02.07.2021 08:07 Uhr

Thomas Meunier: Vom BVB-Problemfall zum Problemlöser?

Thomas Meunier konnte in seiner Debüt-Saison beim BVB nicht überzeugen
Thomas Meunier konnte in seiner Debüt-Saison beim BVB nicht überzeugen

Der vermeintliche Transfer-Coup Thomas Meunier entpuppte sich bei Borussia Dortmund mehr als Schwachstelle denn als Verstärkung. Doch der Belgier zeigte bislang bei der Europameisterschaft, zu welchen Höchstleistungen er fähig ist. Was lief beim BVB bisher falsch? Und was kann sich die Borussia in Zukunft von Meunier versprechen?

Es war die nächste Enttäuschung dieser von Enttäuschungen durchzogenen Saison für Thomas Meunier.

Belgiens Nationaltrainer Roberto Martínez gab beim EM-Auftakt gegen Russland Leicester-Profi Timothy Castagne den Vorzug. Meunier, der schon beim BVB seinen Stammplatz hatte abgeben müssen, saß nur auf der Bank - bis zur 27. Minute, die für den Dortmunder zum Wendepunkt wurde.

Castagne verletzte sich nach einem Zusammenprall schwer im Gesicht, Meunier kam aufs Feld. Keine sieben Minuten später schlich sich der neue Mann in den Rücken der russischen Abwehr, hob beinahe flehend für mehrere Augenblicke den Arm um anzuzeigen, wie unbewacht er an der Strafraumgrenze steht.

Angespielt wurde er zwar nicht, aber als die Hereingabe von BVB-Kollege Thorgan Hazard vom Torwart in die Mitte gefaustet wurde, war Meunier zur Stelle - 2:0 für Belgien.

Kurz vor Spielende, Belgien ließ in seinem 3-4-3-System Ball und Gegner laufen, hatte Meunier noch einen weiteren Geistesblitz. Ballannahme auf Höhe der Mittellinie, kurzer Laufweg in die Mitte, wo er blitzschnell erkannte, wie viel Raum ihm zur Verfügung stand. Es folgte der perfekte Pass in die Schnittstelle auf Angreifer Romelu Lukaku - das 3:0. So mancher BVB-Fan dürfte sich angesichts dieser Szenen verwundert die Augen gerieben haben.

Schon so viele Scorerpunkte wie in einer BVB-Saison

"Er war vorbildlich", lobte Coach Martínez anschließend seinen Joker: "Ich bin sehr stolz auf seine Reaktion." Meunier spielte auch gegen Dänemark (2:1) und Portugal (1:0) von Beginn an. Allein im nicht mehr so wichtigen Spiel gegen Finnland (2:0) rotierte der 29-Jährige aus der belgischen Startelf.

Was Meunier im Dress der Roten Teufel anders macht als im BVB-Trikot? Kurz gesagt: Fast alles.

Wenn er spielt, macht er Dampf über die rechte Seite, bietet sich im Spielaufbau sowie im Angriff an. Zudem stimmte das Defensivverhalten: Im Achtelfinale gegen Portugal etwa waren Meuniers Zweikampfwerte (75 Prozent) beeindruckend und deutlich besser als die seines linken Gegenparts Thorgan Hazard (31 Prozent), der seine Qualitäten natürlich in der Offensive hat und dort andere Freiheiten genießt.

Und Meunier bereitete den Siegtreffer Hazards vor. Auch hier war er an der Strafraumkante zu finden - es war sein dritter Scorerpunkt bei der EM. Für diese Ausbeute hatte der Routinier beim BVB in der abgelaufenen Saison 33 Pflichtspiele benötigt.

Thomas Meunier beim BVB zu anfällig für Fehler

Meuniers Leistungen in seinem Debüt-Jahr in Schwarz und Gelb waren derart ernüchternd, dass der BVB seine Position auf der rechten Abwehrseite laut "Ruhr Nachrichten" gar schon erneut zur Ausschreibung frei gegeben hat. Defensiv wie offensiv präsentierte sich der frühere PSG-Profi schlicht zu fehlerhaft.

Zu einfach wäre es allerdings, Meuniers Probleme beim BVB allein aufs System zu schieben. Zwar wechselte gerade Ex-Trainer Lucien Favre zu Saisonbeginn zwischen Vierer- und Dreierkette. Doch auch als klassischer Rechtsverteidiger kam Meunier im weiteren Saisonverlauf unter Edin Terzic allzu oft in die Bredouille. Zumal er beide Rollen aus der Nationalmannschaft gut kennen sollte. 

Seine Schwächen lagen im Zweikampfverhalten (53 Prozent gewonnene Duelle in der Bundesliga) sowie bei der Passgenauigkeit (82 Prozent erfolgreiche Zuspiele). Auch nahm Meuniers Selbstvertrauen in Dortmund von Woche zu Woche spürbar ab. Im erfolgreichen Saison-Endspurt zwischen April und Mai erhielt er nur noch magere 99 Minuten Einsatzzeit.

"Diese Saison war keine gute von mir", gestand Meunier anschließend ohne Umschweife gegenüber "Spox" und "Goal" ein und offenbarte zudem, dass es seitens des Vereins bereits ernste Gespräche über die schwachen Leistungen gegeben habe. Im Sommer soll nun der Restart gelingen. "Es geht jetzt nochmal von vorne los, als hätte ich gerade erst in Dortmund unterschrieben", sagte Meunier.

BVB und die Problemzone auf der rechten Abwehrseite

Um langfristig die Diskussionen um seine Person zu beenden, muss er den EM-Schwung unbedingt mit in die (kurze) Sommervorbereitung nehmen.

Das Problem: Je nachdem wie lange Belgien, das am Freitag im Viertelfinale auf Co-Gastgeber Italien trifft, im Turnier bleibt, muss der neue Trainer Marco Rose lange auf Meunier warten.

Lediglich auf Felix Passlack und Marius Wolf kann Rose bis dahin rechts hinten zurückgreifen. Mateu Morey, der sich den Stammplatz zuletzt erkämpfte, wird aufgrund seiner schweren Knieverletzung noch lange fehlen. Emre Can, der ebenfalls schon Einsätze als Rechtsverteidiger absolvierte, ist allenfalls eine Notlösung.

So bleibt die Dortmunder Problemzone in den kommenden Wochen vorerst bestehen. Nur einer könnte sie zum Saisonstart beheben: Thomas Meunier, sofern er sein EM-Gesicht zeigt.

Gerrit Kleiböhmer

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