Austria lässt "Punch" zum Saisonstart vermissen
Bei der Wiener Austria macht sich bereits nach der ersten Runde in der Bundesliga Krisenstimmung breit. Drei Tage nach dem Europacup-Aus gegen Ilves Tampere mussten sich Neo-Trainer Stephan Helm und seine Spieler nach der 0:1-Auftaktpleite bei Blau-Weiß Linz vom mitgereisten Anhang etwas anhören. Die Hoffnungen auf eine schnelle Trendwende ruhen nicht zuletzt auf Aleksandar Dragovic, der am Sonntag im Heimspiel gegen Tabellenführer WAC sein Austria-Comeback anstrebt.
Das Aus im Elferschießen gegen Tampere hatte bereits geschmerzt - sportlich wie wirtschaftlich. In der Liga folgten neuerlich haarsträubende Fehler, etwa beim Tor nach einem langen Abschlag des dafür bekannten Blau-Weiß-Goalies Nicolas Schmid. "Das darf in dieser Form nicht passieren, das ist viel zu einfach", kritisierte Helm. Sein Team blieb in vier Pflichtspielen bisher nur im ÖFB-Cup gegen Regionalligist FC Pinzgau Saalfelden (6:0) ohne Gegentor. Der verletzungsbedingte Ausfall von Verteidiger Johannes Handl wiegt schwer.
Abhilfe soll Dragovic schaffen. "Er bringt eine wahnsinnige Erfahrung mit", sagte Austrias Sport-Vorstand Jürgen Werner auf Sky. Der 33-Jährige, an dessen Rückkehr nach Favoriten Werner laut eigenen Angaben 15 Monate gearbeitet hat, soll stabilisieren. "Im Führen der anderen Spieler hoffen wir schon, dass er die eierlegende Wollmilchsau ist." Wenn man einen "Qualitätsspieler" wie Dragovic dazubekomme, sei das sicher ein Faktor, ergänzte Helm. Er wolle nicht alles auf seinen neuen Abwehrchef abwälzen. "Aber er wird der Mannschaft auf jeden Fall weiterhelfen und er bringt ein gewisses Selbstverständnis mit."
Helm: "Die letzte Gier, die fehlt uns aktuell"
Ein Selbstverständnis, das den Wienern bisher gefehlt hat. Organisatorisch attestierte Helm seinem Team auch in Linz keine Probleme. "Wir bringen den Aufwand. Aber was wir uns vorwerfen lassen müssen: Dieser Punch, die letzte Gier, die fehlt uns aktuell." Von den Fans sei man 96 Minuten ausgezeichnet unterstützt worden, betonte der Austria-Coach. "Dass sie nachher unzufrieden sind, ist nachvollziehbar. Wir sind auch sauer auf uns selbst."
Dabei waren auch die Zentimeter in den entscheidenden Situationen nicht aufseiten der Violetten. Simon Seidls Treffer zählte erst nach langem Videostudium, weil der Torschütze nur knapp nicht aus dem Abseits gestartet war. Auf der Gegenseite schritt der Videoassistent (VAR) nicht ein, weil die Bilder nicht klar belegen konnten, dass der Ball beim möglichen Ausgleich des eingewechselten Cristiano bereits vollumfänglich über der Linie war.
"Leider gibt es keine Torlinientechnik, das wäre vielleicht zum Überlegen. Es wäre ein gerechtes Unentschieden gewesen", meinte Austria-Angreifer Andreas Gruber, gestand aber auch: "Die paar Fehler, die wir machen, müssen wir abstellen. Wir wollen den Fans zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, die vorne mitspielen kann." Trotz eines größeren Umbruchs, den das Team hinter sich hat. "Alle im Verein sind sich einig, dass wir eine gute Transferzeit hinter uns gebracht haben", meinte Werner.
Joker Seidl avancierte zum Matchwinner
Das gilt im Wesentlichen auch für Blau-Weiß. "Ich denke, wir haben ganz gute Griffe gemacht", sagte Trainer Gerald Scheiblehner. Flügelspieler Thomas Goiginger kam bei seiner Rückkehr noch nicht wirklich zur Entfaltung, dafür glänzte der für den Zugang eingewechselte Seidl, der jüngere Bruder von ÖFB-Teamspieler und Rapid-Kapitän Matthias Seidl. "Mein Bruder kann sich Dinge von mir abschauen, und ich schaue mir Dinge von ihm ab", erklärte der Goldtorschütze.
Scheiblehner ortete in der ersten Hälfte Probleme. "Es war weit weg von perfekt." Die Umstellung auf eine defensive Dreierkette zur Pause wirkte allerdings. "Wir sind reifer geworden. Wir überstehen schwierige Phasen und können dann zuschlagen", meinte der BW-Coach. "Es war Leidenschaft pur." Und wohl auch eine Bestätigung für seine "Bauchentscheidung", vor zwei Monaten nicht zur Austria gegangen zu sein. Es sei keine Absage gewesen, betonte Scheiblehner. "Ich habe mich für den Verbleib bei Blau-Weiß entschieden."
apa