Casillas und Valdés: Das Ende zweier Ären

Noch bevor am Samstagabend der 258. Clásico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid angepfiffen wird, spitzt man das Duell gerne auf Zweikämpfe zu: Messi gegen Ronaldo, Neymar gegen Bale oder Martino gegen Ancelotti. Über zehn Jahre lang versprach auch die Gegenüberstellung der beiden Torwarteigengewächse Iker Casillas und Victor Valdés eine gewisse Brisanz. Früher als von den meisten vermutet, scheint das Torhüterduell jedoch bald Geschichte zu sein.
Mittwochabend, 20.45 Uhr, Flutlicht erhellt das Santiago Bernabéu, es ist wieder Champions-League-Zeit in Madrid. Im CL-Klassiker zwischen Real Madrid und Juventus Turin werden beide Mannschaften von ihren Torhütern auf’s Feld geführt: Iker Casillas und Gianluigi Buffon, Weltmeisterkeeper, lebende Legenden und seit über zehn Jahren auch außerhalb des Rasens gut befreundet. Nach dem Spiel gehen beide Arm im Arm und lachend von Feld. Wenig scheint in diesen Stunden darauf hinzudeuten, dass es ihr letztes Aufeinandertreffen im Bernabéu sein könnte.
Doch während der viermalige Welttorhüter Buffon auch noch im hohen Alter unumstritten das Turiner Tor hüten darf, ist es für den gar fünfmaligen Gewinner Casillas derzeit ein ungewöhnliches Gefühl, seinen Verein auf dem Platz zu repräsentieren.
"Gute Seele" vor dem Absprung?
Der etatmäßige Kapitän wurde Mitte letzter Saison von José Mourinho nach einer Verletzung auf der Bank gelassen und durch den überzeugenden Diego López ersetzt. Auch Mourinho-Nachfolger Ancelotti behielt die neue Hierarchie – zunächst noch unter Vorbehalt – bei. Inzwischen hat Casillas seit Januar kein Ligaspiel mehr für die Madrilenen bestritten. In dieser Saison darf er immerhin wieder in der Champions League das Tor hüten. Für den Publikumsliebling, der vor jedem seiner wenigen Spiele gefeiert wird, ist das aber sicherlich keine Dauerlösung.
Lange Zeit schwieg der als gute Seele und Musterprofi geschätzte spanische Rekordnationalspieler (151 Spiele) über seine Verbannung auf die Bank. Kürzlich jedoch äußerte er sich erstmals kritisch zu seiner Situation: "Natürlich möchte ich bei Real Madrid bleiben und noch mehr Titel gewinnen. Aber einmal kommt der Tag, an dem man eine Entscheidung treffen muss", sagte der mit über 600 Einsätzen ewige Rekordtorhüter der Merengues gegenüber der dpa. "Wenn sich in drei Monaten an meiner Situation nichts ändert, werde ich wahrscheinlich einen Vereinswechsel in Erwägung ziehen."
Ex-"Fliegenfänger" erarbeitet sich Respekt
Der Abschied aus heimatlichen Gefilden ist für Casillas' langjähriges Gegenüber Victor Valdés bereits beschlossene Sache. Barças Vize-Kapitän wird seinen auslaufenden Vertrag bei den Katalanen nicht verlängern und könnte am Samstag bereits seinen vorletzten Clásico spielen. Lange Zeit galt der 31-Jährige als schwächstes Glied der besten Vereinsmannschaft der Welt; spöttisch sagte man ihm nach, dass seine mangelnden Qualitäten nur dank Barcelonas Ballbesitzfußball nicht allzu schwer ins Gewicht fallen würden.
Diese Stimmen sind inzwischen deutlich leiser geworden, zeigt sich der Torwart doch auf der Linie reaktionsschnell wie eh und je und darüber hinaus in seiner einst haarstäubenden Strafraumbeherrschung verbessert. Valdés stellt in dieser Saison mit sechs Gegentoren in neun Spielen den Topwert der Liga und erhält nun die lange verwehrte Wertschätzung. Doch ausgerechnet jetzt sucht der Keeper eine neue Herausforderung, Gerüchten zufolge soll der neureiche AS Monaco an einer Verpflichtung interessiert und Valdés dem Leben an der Côte d’Azur nicht abgeneigt sein.
"Verbotene" Torwartfrage jetzt auch in der Nationalelf
Wahrscheinlich werden Casillas und Valdés ihr Privatduell künftig nur noch in der Nationalmannschaft fortführen können. Trainer Vicente Del Bosque hatte den blutjungen Casillas einst bei Real Madrid zur Nummer eins befördert und mit ihm zweimal die Champions League gewonnen. Als Del Bosque 2008 die spanische Auswahl übernahm, war Casillas inzwischen als Spielführer von "la Roja" unantastbar. Der Keeper kassierte bei den beiden Triumphen 2010 und 2012 insgesamt lediglich zwei Gegentore und schien auf Jahre hin konkurrenzlos, nicht selten wurde vom "besten Torwart aller Zeiten" gesprochen. Der dreimalige Champions-League-Sieger Valdés hingegen schien das Pech zu haben, nur rund ein halbes Jahr jünger als der Serienwelttorhüter zu sein.
Doch das Denkmal beginnt allmählich auch in der Nationalmannschaft zu bröckeln. Nachdem Casillas trotz seiner Reservistenrolle im Verein Spielpraxis in Spaniens Tor sammeln durfte, sind die anfänglichen Treueschwüre Del Bosques im Hinblick auf die kommende WM mittlerweile ausgewogeneren Tönen gewichen: "Mit ihm, Victor Valdés und Pepe Reina haben wir drei fantastische Torhüter, jeder von ihnen kann spielen. Es ist für mich gar kein Problem, zwischen ihnen zu entscheiden."
Valdés gibt sich bescheiden
Im September gegen Chile und in der WM-Quali gegen Weißrussland stand bereits der Katalane im Kasten. Ein Trend? Valdés selbst gibt sich bescheiden: "Ich sehe eine sehr starke Torwartgeneration, in der Iker der Beste ist. Aber die Selección wird von diesem Konkurrenzkampf profitieren, und das ist das Wichtigste", sagte Valdés im Vorfeld seiner Einsätze dem TV-Sender "Cuatro".
Ob sich Real Madrid nach der Entthronung des einstigen Königs unter den Königlichen noch gegen Valdés und den FC Barcelona durchsetzen kann, wird sich am Samstag im Camp Nou zeigen. Ab 18 Uhr ist weltfussball wie gewohnt live dabei.
Johann Mai