29.10.2020 11:36 Uhr

Unruhe programmiert: Favre atmet nur kurz auf

Wie sicher sitzt Favre beim BVB im Sattel?
Wie sicher sitzt Favre beim BVB im Sattel?

Lucien Favre lachte in der Geisternacht und schlug mit Marco Reus die Fäuste aneinander, Michael Zorc ließ erleichtert Dampf ab. "Es war Druck auf dem Kessel", sagte der Sportdirektor von Borussia Dortmund nach dem mühsamen 2:0 (0:0) im vollkommen trostlosen Heimspiel gegen Zenit St. Petersburg: "Das wird nicht in die Fußballgeschichte eingehen, aber die drei Punkte nehmen wir gerne mit. Alles in Ordnung."

Welche Bedeutung dieser erste Champions-League-Erfolg nach dem missratenen Auftakt bei Lazio Rom (1:3) auf mehreren Ebenen hatte, war allen Beteiligten anzumerken - zuvorderst Favre, der an der Seitenlinie in seinem 100. BVB-Pflichtspiel ungewohnt emotional gebrüllt und mit den Armen gerudert hatte. Seine Rufe hallten gespenstisch durch das leere 80.000-Zuschauer-Stadion.

"Ich bin immer so. Sie müssen die Augen öffnen", sagte Favre später schelmisch grinsend - und im Wissen, dass dies nicht ganz richtig ist. Die Dortmunder wandeln seit Jahren stets hart am Rande einer Trainerdiskussion, da war dieser Sieg auch angesichts der finanziellen Bedeutung der Königsklasse in der Pandemie wohltuend: Ein Scheitern wäre in der vergleichsweise einfachen Gruppe F eine teure Blamage. Ohnehin kostet jedes Heimspiel ohne Zuschauer den BVB mehrere Millionen Euro.

"Wir müssen schneller spielen und intelligenter"

Der Vater des späteren Dortmunder Stürmerstars Stephane Chapuisat hatte 1985 mit dem brutalsten Foul der Schweizer Fußballgeschichte Favres Spielerkarriere beendet. Im zähen Geduldsspiel gegen den russischen Meister hätte der Borussia-Trainer seine Schuhe 35 Jahre danach am liebsten wieder geschnürt. "Sie haben zwei Busse vor dem Tor geparkt. Wir müssen schneller spielen und intelligenter. Ich war selbst Mittelfeldspieler", sagte Favre: "Ich weiß, wie das ist."

Wäre der BVB am St. Petersburger Abwehrbeton gescheitert, wäre es eng geworden, die Borussen hätten sich fragen lassen müssen, warum sie einen unterlegenen Gegner nicht auseinanderspielen können. Jadon Sanchos später Foulelfmeter (78.) und Erling Haaland (90.+1) verhinderten dies im ersten Europapokal-Geisterheimspiel der Vereinsgeschichte.

Favre konnte nach vorne schauen: auf Bielefeld, Brügge und Bayern. "Wir mussten unbedingt gewinnen, wir haben unseren Job gemacht und es geht weiter", sagte er. Bis Januar wird es im corona- und EM-bedingt gedrängten Terminkalender Schlag auf Schlag gehen.

Der BVB und die spielerischen Lösungen

Der BVB ist gefordert, bessere spielerische Lösungen zu finden als das Ballgeschiebe vom Mittwochabend. Favre warf im strömenden Regen immer wieder die Arme auseinander: "Es war geplant, mehr auf der Seite zu spielen. Das war zu einfach zu verteidigen." Zorc lobte den Trainer ausdrücklich: "Lucien hat sie immer wieder angetrieben. Das war wichtig."

Am Saisonende läuft Favres Vertrag in Dortmund aus, Gespräche über eine Verlängerung finden laut Zorc derzeit nicht statt. Unruhe ist also programmiert, die "Bild"-Zeitung spielt bereits den Gladbacher Coach Marco Rose als möglichen Nachfolger.

Sportlich könnte die "Vernachlässigung der Außenpositionen" (Zorc), verbunden mit Ideenlosigkeit und Formschwäche beispielsweise von Sancho, zum Problem werden. Defensiv hingegen bleibt die Hoffnung, dass es keine Scheinstabilität ist. "Wieder keinen Torschuss zugelassen, wieder zu null", zählte Zorc auf - aber Schalke 04 und Zenit prüften die Abwehr auch nicht annähernd ernsthaft.

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