22.06.2021 16:42 Uhr

EURO 2020: Eine Europameisterschaft, viele Besonderheiten

EURO 2020: Zum Finale ins Wembley Stadion
EURO 2020: Zum Finale ins Wembley Stadion

Mit einem Jahr Verspätung starten die besten europäischen Nationalmannschaften am 11. Juni 2021 in die UEFA EURO 2020. Nicht nur die von der Corona-Pandemie bedingten Umstände machen das Jubiläumsturnier zu etwas Besonderem.

Dass es keine Europameisterschaft wie andere zuvor werden würde, dafür hatte der damalige UEFA-Präsident Michel Platini bereits frühzeitig die Weichen gestellt. Schon im Sommer 2012 warb er für die Idee eines europaweiten Turniers, um das 60-jährige Jubiläum des Wettbewerbs zu begehen. Im Dezember 2012 fiel bei der UEFA die Entscheidung, diese Idee umzusetzen.

So wird die EM 2020 bzw. 2021 in insgesamt elf europäischen Städten in elf verschiedenen Ländern ausgetragen. Ein Novum, dass weit über die bislang dagewesenen partnerschaftlichen Austragungen in zwei Ländern hinausgeht. Doch die Vielzahl der Austragungsorte ist nicht die einzige Besonderheit dieser Europameisterschaft.

Neuer Modus in der Qualifikation

Für die Qualifikation zur EM-Endrunde wurde bereits ein anderer Weg als bis dahin üblich beschritten. Dafür gab es verschiedene Gründe. Zum Beispiel der geplante Modus mit mehreren Gastgebern. Statt die Mannschaften der Ausrichterländer direkt zu setzen, wurden für die EURO 2020 alle Startplätze ausgespielt.

Allerdings nicht nur im Rahmen der EM-Qualifikationsspiele. Hierüber konnten sich nur 20 der 55 teilnehmenden Teams qualifizieren. Die vier verbliebenen Startplätze gingen an die vier Mannschaften, die sich in den Play-offs der neuen UEFA Nations League durchsetzen konnten – die wiederum die sonst üblichen Play-offs der Qualifikationsrunde ersetzen.

Die parallelen Qualifikationsmöglichkeiten machten den Modus einigermaßen kompliziert. Für die Play-off-Spiele sollten sich grundsätzlich die Gruppensieger der 16 Nations League-Gruppen qualifizieren können – es sei denn, diese Teams hatten sich bereits einen Startplatz über die reguläre EM-Qualifikation sichern können.

Für diesen Fall hatte die UEFA ein Nachrückverfahren festgelegt. Profitiert haben von diesen komplexen Regelungen Ungarn, Slowakei, Schottland und Nordmazedonien, die so die verbliebenen EM-Startplätze erspielen konnten.

Darüber hinaus brachte die Qualifikation ein interessantes Novum hervor, dass es so in der 60-jährigen Geschichte der Europameisterschaft noch nicht gegeben hat: Mit England, Wales und Schottland konnten sich erstmals alle Nationalteams der Insel Großbritannien qualifizieren – und Engländer und Schotten treffen auch gleich in Gruppe D aufeinander.

Die Beteiligung von 24 Mannschaften orientiert sich an der Europameisterschaft von 2016, zu der das Teilnehmerfeld zuletzt aufgestockt worden war. Laut UEFA soll dieser Modus auch für die EURO 2024 in Deutschland gelten, nachdem eine weitere Aufstockung auf 32 Teams diskutiert worden war.

Besonderheiten bei der Auslosung der Endrunde

Bei der Auslosung der Gruppen galten einige besondere Regelungen. Dazu gehörte beispielsweise, dass die Mannschaften qualifizierter Ausrichterverbände automatisch in die Gruppe eingeteilt wurden, der die jeweilige Austragungsstadt zugeteilt war. Da München zusammen mit Baku Gastgeber für die Spiele der Gruppe F ist, wurde das deutsche Team entsprechend dort eingeteilt. Verbunden mit dieser Regelung sind mindestens zwei Heimspiele, allerdings gilt dieses Heimrecht nur in der Vorrunde.

Theoretisch hätte der Fall eintreten können, dass beide Gastgeber einer Gruppe – etwa Deutschland (München) und Ungarn (Bukarest) – im selben Lostopf gelandet wären. Tatsächlich ist das in keinem der vier Töpfe geschehen, ansonsten hätte ein Austausch stattfinden müssen.

Für bestimmte Partien gab es bereits im Vorfeld eine Ausschlussregelung, wegen der damit verbundenen politischen Brisanz. Spiele zwischen Russland und Ukraine, Russland und Kosovo, Kosovo und Serbien sowie Kosovo und Bosnien und Herzegowina wären in der Vorrunde nicht ausgetragen worden. Da sich schlussendlich nur Russland und die Ukraine für die Endrunde qualifizieren konnten, war die Problematik für die Auslosung jedoch weniger dringlich als befürchtet.

Regeländerungen für die EURO 2020

Trotz der Corona-bedingten Verschiebung spielt das Virus bei vielen Überlegungen zur EURO 2020 eine zentrale Rolle. Das betrifft nicht nur die Streichung von ursprünglich geplanten Spielorten – Bilbao und Dublin beispielsweise wurden gestrichen, weil sie eine Zuschauerbeteiligung bei den Spielen nicht garantieren konnten.

Wie viele Zuschauer in den einzelnen Austragungsorten tatsächlich zugelassen sind, ist im Übrigen höchst unterschiedlich. Während in Budapest die volle Stadionkapazität ausgeschöpft werden soll, liegen die Planungen in den meisten Städten zwischen 20 und 30 Prozent der verfügbaren Plätze. Vielen Fußballfans wird daher kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als das Turnier vor dem Fernseher zu verfolgen und Tipps auf den Ausgang online vorzunehmen.

Das betrifft in erster Linie die Kaderplanungen. Hierfür hat die UEFA verschiedene Regeländerungen beschlossen, um etwaige Krankheitsfälle innerhalb der Mannschaften kompensieren zu können und um dem eng gewordenen Spielplan Rechnung zu tragen.

So wurde unter anderem festgelegt, dass die Turnierkader insgesamt 26 statt 23 Spieler umfassen dürfen. Vor dem ersten Turnierspiel sind dabei sogar Nachnominierungen möglich, sollte ein Spieler wegen Krankheit (was auch eine Infektion mit dem Corona-Virus oder die Quarantäne als Kontaktperson einschließt) oder Verletzung ausfallen. Im Kader für die Spieltage dürfen jedoch auch weiterhin nur 23 Spieler gelistet werden.

Erhöht wurde außerdem das Wechselkontingent. Statt der üblichen drei können die Trainer im Spielverlauf jetzt bis zu fünf Auswechslungen vornehmen. Diese Entscheidung ist eine Reaktion darauf, dass beispielsweise die zwischenzeitlichen Pausen im Betrieb vieler europäischer Ligen zu einem straffen Terminkalender mit entsprechender körperlicher Belastung geführt haben.

Ausblick auf das Sportliche

Bekanntermaßen zählt am Ende, was auf dem Platz passiert. Und das dürfte bei aller Kritik an dem Endrunden-Modus mit insgesamt 24 Mannschaften interessant werden. Das Teilnehmerfeld bietet einmal mehr eine Reihe Favoriten und potenzieller Favoriten für den Titelgewinn.

Mit Belgien, Frankreich, England, Portugal, Spanien, Italien und Dänemark sind gleich sieben Teams aus der aktuellen Top 10 der FIFA-Rangliste. Hinzu kommen mit Deutschland, Schweiz, Kroatien, Niederlande, Wales und Schweden sechs weitere Teams, die in der FIFA-Rangliste unter den besten 20 Nationen liegen.

Ob ein Blick auf die Formkurven der Teilnehmer bei Aussagen über den Turnierverlauf helfen kann, ist sicher fraglich. Immerhin fanden die letzten Länderspiele bereits Ende März statt und neue Standortbestimmungen sind erst nach den Begegnungen kurz vor Beginn der EURO 2020 möglich.

Starke Gruppe F und Rekorde für Ronaldo

Dazu sind mit Frankreich und Portugal der amtierende Weltmeister beziehungsweise Europameister vertreten – und zwar mit einem der Rekordtitelträger gemeinsam in einer Gruppe. Neben Gruppenmitglied Deutschland konnte bislang nämlich nur Spanien dreimal den EM-Titel gewinnen, Frankreich könnte theoretisch bei der EURO 2020 gleichziehen. Die Begegnungen in Gruppe F dürften deshalb – nicht nur aus deutscher Sicht – mit der größten Spannung erwartet werden.

Einen neuen Rekord wird es in dieser Gruppe in jedem Fall geben: Cristiano Ronaldo nimmt nämlich nach 2004, 2008, 2012 und 2016 an seiner fünften EM-Endrunde teil und zieht dadurch mit Iker Casillas gleich. Bei der Zahl der Einsätze baut CR7 in EM-Endrunden seinen bisherigen Rekord mit großer Wahrscheinlichkeit weiter aus: Bislang stehen dort 21 zu Buche, mit dem kommenden Turnier weitet er seinen Vorsprung auf Bastian Schweinsteiger (18 Einsätze) und Gianluigi Buffon (17 Einsätze) weiter aus.

Mit Pedro Neto wird Cristiano Ronaldo und dem portugiesischen Team allerdings eine wichtige Stütze fehlen. Der Top-Scorer der Wolverhampton Wanderers laboriert nach Angaben seines Vereins an einer Knieverletzung, seine EM-Teilnahme ist daher noch fraglich.

Junge Teams bei der EURO 2020

Die Gruppen-Konstellation dürfte für die deutsche Mannschaft aber dennoch herausfordernd genug sein. Zumal das Team nach wie vor mitten in einem Umbruch steckt, der bislang nicht die erhofften Ergebnisse erzielen konnte. Ob dieser Weg tatsächlich gescheitert ist, wie Bastian Schweinsteiger über die Verjüngung des Kaders sagt, müssen Löw und seine Mannschaft nun direkt im Kräftemessen mit den ganz Großen unter Beweis stellen.

Eine Ausnahme ist das verhältnismäßig junge deutsche Team in jedem Fall nicht. Schottland, die Niederlande, Spanien und Italien starten ebenfalls mit relativ jungen Kadern, deren Altersdurchschnitt um die 27 Jahre liegt. Noch jünger sind die englischen Spieler im Schnitt, nämlich knapp unter 26. Dass sich eine Verjüngungskur und sportlicher Erfolg nicht ausschließen müssen, haben diese Mannschaften alle bewiesen – Italien sogar mit einer makellosen Qualifikation mit zehn Siegen aus zehn Spielen.

Dagegen wirkt Belgiens "Goldene Generation" um Kevin de Bruyne, Eden Hazard und Romelu Lukaku mit einem Durchschnittsalter von knapp über 29 schon beinahe in die Jahre gekommen. Der Erste der FIFA-Weltrangliste gilt einmal mehr als einer Top-Favoriten und für einen Großteil des Kaders dürfte es die letzte Chance sein, den Europameistertitel noch zu gewinnen.

In der Gruppe gelten die Belgier neben Finnland, Dänemark und Russland sicherlich ebenfalls als favorisierte Mannschaft. Wie gut die Chancen auf ein Weiterkommen für die einzelnen Teams tatsächlich stehen, hängt allerdings auch davon ab, wie schnell die Spieler sich vom Liga-Betrieb erholen können, bevor es nach einer kurzen Pause ernst wird.

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