15.04.2020 11:45 Uhr

"Obszöne" Forderung: Warum Neuer mit dem Feuer spielt

Die Vertragsverlängerung von Manuel Neuer beim FC Bayern ist derzeit ungewiss
Die Vertragsverlängerung von Manuel Neuer beim FC Bayern ist derzeit ungewiss

Nach Thomas Müller möchte der FC Bayern München auch Manuel Neuer gerne länger an sich binden. Doch der Nationaltorhüter ziert sich, die Fronten scheinen verhärtet.

weltfussball beantwortet fünf Fragen zum Vertragspoker.

  • Was möchte Manuel Neuer?

Nach David Alaba (seit 2009) und Thomas Müller (seit 2010) ist Manuel Neuer der Profi mit der drittlängsten Verweildauer beim FC Bayern. Im Sommer 2011 heuerte der heute 34-Jährige beim Rekordmeister an. Wurde er zunächst von den Ultras noch mit "Koan Neuer"-Plakaten begrüßt, gehört er längst zum Inventar an der Säbener Straße.

Und Neuer würde dem Kapitel FC Bayern gerne noch einige Seiten hinzufügen, ist gewillt, seinen 2021 auslaufenden Vertrag zu verlängern. Das passiert wohl aber nur unter der Voraussetzung, dass dieser Poker nach seinen Regeln gespielt wird.

Da wäre allen voran die Vertrauensbasis. Denn, wie bei solchen Gesprächen üblich, sollten alle Inhalte auch intern bleiben. Das blieb aber in diesem Fall nicht so. Nicht nur Details über die gewünschte Vertragslaufzeit, sondern auch das Gehalt sickerten an die Öffentlichkeit - und brachten die Gespräche nun zum Stillstand.

Manuel Neuer möchte seinen Kontrakt um vier Jahre, also bis zum Sommer 2025 verlängern. Dann wäre er 39 Jahre alt. Nicht nur Gianluigi Buffon beweist, dass man als Torhüter auch in diesem Alter noch Top-Leistungen bringen kann. Auch Oliver Kahn, seit Jahresbeginn neu im Bayern-Vorstand, beendete so spät seine große Karriere.

Der Punkt, der aber nicht nur die Bayern-Verantwortlichen verwunderte, waren die Gehaltsforderungen, die Neuers Berater Thomas Kroth vertrat. Laut "Bild" soll der Weltmeister von 2014 ein Jahressalär von 20 Millionen Euro fordern und damit zu einem der Top-Verdiener aufsteigen. Doch laut "kicker" liegen beide Parteien in diesem Punkt "gewaltig auseinander".

  • Was möchte der FC Bayern?

Der FC Bayern auf der anderen Seite möchte seinen Spitzen-Torwart gerne halten, aber nicht um jeden Preis. 

So haben die Bosse im Sinn, Neuers Arbeitspapier (zunächst) nur bis Sommer 2023 auszudehnen, also zwei Jahre kürzer als von Spielerseite gefordert. Dass man sich vor Ablauf dieses Vertrags noch einmal zusammensetzt, wäre alles andere als unwahrscheinlich. Jedoch stößt diese Variante der Sicherheit auf wenig Gegenliebe.

Gleiches gilt für das angebotene Gehalt, konkrete Zahlen dazu sind jedoch nicht bekannt. Allerdings: Mit kolportierten 15 Millionen Euro ist Neuer bereits jetzt der bestbezahlte Keeper im Weltfußball.

  • Ist die Forderung von Manuel Neuer angemessen?

Blickt man auf die nackten Zahlen, ist die Ehe zwischen Manuel Neuer und dem FC Bayern eine echte Erfolgsgeschichte. Bis heute absolvierte der Ex-Schalker 373 Pflichtspiele für den deutschen Branchenprimus und spielte dabei 189 Mal zu Null. 18 Titel holten Spieler und Klub zusammen, im Schnitt zwei pro Jahr.

Doch auch als Charakter ist Neuer absolut wertvoll für den FCB. Er verkörpert die "Mia san Mia"-Mentalität, als hätte er nie woanders gespielt. Kein Wunder also, dass er und sein Stab in den Vertragsgesprächen entsprechend selbstbewusst und anspruchsvoll auftreten.

Geht es nach den vereinsinternen Maßstäben, darf gar kein Zweifel daran bestehen, dass der Führungsspieler auch zu den Top-Verdienern zählen sollte. An der Spitze dieser Liste steht Torjäger Robert Lewandowski mit 19,5 Millionen Euro pro Jahr.

Den Polen würde Neuer mit seinem geforderten Salär ablösen. Auch der vom FC Liverpool ausgeliehene Philippe Coutinho soll sich in dieser Verdienstklasse bewegen. Gerüchte, wonach Sommer-Neuzugang Lucas Hernández sogar 24 Millionen Euro einstreicht, dementierte dessen Berater unlängst.

Dennoch wagt Neuer einen echten Drahtseilakt. Sein Wunsch nach Wertschätzung ist absolut verständlich. Doch gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise verursacht diese Gehaltsforderung allenthalben Kopfschütteln - nicht nur bei Experten wie Marcel Reif, der die Summe als "obszön" betitelte.

  • Welche Alternativen hat Manuel Neuer?

Kommt es nicht zu einer Einigung, kann der viermalige Welttorhüter ab dem 1. Januar 2021 mit anderen Klubs Verhandlungen aufnehmen. Potenzielle neue Arbeitgeber würde es zweifellos genug geben.

Aus England ist zu hören, dass vor allem Manchester City mit Teammanager Pep Guardiola durchaus Interesse am zweimaligen Fußballer des Jahres hat. Guardiola und Neuer pflegen auch nach Ende der gemeinsamen Zeit zwischen 2013 und 2016 noch regen Kontakt. Dass der Star-Trainer große Wertschätzung für den Keeper hegt, ist kein Geheimnis.

Auch der FC Chelsea wird als möglicher Abnehmer gehandelt. Bei den Blues stellen weder der teuerste jemals verpflichtete Torhüter Kepa (kam im Sommer 2018 für 80 Millionen Euro von Athletic Bilbao), noch der argentinische Oldie Willy Caballero einen echten Rückhalt dar - da käme ein Keeper vom Kaliber Neuers gerade recht.

Unabhängig vom Ausgang steht fest: Manuel Neuer wird auch in der Saison 2020/2021 das Tor des FC Bayern hüten.

  • Welche Alternativen hat der FC Bayern?

Es scheint schwer vorstellbar, dass der FC Bayern tatsächlich einen Abgang des Mannes riskieren würde, der bei Ablauf seines Vertrags genau zehn Jahre und damit eine komplette Dekade beim Rekordmeister geprägt hätte. Sollte es jedoch so weit kommen, wären die Perspektiven Stand jetzt allenfalls mittelmäßig.

Zwar kommt mit Alexander Nübel schon diesen Sommer ein möglicher Nachfolger, doch ob der Noch-Schalker auch die erhoffte Verstärkung wird, scheint fraglich. Nach Bekanntwerden seines Wechsels unterliefen dem ehemaligen U21-Nationaltorhüter mehrere folgenschwere Patzer, die schließlich zu seiner Degradierung auf die Bank führten.

Mit Nübel hat man zudem den nächsten garantierten Gesprächsstoff verpflichtet, der mit dem Namen Manuel Neuer verknüpft ist. Allen voran deshalb, weil dem 23-Jährigen für die kommende Saison zehn Pflichtspieleinsätze pro Saison zugesichert worden sein sollen.

Auch das ist Neuer inzwischen ein Dorn im Auge, nachdem er zu Beginn der Gespräche mit Nübel von den Bayern-Verantwortlichen darüber informiert worden war und darin angeblich kein Problem gesehen hatte. 

Die Bayern sind nun in der Zwickmühle, denn sie haben Nübel mit einem Fünfjahresvertrag ausgestattet. Ihn als dauerhafte Nummer 2 zu beschäftigen, erscheint allein schon aufgrund der Außenwirkung als wenig realistisch. Den Nachweis, dass er das Zeug zur Nummer 1 beim FCB hat, muss der gebürtige Paderborner aber erst noch erbringen.

So oder so bräuchten die Bayern im Sommer 2021 einen neuen Torhüter, da außer Nübel lediglich Christian Früchtl einen gültigen Kontrakt besitzt. Der 20-Jährige gilt als großes Talent und spielt derzeit zumeist in der 3. Liga für die zweite Mannschaft. 

Eine denkbare Lösung wäre, einen erfahrenen und sicheren Torhüter zu holen. Eine Weiterbeschäftigung der derzeitigen Nummer 2 Sven Ulreich gilt ungeachtet dessen als unwahrscheinlich.

Heißt: Der Ausgang ist in jeder Hinsicht völlig offen.

Luis Holuch

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