23.09.2021 12:41 Uhr

32 Jahre nach Hillsborough: Stehplätze kein Tabu mehr

In England wird über die Wiedereinführung von Stehplätzen debattiert
In England wird über die Wiedereinführung von Stehplätzen debattiert

Ein Pilotprojekt, das mittelfristig zur Rücknahme des Verbotes von Stehplätzen in den ersten beiden englischen Profiligen führen könnte, stößt im Mutterland des Fußballs auf breite Zustimmung.

Der tragische Tod ihres Sohnes James schmerzt Margaret Aspinall auch noch nach 32 Jahren. Und doch begrüßt sie Bestrebungen im Mutterland des Fußballs, dass seit 1994 geltende Verbot von Stehplätzen in den Stadien der beiden höchsten englischen Profiligen mit Hilfe eines Pilotprojekts auf den Prüfstand zu stellen.

"Die Dinge haben sich geändert und wir müssen mit der Zeit gehen. Aber eine schnelle Lösung darf es nicht geben, wir müssen es langsam angehen", erklärte Aspinall. Ihr Sohn kam 1989 ums Leben, als beim Halbfinale im FA-Cup zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest im Hillsborough-Stadion von Sheffield bei einem Massengedränge auf einer überfüllten Tribüne 97 Menschen starben.

Lange galten die vermeintlich schlecht gesicherten Stehplätze als Auslöser der Katastrophe. Doch nicht zuletzt ergaben auch Ermittlungen der von Hinterbliebenen gegründeten und später wieder aufgelösten Hillsborough Family Support Group (HFSG), dass es seinerzeit auch bei der örtlichen Polizei zu schweren Versäumnissen kam. Aspinall, ehemalige HFSG-Vorsitzende, unterstützt dennoch den sich abzeichnenden Neubeginn: "Wenn dieses Projekt gut überwacht wird, ist es in Ordnung."

Stehplatzblock bei Celtic Glasgow

Die Pläne sehen vor, dass sich interessierte Klubs bis zum 6. Oktober für eine Teilnahme bewerben können. Testphase ist dann die erste Jahreshälfte 2022. Die Sports Grounds Safety Authority, ein Regierungsbeirat, soll das Projekt eng begleiten und am Ende nach sechs Monaten ergebnisoffen bewerten.

Der möglicherweise entscheidende Unterschied zu den Stehplatzrängen alter Prägung: Auf den Tribünen werden klappbare Sitze angeboten, dessen ungeachtet darf dort aber ganz legal gestanden werden. Zusätzliche Sicherheit bringen sollen Metallschienen zwischen jeder Reihe, an denen sich die Besucher nach Bedarf festhalten können.

So argumentiert auch Nigel Huddleston. "Es gibt Beweise dafür, dass die Installationen von Sitzgelegenheiten mit Barrieren einen positiven Einfluss auf die Sicherheit der Menschenmenge haben würde", sagte der britische Sportminister. Bei Celtic Glasgow wurde schon vor fünf Jahren wieder ein Stehplatzblock installiert - bislang ohne Probleme.

"Die Atmosphäre wird sich verbessern"

Folgerichtig wünscht sich auch die Fanszene eine Rückbesinnung. "Es ist eine lange Tradition, dass Fans zwischen Sitz- und Stehplätzen auswählen können. Die Atmosphäre wird sich verbessern", hieß es in einer offiziellen Erklärung der "Football Supporters' Association".

Seit dem Wegfall der günstigeren Stehplatztickets ist in der Tat ein Stimmungsumschwung in den Arenen zu verzeichnen. Für viele Anhänger wurde es immer schwieriger, sich die hochpreisigen Eintrittskarten zu leisten. Viele Fans müssen mittlerweile aus finanziellen Gründen auf einen regelmäßigen Stadionbesuch verzichten.

Aber der "kleine" Fan ist auch ein Wähler und deshalb waren sich die regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour Party schon 2019 einig, das Projekt "Safe Standing" gemeinsam anzuschieben. Die Coronavirus-Pandemie bremste dann auch diesen nicht alltäglichen politischen Schulterschluss brutal aus.

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