13.07.2021 15:23 Uhr

Chance für Talente! Nagelsmanns Abwehrpuzzle bei Bayern

Muss Omar Richards beim FC Bayern bald Verantwortung übernehmen.
Muss Omar Richards beim FC Bayern bald Verantwortung übernehmen.

Nach den Abgängen von Jérôme Boateng und David Alaba findet in der Abwehr derzeit der größte Umbruch beim FC Bayern statt. Da zudem gleich mehrere Stammspieler den Saisonstart wohl verpassen werden, muss Trainer Julian Nagelsmann nach Alternativen suchen. Kommt nun die Zeit der unkonventionellen Lösungen?

Die Amtszeit des neuen Bayern-Trainers Julian Nagelsmann in München hätte sicherlich besser beginnen können. Nach der EM muss der neue Chef an der Säbener Straße eine Woche nach dem offiziellen Trainingsstart am 5. Juli noch immer auf etliche Nationalspieler verzichten, die ihren verlängerten Urlaub genießen. Und nun häufen sich beim Rekordmeister auch noch die Verletzungsmeldungen.

Schon länger bekannt ist, dass sich Lucas Hernández bei der Europameisterschaft einen Einriss im Innenmeniskus zugezogen hat und operiert werden musste. Vergangenes Wochenende erlitt dann Linksverteidiger Alphonso Davies bei der Vorbereitung auf den Gold Cup mit Kanada einen Außenbandriss im Sprunggelenk. 

Zwar gab es bei Hernández prompt positive Nachrichten, dass die OP gut verlaufen sei. Einem Bericht des "kicker" zufolge werde der designierte Abwehrchef den Saisonstart im DFB-Pokal gegen den Bremer SV am 7. August aber definitiv verpassen. Das erste Bundesligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach am 13. August komme für ihn ebenfalls zu früh. 

Ähnliches dürfte nun auch für Davies gelten. Wie der Klub bekanntgab, werde der 20-Jährige konservativ - also ohne operativen Eingriff - behandelt. Dennoch gehen Schätzungen von einer Ausfallzeit von vier bis sechs Wochen aus. 

Umbau-Maßnahmen im Abwehrzentrum 

In der nach den Abgängen von David Alaba (Real Madrid) und Jérôme Boateng (unbekannt) ohnehin durchgewürfelten Abwehr ist damit noch einmal einiges mehr durcheinander geraten. Panik bricht in München aber auch nach den Ausfällen der Stammkräfte erst einmal nicht aus. 

Sportvorstand Hasan Salihamidzic schloss weitere Neuzugänge am Dienstag kategorisch aus: "Auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, ist nicht das, was wir wollen. Das sind alles Verletzungen, die nur ein paar Wochen dauern, deshalb wollen wir das überbrücken. Für den Trainer ist das natürlich nicht schön, aber wir haben einen guten Kader und eine gute Besetzung", stellte er klar.

Und tatsächlich hat der FC Bayern durchaus interessante Spieler in seinen Reihe, die bereit wären, die unverhoffte Herausforderung anzunehmen.

Dayot Upamecano (45 Millionen Euro von RB Leipzig) steht bereits seit Februar als Königstransfer fest und wird eine zentrale Rolle beim FC Bayern übernehmen. Auch Omar Richards, der eher als Perspektivspieler geholt wurde, könnte nun schneller als gedacht wichtig werden. 

Der 23-jährige Linksverteidiger kam im Sommer ablösefrei vom FC Reading aus der zweiten englischen Liga und wäre im Fall des zu erwartenden Davies-Ausfall wohl die erste Alternative für den Saisonauftakt.

Dass die Bayern-Verantwortlichen ihm den nächsten Schritt auf deutlich höherem Niveau zutrauen, machte Salihamidzic bei Vorstellung deutlich.

"Er hört gut zu und der Trainer macht viel individuell mit ihm. Er saugt alles auf und will sich entwickeln. Klar ist die Bundesliga ein Sprung für ihn. Aber wir sind sicher, dass wir an ihm viel Freude haben werden", so der 44-Jährige.

Dass Richards die volle Vorbereitung unter Nagelsmann absolvieren wird und so dessen taktische Ideen und Anforderungen bestens kennenlernt, dürfte ein weiteres Argument für den Engländer sein.

Bei seiner Vorstellung gab sich auch Richard bereits kämpferisch: "Wenn sich eine Möglichkeit ergibt, muss du da sein. Ich sauge alles auf und stehe bereit, wenn ich gebraucht werde."

Spielerentwickler Nagelsmann voll in seinem Element?

Auch in der Innenverteidigung, wo Hernández in der kommenden Spielzeit eingeplant ist, stünden spannende Alternativen parat - selbst wenn auch Niklas Süle und Benjamin Pavard nach EM und verkürzter Vorbereitung zumindest im Pokal noch eine Pause erhalten sollten. 

Bereits unter Ex-Trainer Hansi Flick wurde der 19-jährige Tanguy Nianzou, den Brazzo bei jeder Gelegenheit als eines der "größten Talente seines Jahrganges" hervorhebt, nach langen Verletzungssorgen langsam an die Mannschaft herangeführt. 

Weiterhin rückte zuletzt U23-Zögling Josip Stanisic, der unter Flick ebenfalls ein Bundesligaspiel absolvieren durfte, in den Fokus. Laut dem "kicker" ist der variable Abwehrspieler nach seiner Vertragsverlängerung inzwischen in der Profimannschaft sogar fest als Backup auf der rechten Defensivseite eingeplant. 

"Wir trauen ihm zu, diesen ganz wichtigen Schritt ins Profiteam so gut zu setzen, wie ihm das bisher auf dem Campus gelungen ist", sagte Salihamidzic jüngst über den 21-Jährige, der bald in die Schuhe des bislang enttäuschenden Bouna Sarr schlüpfen könnte. 

Unter Nagelsmann scheint eine solche Jugendoffensive bei den Münchnern denkbarer denn je. Der 33-Jährige baute in seinen bisherigen Trainer-Stationen bei 1899 Hoffenheim und RB Leipzig vielfach auf Nachwuchsspieler und gilt als äußerst kompetent in der Entwicklung junger Talente. 

Ob die Youngster für Nagelsmann schon weit genug sind, um Verantwortung zu übernehmen und seinen taktisch anspruchsvollen Fußball umzusetzen, muss sich im Laufe der Vorbereitung zeigen. 

Einen Backup-Plan hat der neuen Cheftrainer aber sicherlich schon in der Hinterhand. Dass er sich stets auch mit unkonventionellen Alternativen beschäftigt, machte Nagelsmann am Wochenende im Gespräch mit der "Bild am Sonntag" deutlich. Dort betonte der Flick-Nachfolger, dass für ihn zumindest auf dem Papier auch Angreifer Serge Gnabry ein potentieller Rechtsverteidiger sei. 

"Es geht immer darum zu überlegen: Wie spielen unsere Gegner? Von daher kann es eine Option sein, aber sicher nicht die Lösung für 34 Spieltage. Er hat es in Hoffenheim bei mir tatsächlich schon mal gespielt, ist aber für mich keine 1A-Lösung", führte er aus.

Womöglich geben die Testspiele bald einen ersten Fingerzeig, was Nagelsmann vorhat. Am 17. Juli steht für den Rekordmeister das erste Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Köln an. 

Jonas Hofmann

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