Weltklassekeeper in Südamerika? Nix da!

Südamerika produziert Ausnahmefußballer am Fließband. Aber gute Torhüter sind seit jeher rar. Brasilien setzt sogar auf einen Torwart aus der zweiten Liga. Die Südamerika-Kolumne.
Torwart Johnny Herrera gehört zur chilenischen Riege der Rüpel-Fußballer. Ein paar Faustschläge im Derby, ein alkoholisierter Verkehrsunfall mit Todesfolge, noch ein alkoholisierter Verkehrsunfall, Schlägereien in der Disco… Johnnys Skandalregister ist gut gefüllt.
Dabei könnte Herrera durchaus auch aufgrund seiner sportlichen Erfolge bei Universidad de Chile in die Geschichte des chilenischen Fußballs eingehen. Oder wegen seiner seltenen, aber polemischen Interviews.
Johnny Herrera: "Keiner erfolgreicher als ich"
Zuletzt brachte er Journalisten und Fans in seiner Heimat ordentlich in Aufruhr, als er behauptete, "in der Geschichte des chilenischen Fußballs keinen erfolgreicheren Torhüter" als sich selbst zu sehen.

Dabei hatte die Weltmeisterschaft in Brasilien den Keepern des Kontinents einen Impuls Richtung Spitzenfußball gegeben. Nicht nur Claudio Bravo wurde von Barcelona verpflichtet, auch Kolumbiens David Ospina wechselte zu Arsenal. Dort hatte er in der vergangenen Spielzeit den Platz im Kasten der Gunners sicher, bis ihm im Sommer ein gewisser Petr Čech vor die Nase gesetzt wurde. Der kolumbianische Nationaltorwart fand sich plötzlich auf der Ersatzbank wieder und kam erst in der Champions League gegen Dinamo Zagreb zu seinem Saisondebüt.
Ospina und Romero: In England auf der Bank

Im Gegensatz zu Kolumbien und Chile, wo neben ein bis zwei Auswahltorhütern kaum ein anderer "arquero" auch nur annähernd an das Niveau eines Keepers aus der zweiten oder dritten Bundesliga herankommt, hat Argentinien wenigstens eine relativ breite Mittelschicht an Schlussmännern vorzuweisen. Romeros Ersatzmann Andújar war lange Zeit Stammspieler bei Catania, Palermo und zuletzt Neapel. "Willy" Caballero wurde unter Coach Pellegrini sogar Kapitän bei Málaga und folgte ihm dann (trotz Reservistenrolle) zu Manchester City.
Zweitligatorwart bei Brasilien
Dazu kommt eine Reihe von Nachwuchstorhütern, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen. Arsenal hatte bereits 2010 aus Independientes (für argentinische Verhältnisse) starken Torhüterschule den damals 17 Jahre alten Emiliano Martínez verpflichtet, der seitdem kreuz und quer durch die englischen Ligen verliehen wird. Am interessantesten ist wohl der 23 jährige Gerónimo Rulli, der 2014 von Estudiantes de La Plata zu Real Sociedad nach Spanien wechselte und dort seitdem die unumstrittene Nummer Eins ist.
Und beim großen Nachbarn Brasilien? Sieht die Lage nicht viel besser aus. Die Zeiten, als Dida oder Julio César die Tore bei europäischen Topklubs hüteten, sind lange vorbei. Derzeit ist Jefferson vom brasilianischen Zweitligisten (!) Botafogo der Mann im Kasten der Seleçao. Die Zukunft gehört wohl Marcelo Grohe von Gremio und dem jungen Alisson (22) von Internacional aus Porto Alegre. Diego Alves ist zwar Stammtorwart bei Valencia, allerdings spielt er auch wie Neto, der Buffon bei Juventus beerben soll, in der Planung für die WM-Qualifikation des Nationaltrainers Dungas scheinbar keine Rolle.
Das Fazit zu südamerikanischen Torhütern ist definitiv mager. Fand man früher mit Hugo Gatti, René Higuita oder José Chilavert wenigstens noch ein paar Charakterköpfe in den Auswahlmannschaften, kann heute keine Auswahl auf einen Torwart zählen, der Stammspieler auf annähernd hohem Niveau ist. Chiles Claudio Bravo ist hier eine Ausnahme, wie auch sein Ersatzmann Johnny Herrera.
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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco