23.06.2021 11:52 Uhr

Sané am Scheideweg: Schönwetter- oder Weltklassespieler?

Leroy Sané kann beim FC Bayern und im DFB-Team nicht immer überzeugen
Leroy Sané kann beim FC Bayern und im DFB-Team nicht immer überzeugen

26 Spieler vertreten die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der bei der EM-Endrunde, kein einziger spaltet die Fußball-Nation dabei wohl so wie Leroy Sané vom FC Bayern München. Der 25-Jährige befindet sich (mal wieder) am Scheideweg.

Er habe "keinen Mehrwert gebracht", seine Einwechselung sei "eher kontraproduktiv" gewesen, er wirke oft "lustlos", sei "nicht lernfähig genug", erscheine wie "ein Fremdkörper", sein Ex-Coach Pep Guardiola habe "ihn aufgegeben" und "mit einem fröhlichen Lächeln ziehen lassen" - die Worte, die sich Sané in den vergangenen Wochen anhören musste, strotzen nur so vor Kritik.

Völlig von der Hand weisen lassen sich die Anschuldigungen, die aus den Mündern der Experten um DFB-Legende Lothar Matthäus regelmäßig auf den Flügelflitzer einprasseln, zwar nicht, eine gewisse Fairness lassen sie allerdings vermissen. 

Sanés Problem ist sein unglaubliches Talent. Denn mit diesem, da sind sich ausnahmsweise alle Experten einig, ist der Spieler aus der Knappenschmiede des FC Schalke 04 über alle Maßen gesegnet. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Offensivspieler - manchmal zu hoch.

Klar, Was Sané mit dem Ball anstellen kann, ist im deutschen Fußball derzeit vielleicht einzigartig, zumindest aber selten. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass der gebürtige Essener kein typischer Mentalitätsspieler ist: Sané ist kein Lautsprecher, Sané peitscht Fans und Mitspieler nicht an. Aber darf bzw. kann man das von Sané überhaupt erwarten?

Ex-Nationalspieler Matthias Sammer, seinerseits wohl die Blaupause für einen Anführer auf dem Grün, urteilte gegenüber "t-online", es entspreche schlicht der "falschen Denkweise", Sané plötzlich zum Führungsspieler machen zu wollen. 

Fehlt Sané im DFB-Team die Wohlfühlatmosphäre?

Vielmehr ist es der Edeltechniker, der manchmal mitgerissen werden muss. So geschehen beim wenig überzeugenden 1:1 gegen Dänemark im Vorfeld der EM, als Joshua Kimmich seinen Teamkollegen anherrschte: "Hör auf zu jammern, Alter!" - Nicht das erste Mal, dass Sané im DFB-Team aneckte.

Selbige Mitspieler sind es aber auch, die teils gebetsmühlenartig hervorheben, welche unglaublichen Fähigkeiten Sané zur Verfügung stehen. Sané könne das Team "gerade in den großen und wichtigen Spielen tragen", lobte Kimmich im Gespräch mit "Spox", Sané sei "ein Geschenk für jede Mannschaft", schwärmte Robin Gosens gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Bundestrainer Joachim Löw lobte zuletzt sogar die "extrem guten Momente" von Sané bei der Defensivarbeit.


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Das Lob kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Trend im DFB-Team aktuell deutlich gegen Sané spricht. Im Test gegen Dänemark war der Bayern-Star Teil der Startelf, beim folgenden 7:1 gegen Lettland spielte er die nur noch die zweiten 45 Minuten, zum EM-Auftakt (0:1 gegen Frankreich) bekam Sané 16 Minuten und gegen Portugal (4:2) reichte es nur noch für drei magere Minuten.

Werte, die nicht für die Wohlfühlatmosphäre sorgen, die Sané benötigt, um seine besten Leistungen abzurufen. "Er muss generell das Selbstverständnis haben zu spielen, dann ist er unglaublich", bestätigte Sanés langjähriger Weggefährte bei Manchester City und im DFB-Team, Ilkay Gündogan, nach dem EM-Auftakt gegen Frankreich.

Schönwetter- oder Weltklassespieler?

Das Vorurteil des Schönwetterspielers Sané hat der langjährige England-Legionär in der Vergangenheit allerdings durchaus bereits selbst entkräftet. Beim schwachen 1:1 des FC Bayern gegen den SC Freiburg war Sané im Mai 2021 bester Spieler auf dem Rasen, auch beim müden 1:1 gegen in extrem bissiges Union Berlin gehörte Sané im April zu den wenigen Lichtblicken der Münchner. 

"Wir bilden uns eine Meinung anhand von Körpersprache oder Gestik. Wie der Spieler wirklich ist, wissen wir doch gar nicht. Wie er in der Kabine ist, ob er im Team voll akzeptiert ist, ober er locker oder gut drauf ist", moniert der 79-malige Nationalspieler Torsten Frings bei "Sky". Ihm tue Sané "fast schon ein bisschen leid, weil immer das Negative herausgeholt wird, wenn es nicht läuft. Wenn er drei Tore macht, wird gesagt: 'Der könnte mal ein Weltklassespieler werden'."

Sollte sich Frings' Kritik an der öffentlichen Wahrnehmung von Sané bei dieser EM noch bestätigen, dürfte dies den deutschen Fußball-Fans dennoch gefallen. Eine Chance, sein Können auf den Platz zu bringen, könnte sich Sané zumindest in Kürze bieten. Nachdem Thomas Müller zumindest gegen Ungarn auszufallen droht, spricht einiges für einen Startelfeinsatz von Sané. Würde der Linksfuß diesen mit drei Toren krönen, dürfte Weltklasse noch zum zurückhaltenden Echo der Medienlandschaft zählen.

Marc Affeldt

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