18.08.2021 10:54 Uhr

Luhansk seit sieben Jahren ohne echte Heimspiele

Artem Hromow und sein Team haben keine
Artem Hromow und sein Team haben keine "echten" Heimspiele mehr

Rapids Europa-League-Spiel am Donnerstag gegen Sorja Luhansk erinnert einmal mehr daran, dass der Krieg in der Ostukraine 2014/2015 auch Auswirkungen auf den Fußball hatte. Angesichts der Perspektivenlosigkeit in den zwei durch Russland unterstützten "Volksrepubliken" verließen mit Schachtar Donezk und Sorja Luhansk populäre Teams die Region in Richtung anderer ukrainischer Städte. In Luhansk sind die pro-russischen Machthaber bestrebt, Sorja aus dem Bewusstsein zu tilgen.

Sieben Jahre nach den dramatischen Ereignissen, die abgesehen von Kriegshandlungen zwischen ukrainischen Einheiten und von Russland unterstützten Freischärlern auch zur De-facto-Abspaltung eines großen Teils der Region Luhansk von der Ukraine führte, geben sich die Verantwortlichen von Sorja auffällig zurückhaltend: Auf der offiziellen Homepage des 1923 gegründeten Vereins informieren sie lediglich in wenigen lapidaren Zeilen, dass ukrainische Heimspiele seit dem Sommer 2014 nicht mehr im heimatlichen "Avantgard-Stadion" in Luhansk, sondern in der deutlich kleineren "Slawutytsch-Arena" in Saporischschja stattfinden - kein Nachteil für Rapid.

>> Liveticker: Rapid Wien gegen Sorja Luhansk

In Friedenszeiten hätte man die 400 Kilometer zwischen diesen beiden Städten in sieben Stunden überwinden können. Angesichts von Kontrollpunkten an der informellen Grenze zur "Luhansker Volksrepublik" (LNR) dauert dies mittlerweile deutlich länger, seit Beginn der Corona-Pandemie war die Passage bisweilen auch völlig unmöglich. Von Heimspielen kann keine Rede mehr sein.

"Die Mannschaft hätte nicht in diesem Irrenhaus hier bleiben können, das hätte ins Nichts geführt", kommentierte die Übersiedlung des Vereins ein in Luhansk lebender Gesprächspartner der APA. Er wollte nicht genannt werden. Die von keinem anerkannten Staat anerkannte "Volksrepublik Luhansk" wurde wiederholt als Militärdiktatur charakterisiert, Menschenrechte wie Meinungsfreiheit spielen hier keine Rolle.

Ukrainische Ultras unterstützten pro-westlichen Euromaidan

Während von Übergriffen gegen die Fußballmannschaft selbst nichts bekannt wurde, betraf diese politische Situation jedoch den harten Kern der Sorja-Fans. Wie überall in der Ukraine stellten sich auch Ultras dieses Vereins 2014 auf die Seite des Euromaidan und begannen im Februar 2014, pro-westliche Demonstrationen in Luhansk vor etwaigen Übergriffen zu schützen. Als nach der Plünderung von Waffenkammern im April 2014 jedoch pro-russische Kräfte die Kontrolle über die Stadt übernahmen, sahen sich die meisten Ultras von Sorja zur Flucht genötigt.

Aber auch im "Exil" machten sie aus ihrer Haltung kein Hehl: Bei einer bereits in Kiew ausgetragenen Begegnung ihrer Mannschaft mit dem albanischen KF Laci skandierten sie im Juli 2014 jenen derben Sprechchor, mit dem ukrainische Fußballfans ihre Abneigung gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Ausdruck bringen.

"Die Ultras sind weg, einfache Fans leben aber noch immer in der Stadt", erzählte der langjährige Sorja-Fan Jewhen in einem Telefonat mit der APA. Diese Anhänger könnten dies jedoch nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen, da man einerseits nicht mehr in das Stadion gehen könne und auch in Bars keine Spiele von Sorja gezeigt würden, beklagte er.

Die lokalen Machthaber vor Ort täten nun so, als ob es die aktuelle Mannschaft nicht mehr geben würde, betonte Jewhen, der selbst im Juli 2014 seine Heimatstadt hatte verlassen müssen.

In offiziellen Veröffentlichungen der "Volksrepublik" werden die aktuellen internationalen Erfolge von Sorja Luhansk jedenfalls nicht erwähnt. Als Sorja-Veteranen, die 1972 zum sowjetischen Meistertitel der Mannschaft beigetragen hatten, im April 2021 zu Ehrenbürgern von Luhansk erklärt wurden, hieß es lediglich, dass der Fußballclub lange Zeit die sportliche Visitenkarte der Stadt gewesen sei.

Fans wie Jewhen hoffen jedoch, dass Sorja früher oder später wieder zurückkehren könnte. "Wenn Luhansk befreit wird und vor Ort wieder staatliche ukrainische Strukturen entstehen, kehrt auch die Mannschaft zurück", erklärte er. Zumal es vor dem Krieg große Pläne für ein neues Stadion und eine Trainingsbasis gegeben habe.

apa

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