02.11.2021 15:07 Uhr

Werders Transfer-Zeugnis: Nicht gut genug für den Aufstieg

Die Neuzugänge von Werder Bremen präsentieren sich höchst unterschiedlich
Die Neuzugänge von Werder Bremen präsentieren sich höchst unterschiedlich

Nach dem Abstieg aus der Bundesliga hat der SV Werder Bremen im deutschen Unterhaus noch keine klare Linie gefunden. Dass die Hanseaten aktuell im Niemandsland der Tabelle herumdümpeln, hängt auch mit den Sommer-Transfers zusammen. Sechs Spieler plus Trainer Markus Anfang wechselten an die Weser, ihre Erfolgsquote ist durchwachsen - dementsprechend fällt das Zeugnis für Manager Frank Baumann aus.

Zwölf Spiele mit vier Siegen, vier Unentschieden und vier Niederlagen - mehr Mittelmaß geht kaum! Hinzu kommt das bittere Erstrunden-Aus im DFB-Pokal gegen den VfL Osnabrück, das die ohnehin dürftige Zwischenbilanz beim SV Werder zusätzlich belastet.

Aktuell weiß keiner so recht, wohin die Reise gehen wird, die erhoffte Aufbruchstimmung nach dem Neustart ist längst verflogen. Das liegt selbstverständlich nicht ausschließlich, aber auch an den neu dazugeholten Akteuren, die den Erwartungen nur zum Teil gerecht geworden sind:

Lars Lukas Mai | Abwehr | ausgeliehen vom FC Bayern München

Im ersten Moment schien es, als sei Frank Baumann mit der Leihe des Bayern-Talents ein echter Coup gelungen. Mais solide Leistungen in Darmstadt spülten ihn bis in die deutsche U21-Nationalmannschaft. Auch Bundesligisten sollen daher im Sommer Interesse gezeigt haben.

Die Aussicht, in Bremen wieder mit seinem Förderer Markus Anfang zusammenarbeiten zu können, gab letztlich den Ausschlag für Werder. Bei seiner Präsentation erzählte der 21-Jährige dann direkt vollmundig, die Gegner schon mit seinem "bösen Blicken" auf Abstand halten zu wollen.

Nach elf Einsätzen lässt sich konstatieren: Große Worte, wenig dahinter. Obwohl ihm Coach Anfang bemerkenswert oft das Vertrauen in der Startelf schenkte, tat sich Mai immer wieder als Unsicherheitsfaktor mit riesigen Mängeln im Zweikampfverhalten und dem Stellungsspiel hervor. Vorläufiger Tiefpunkt war seine Nicht-Leistung beim 2:2 in Sandhausen.

Transfer-Note: 4,5

Anthony Jung | Abwehr | ablösefrei

Der Leidtragende von Mais Sonderstatus unter Markus Anfang. Der Deutschland-Rückkehrer wollte nach seinem erfolgreichen Gastspiel in Kopenhagen bei Werder eine Führungsrolle übernehmen, fand sich jedoch häufig auf der Ersatzbank wieder.

Dabei waren die sportlichen Darbietungen von Jung bislang ordentlich - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der defensivorientierte Linksfuß ist zwar kein großer Impulsgeber, dafür allerdings extrem routiniert. Ihn ablösefrei verpflichtet zu haben, war sicher kein Fehler.

Transfer-Note: 3,0

Mitchell Weiser | Abwehr | ausgeliehen von Bayer Leverkusen

Am Deadline Day machten viele Werder-Fans große Augen, als in Mitchell Weiser ein gestandener Bundesliga-Profi im besten Alter am Weserstadion aufschlug. In Leverkusen war der frühere U21-Nationalspieler außen vor, ein Neuanfang im Unterhaus soll(te) die Karriere wieder in Schwung bringen.

Allzu euphorisch stimmten Weisers bisherige Einsätze aber nicht. Einem guten Start samt Super-Solo-Tor gegen einen desolaten FC Ingolstadt folgten viele halbgare Vorstellungen, in denen sich der Neuzugang auf dem Weg nach vorne immer wieder verzettelte. Mal rannte er sich sinnlos fest, andere Male entblößte er die rechte Abwehrseite und brachte seine Mitspieler so in Not. Bitter auch sein gedanklicher Aussetzer im Derby, der den Ausgleich verhinderte.

Weiser (r.) bedrängt die HSV-Mauer, Duckschs Treffer zählt nicht
Weiser (r.) bedrängt die HSV-Mauer, Duckschs Treffer zählt nicht

Die logische Konsequenz: Coach Anfang setzte Weiser zuletzt auf die Bank. Seine unmissverständliche Ansage: "Ich finde es schwierig zu sagen: Weil er Mitch Weiser heißt, muss er auch spielen. Ich finde, es sollte auch mit dem Leistungsgedanken zusammenhängen."

Transfer-Note: 4,0

Nicolai Rapp | Mittelfeld | Ablöse: ca. 200.000 Euro

Anfangs zweites Mitbringsel aus Darmstadt macht sich bislang besser als Lars Lukas Mai. Rapp ist sicher kein Spieler, der große Fantasie weckt, aber ein fleißiger Arbeiter für die Mannschaft.

Wo auch immer er gebraucht wird, der Allrounder hilft aus. Seinen schlimmen Blackout in Darmstadt, als er einen Gegentreffer mit einem schlampigen Rückpass quasi allein zu verantworten hatte, machte er eine Woche später mit seinem zweiten Saisontor gegen Sandhausen wieder wett.

Sollte der SVW im Winter endlich den seit Jahren benötigten Sechser verpflichten, könnte Rapp auch mal auf der Bank landen. Zum Problem werden dürfte das aber nicht, gilt der 24-Jährige doch als absoluter Teamplayer.

Transfer-Note: 3,0

Marvin Ducksch | Sturm | Ablöse: ca. 3,5 Millionen Euro

Werders Königs-Transfer wird seiner neuen Rolle als Dreh- und Angelpunkt der Offensive bislang vollauf gerecht. Ducksch ist einsatzfreudig, spielintelligent und überaus torgefährlich.

Fünf Tore und zwei Vorlagen in acht Einsätzen sprechen für die Qualitäten des gebürtigen Dortmunders, der freilich schon Chancen für zehn Treffer hatte. Dennoch tut er Werder gut - künftig womöglich als Teil einer Doppelspitze mit Niclas Füllkrug.

Einziger Kritikpunkt: Zum Zeitpunkt des Transfers lief Duckschs Vertrag bei Hannover 96 nur noch zehn Monate. Einen Großteil des engen Budgets in den Stürmer zu investieren, war zweifellos nicht Frank Baumanns Wunschszenario. Der gigantische öffentliche Druck vor Ende der Wechsel-Frist machte die Entscheidung allerdings alternativlos.

96-Sportdirektor Marcus Mann frohlockte via "Bild": "In Pandemie-Zeiten eine solche Summe zu erzielen, ist außergewöhnlich. Das zeigen auch die vielen Reaktionen von Marktteilnehmern, die nachgefragt haben, ob die Summe wirklich stimmt."

Transfer-Note: 2,0

Roger Assalé | Sturm | ausgeliehen von Dijon FCO

Markus Anfang lässt seine Teams am liebsten in einem 4-3-3 spielen. Für dieses System braucht er technisch starke Flügelstürmer, die den Neuner im Zentrum bedienen oder selbst für Gefahr sorgen.

Baumanns seltsame Reaktion: Der beim KSC zuvor auffällige SVW-Rechtsaußen Benjamin Goller wurde erneut verliehen, im Gegenzug zunächst aber kein Ersatz geholt. Erst kurz vor Toreschluss wurde Roger Assalé ausgeliehen - ein Mittel- bzw. Halbstürmer, der nicht einmal ein Viertel seiner bisherigen Profispiele auf einem der Flügel absolviert hat.

Viel schlimmer: Assalé spricht weder Deutsch noch Englisch und versteht die Anweisungen von Trainer Anfang offenbar nicht. Anders sind die völlig konfusen Auftritte des Ivorers kaum zu erklären.

Dramatisch war seine Joker-Leistung beim 0:3 in Dresden Ende September: Gleich mehrfach verweigerte der in Bern einst starke 27-Jährige die Zweikämpfe, schenkte Bälle emotionslos her und war letztendlich an zwei Gegentoren direkt beteiligt. Seither hat ihn Markus Anfang vier Mal in Serie über 90 Minuten auf der Bank schmoren lassen.

Werders "Leiter Profifußball" Clemens Fritz nahm Assalé kürzlich zwar in Schutz und kündigte an, dass man in Bremen "noch viel Spaß" mit dem Angreifer haben werde. Es scheint jedoch alles andere als ausgeschlossen, dass dieses riesige Missverständnis bereits im Winter beendet wird.

Transfer-Note: 6,0

Heiko Lütkehus

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