06.04.2023 12:08 Uhr

Wolfsburg-Geschäftsführer Schäfer will "angreifen"

Ex-Profi Marcel Schäfer ist neuer Geschäftsführer des VfL Wolfsburg
Ex-Profi Marcel Schäfer ist neuer Geschäftsführer des VfL Wolfsburg

Marcel Schäfer, neuer Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg, spricht im Interview über die erfolgreichen Frauen im Klub, die Europa-Ziele bei den Männern und die Nationalmannschaft.

Marcel Schäfer, auf welche Bundesliga-Tabelle schauen Sie im Moment lieber. Auf die der Frauen oder die der Männer?

Marcel Schäfer: Ich schaue auf alle Tabellen unserer Mannschaften und da gibt es keinen Grund, gänzlich unzufrieden zu sein. Unsere Frauen-Mannschaft spielt in jedem Wettbewerb um den Titel mit. Das ist auch die Ausrichtung und grundsätzlich die Ambition des Klubs. Dass das nicht immer möglich ist, wissen wir auch. Mit den Leistungen und der Entwicklung sind wir sehr zufrieden. Aber wenn man die letzten Jahre fast immer das Double gewonnen hat, will man natürlich auch mehr. Deshalb freuen wir uns jetzt auf das Halbfinale in der Champions League gegen den FC Arsenal, das wird eine große Herausforderung sein. Aber dieser Aufgabe gehen wir mit breiter Brust entgegen und natürlich wollen wir ins Finale einziehen.

Und bei den Männern?

Wir hatten nach einer enttäuschenden Vorsaison auch dieses Jahr einen sehr schwierigen Start. Aber die Mannschaft hat sich gefangen und sich im oberen Tabellendrittel aus meiner Sicht ein Stück weit festgespielt. Wir haben natürlich die Ambition, wieder international zu spielen. Aber wir wissen ganz genau, dass viele Mannschaften nach Europa wollen. Wir wollen nächstes Jahr unter der Woche nicht auf der Couch sitzen, sondern wollen uns mit den besten Mannschaften in Europa messen.

Stichwort Europa. Jetzt stehen die entscheidenden Wochen an. Worauf kommt es da an? Mentalität? Körperliche Fitness?

Wenn es allein darum geht, spielen wir nächste Saison international - das sage ich ganz ehrlich. Man kann unserer Mannschaft im spielerischen Bereich vielleicht das eine oder andere absprechen. Da gibt es Dinge, wo wir noch Luft nach oben haben. Kaltschnäuzigkeit, Effizienz vor dem Tor. Es zieht sich ein bisschen durch die Saison, dass wir oft spielerisch die bessere Mannschaft sind - aber nicht als Sieger vom Platz gehen. Wir müssen definitiv am Torabschluss arbeiten. Aber wir haben eine topfitte Mannschaft mit Selbstvertrauen, die immer an sich glaubt, die eine sehr gute Einstellung hat und nie aufgibt. Die Partie gegen Augsburg war ein Paradebeispiel dafür.

Niko Kovac hat bei seiner Vorstellung von Titeln gesprochen, wann halten Sie das für realistisch?

Man muss erstmal betonen, dass der Verein nach den zwei Relegationsjahren sportlich am Boden lag, als Jörg Schmadtke und ich 2018 hier angefangen haben. Es gibt nicht die Erwartung, dass der VfL Wolfsburg jedes Jahr Champions League spielt, das ist nicht realistisch. Aber trotzdem kann das ja eine Zielsetzung sein und ich lasse meine Spieler und alle im Klub auch gerne träumen, weil ich glaube, wer Träume und große Ziele hat, für die man über die Grenzen geht, der arbeitet auch viel, der investiert auch viel. Wenn etwas möglich ist, werden wir angreifen. In dieser Saison wollen wir uns nun im letzten Viertel der Saison ein Stück weit belohnen.

Seit zwei Monaten sind die alleiniger Sport-Geschäftsführer des VfL Wolfsburg. Wie oft wählen Sie noch die Nummer Ihres Vorgängers Jörg Schmadtke?

Wir haben viereinhalb sehr intensive Jahre gehabt, haben Höhen und Tiefen erlebt, und das schweißt natürlich zusammen. Jörg hat sich auf die Fahne geschrieben, mich zu entwickeln, was nicht selbstverständlich ist, weil er mir seinen ganzen Erfahrungsschatz zur Verfügung gestellt hat. Ich würde heute nicht hier sitzen, wenn Jörg Schmadtke mich nicht jeden Tag gefördert und gefordert hätte. Dafür bin ich sehr dankbar und deshalb wird es immer so sein, dass wir im Austausch sind. Aber er ruft auch an.

Und? Gehen Sie dann auch ran?

Klar, sonst bekomme ich Ärger (lacht, d. Red.). Wenn man viereinhalb Jahre so eng zusammenarbeitet, Büro an Büro, da tauscht man sich ja nicht nur über Fußball aus, sondern auch über private Dinge. Und da hat Jörg auch einen deutlich größeren Erfahrungsschatz als ich. Es ist immer ganz gut, wenn ich den einen oder anderen Tipp bekomme."

Wofür steht der VfL Wolfsburg beziehungsweise soll der Klub unter Ihnen stehen?

Wir haben bewiesen, dass wir schon viele junge Spieler entdeckt haben. Wolfsburg ist ein hervorragender Standort, an dem wir Arbeit und Entwicklung wirklich mit Leben füllen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht viele bessere Standorte als den VfL Wolfsburg für junge Spieler gibt, um den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu machen. Diesen Weg werde ich grundsätzlich so weiterführen, weil ich der Überzeugung bin, dass es der richtige Weg ist. Ich glaube, dass wir nicht nur Micky van de Ven als Beispiel haben, sondern viele andere mehr, die in der Bundesliga auf sich aufmerksam gemacht haben.

Reichlich Schlagzeilen produzierte zuletzt die Nationalmannschaft. Ist die DFB-Elf bei der Heim-EM im kommenden Jahr wieder ein Titelkandidat?

Es ist schwierig, wenn man zwei Mal so früh aus dem Turnier ausgeschieden ist und negative Erfahrungen gesammelt hat. Aber ich finde, dass die Nationalmannschaft nach wie vor hervorragende Spieler in ihren Reihen hat, glaube aber, dass wir ein Stück weit mehr wieder zu unseren Tugenden zurückkehren müssen. Dass wir wieder über die Physis kommen, dass wir über die Arbeit in das Fußballerische reinkommen - das habe ich aus den Aussagen von Hansi Flick und Rudi Völler rausgehört. Und ich glaube, das ist genau der richtige Ansatz.

Wie kann man die deutschen Fans wieder mehr ins Boot holen?

Komischerweise ist das Verhältnis immer dann schwierig, wenn es nicht so läuft. Wenn wir Weltmeister werden, sind das alles unsere Jungs. Dieses Schwarz oder Weiß, Top oder Flop, mag ich nicht. Es gibt ein paar Dinge, die man auf dem Platz verbessern muss und es gibt ein paar Dinge, wo wir außerhalb des Platzes unglücklich agiert haben. Ich spreche dabei immer von Wir. Das ist unsere Nationalmannschaft, das ist unser Fußball. Und da müssen wir alle, auch wir Klubs, viel dafür tun, dass die Nationalmannschaft wieder auf einen besseren Weg kommt. Das passiert im Austausch, das passiert in der Zusammenarbeit. Da müssen wir alle zusammen die Ärmel hochkrempeln und mit anpacken. Aber das geht alles nicht von heute auf morgen, da muss man auch ein bisschen Geduld aufbringen und den Verantwortlichen eine Chance einräumen und das Vertrauen aussprechen. Das ist unsere Mannschaft und ich hoffe, dass wir nächstes Jahr ein gutes Turnier spielen.

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