem Unmut zurückhalten, zumal das 316. Prestigeduell mit einer gemeinsamen Trauerminute beginnt. Trifon Ivanov ist am Vortag des Derbys einem Herzinfarkt erlegen. Der bulgarische Kult-Libero war selber einer von diesen Überläufern, die sowohl bei Rapid als auch Austria spielten.

Rund 70 Spieler haben dieses vermeintliche Tabu gebrochen. Bereits in der Frühzeit des Fußballs in Wien wechselten Spieler reihenweise die Lager. Wohin denn sonst? Die Liga setzte sich doch ausschließlich aus Wiener Vereinen zusammen und soziokulturelle Bruchlinien gab es zwar, allerdings noch nicht in der scharfen Form der Trennlinie.

Nichtsdestotrotz schrieben schon in den 1920er Jahren Zeitungen von "Doppelagenten". Prägnant war der Fall von Heinrich Krczal, aus dem 1919 beim Wechsel von Rapid zur Austria ein Heinrich Körner wurde. Ein halbes Jahr später war er wieder bei den Grün-Weißen, den neuen Namen hingegen behielt er.

In der Nachkriegszeit nahmen die Wechsel ab, dennoch gab es sie. Johann Riegler etwa wechselte Ende der 1950er Jahre als verdienter Rapidler zur Austria. Violett war freilich kein rotes Tuch, zumal Bruder Bobby 1936 mit Sindelar, Nausch und Co den Mitropacup gewann.

Gastspieler beim Erzrivalen

Die Wechselgeschichte zwischen den beiden Wiener Großvereinen birgt auch Kuriositäten. Gleich drei Mal stellte sich die Austria in Freundschaftsspielen einen Rapid-Keeper ins Tor - stets aufgrund von Verletzungen. Dieter Pflug machte beim Osterturnier 1954 den Anfang, Ludwig Huyer war beim Abschiedsspiel von Ernst Ocwirk mit dabei. 1981 wirkte Karl Ehn beim 70-Jahre-Turnier der Austria mit.

Sogar von einem Leihgeschäft wird berichtet. Robert Kaffka wechselte mangels Perspektiven 1951 die Seiten. Sechs Jahre nach Kriegsende hatten Begriffe wie Feindschaft eben eine andere Bedeutung.

Unfreiwillig kam Ex-Rapidler Roman Pichler zur Austria, weil diese 1973 mit dem Wiener AC fusionierte. Er spielte allerdings nur in Freundschaftsspielen für die Veilchen. Hans Krankl hatte richtiggehend Glück, dass er den WAC bereits ein Jahr zuvor verlassen hatte.

Schwindende Loyalitäten

Mit der Einführung der Bundesliga 1974/75 machte Österreich einen Schritt in Richtung Modernität mitsamt aller Begleitmusik. Wechsel, auch zwischen Rivalen, nahmen zu. Mit dem Bosman-Urteil 1995 brachen geradezu alle Dämme. 

Die Geschichte der Überläufer in der Bundesliga-Ära erzählen wir in einer Bildershow. Für das Titelbild kam freilich nur einer in Frage: Josef "Pepi" Hickersberger. Er war sowohl als Spieler als auch als Trainer bei beiden Wiener Vereinen, ist hüben wie drüben Mitglied im Legendenklub. Zu Rapids höchster Derbypleite (0:6) steuerte er einen Hattrick bei, 2005 machte er als Trainer der Hütteldorfer den Begriff "St. Hanappi" populär.

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Sebastian Kelterer

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