24.09.2021 09:08 Uhr

Wie Nagelsmann beim FC Bayern Flick vergessen lässt

Julian Nagelsmann bejubelt einen der insgesamt 20 Bundesliga-Treffer des FC Bayern in dieser Saison
Julian Nagelsmann bejubelt einen der insgesamt 20 Bundesliga-Treffer des FC Bayern in dieser Saison

Julian Nagelsmann ist der Einstand beim deutschen Fußball-Rekordmeister FC Bayern mehr als geglückt. Die Münchner Stars schwärmen regelrecht vom neuen Trainer, der Triple-Coach Hansi Flick an der Säbener Straße nach nur wenigen Wochen vergessen lässt. Ist der Fußball unter dem 34-Jährigen etwa schon jetzt besser als der unter dem heutigen Bundestrainer?

Tabellenführung in der Bundesliga nach fünf Spieltagen, dazu ein Pflicht-Kantersieg in der ersten Pokalrunde und ein fulminanter Auftritt beim FC Barcelona in der Champions League: Der FC Bayern kann sehr zufrieden mit der bisherigen Ausbeute sein, wenngleich erste Kritiker schon nach dem 1:1 zum Liga-Start gegen Gladbach zu Wort kamen.

Denn das Debüt von Julian Nagelsmann beim FC Bayern Mitte August offenbarte, dass gleich mehrere Baustellen zu lösen sind. Da wäre zum einen die mangelnde Chancenverwertung - elf Möglichkeiten benötigten die Münchner für das einzige Tor von Robert Lewandowski. Und da wäre zum anderen die unzureichende Defensivarbeit, denn es lag auch an Schlussmann Manuel Neuer, dass Gladbach selbst nur ein Tor erzielte. 

"Bei Ballverlust müssen wir eine gute Restverteidigung haben und im Gegenpressing effizienter sein", monierte Nagelsmann. In der Spieleröffnung beklagte er zudem "unglaublich viele" Fehler.

FC Bayern schließt Baustellen in Windeseile

Wenige Wochen später sind solche Aussagen von Julian Nagelsmann nicht mehr zu vernehmen. Mittlerweile zählt seine Mannschaft zu den effizientesten der Liga: Während der BVB in seinen bisherigen Spielen 29 Prozent seiner Chancen in Tore umwandelte und der Zweitplatzierte aus Wolfsburg gar nur auf 20 Prozent kommt, liegt der Wert beim FC Bayern bislang bei 40 Prozent. Gleichzeitig ist dies eine Steigerung von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr unter Flick - wenngleich die unterschiedliche Anzahl an Spielen hier ein verzerrtes Bild abgibt.

Mit 20 Toren stellt der FC Bayern, wie schon in den letzten Jahren, zudem die beste Offensive des Oberhauses. Robert Lewandowski knüpft nahtlos an seine Rekord-Saison an, doch auch die weiteren Offensiv-Akteure wie Serge Gnabry, Jamal Musiala, Thomas Müller oder Leroy Sané sind früh in Fahrt gekommen - wenngleich sie alle bereits kleinere verletzungsbedingte Rückschläge zu verzeichnen hatten.

Im Fall Sané half wohl auch Nagelsmann entscheidend mit: Nachdem Sané unter Flick noch nicht zünden wollte und dann zum Saisonbeginn bei Teilen der Fans in Ungnade gefallen war, zeigt der 25-Jährige nun ein anderes Gesicht - allerdings auf der linken, für Sané vorteilhafteren, Seite. Seit dem Pokalspiel gegen den Bremer SV lieferte er in jedem Spiel eine direkte Torbeteiligung.

Die von Nagelsmann angekreidete Defensivschwäche scheint ebenso vorerst abgestellt zu sein, zumal sich auch die Personalsituation nach und nach entschärfte. In Zahlen: Unter ihm wurden bislang 61 Prozent der Defensivzweikämpfe gewonnen, in der Vorsaison waren es nur 53 Prozent. Auch diese Werte müssen sich aber erst im Verlauf der Saison bewähren.

Nagelsmann gewinnt Respekt und Vertrauen der Bayern-Stars

Eine von Julian Nagelsmanns weiteren Hauptaufgaben in den Anfangswochen war es, zügig eine Bindung zur mit Stars besetzten Mannschaft zu finden. Als junger, gerade einmal 34-jähriger Trainer keine allzu einfache Aufgabe. 

Schenkt man Führungsspielern wie Manuel Neuer Glauben, ist es dem gebürtigen Landshuter aber bislang gelungen, eine gute Atmosphäre zwischen Mannschaft und Trainerteam herzustellen. Neuer äußerte jüngst etwa seinen Respekt vor der "akribischen" Art des Trainers, wie die Mannschaft auf kommende Gegner vorbereitet wird. Der Coach mache keinen Unterschied zwischen einem Spiel beim Aufsteiger VfL Bochum oder beim Champions-League-Gegner FC Barcelona.

Wie hoch das Vertrauen der Stars des FC Bayern in Julian Nagelsmann nach nur wenigen Wochen ist, dürften auch die Entscheidungen von Joshua Kimmich und Leon Goretzka zeigen. Das Mittelfeld-Duo verlängerte jeweils langfristig beim FC Bayern, andere Stars wie Serge Gnabry dürften bald folgen.

Nagelsmann setzt auf Altbewährtes und hat ein klares Ziel

Lob erhielt der ehemalige Hoffenheimer und Leipziger zudem von Bayern-Ikone und Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. Der "Sky"-Experte gab Nagelsmann die Note eins für sein bisheriges Abschneiden - auch, weil er "clever genug" sei, "beim FC Bayern nicht gleich alles auf den Kopf stellen zu wollen".

Einige seiner Vorgänger hätten zu Beginn ihrer Amtszeit in München ein "Zeichen setzen" wollen, Nagelsmann habe aber nur "ein paar Kleinigkeiten verändert". Im Grunde, so Matthäus, "gehört das 4-2-3-1-System seit circa zehn Jahren zur Bayern-DNA", Hansi Flick habe seinem Nachfolger eine gute Grundlage übergeben.

Julian Nagelsmann selbst ist derweil längst noch nicht zufrieden mit dem Spiel seiner Mannschaft. Es gäbe noch einige Dinge zu verbessern, erklärte er auf der Pressekonferenz vor der Partie gegen Greuther Fürth (Freitag, 20:30 Uhr).

Sein Ziel: Der FC Bayern soll nicht nur dank der "Einzelspielerqualität" gewinnen, vielmehr soll die Mannschaft im taktischen Bereich als Einheit fungieren. Dies habe beim knappen Sieg gegen Köln (3:2) oder etwa in der zweiten Halbzeit gegen RB Leipzig (4:1) noch nicht gut funktioniert.

Wenn Julian Nagelsmann auch diese Baustelle in Windeseile behebt, dürfte Hansi Flick auch auf Dauer mehr und mehr in Vergessenheit geraten.

Gerrit Kleiböhmer

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten