07.01.2020 16:07 Uhr

S04 und die ablösefreien Abgänge: Ein hausgemachtes Problem?

Der FC Schalke 04 muss seine Spieler immer wieder ablösefrei ziehen lassen
Der FC Schalke 04 muss seine Spieler immer wieder ablösefrei ziehen lassen

Mit Alexander Nübel reiht sich ein weiterer Profi in die Liste prominenter Spieler ein, die den FC Schalke 04 ablösefrei verlassen. Doch warum entscheiden sich Leistungsträger immer wieder gegen einen langfristigen Verbleib bei S04? Haben die Königsblauen etwa ein hausgemachtes Problem?

Leon Goretzka (FC Bayern), Joel Matip (FC Liverpool), Sead Kolasinac (FC Arsenal), Max Meyer (Crystal Palace), Eric Maxim Choupo-Moting (Stoke City) und nun auch Alexander Nübel (FC Bayern) - kaum ein anderer Klub musste in den letzten Jahren so viele Stars im besten Fußballalter ablösefrei ziehen lassen wie der FC Schalke 04.

Es scheint als herrsche auf Schalke eine regelrechte Abwanderungsflut. Doch warum sehen die Topspieler ihre Zukunft nicht in Gelsenkirchen und suchen ihr Glück bei anderen Vereinen?

Schalke 04 kann finanziell nicht mithalten

Ein Grund für die Abgänge liegt auf der Hand: das Geld. "Der kriegt für einen Vierjahres-Vertrag den Jahresetat von 50 Prozent der Bundesligisten. Was sollen wir denn da machen?", kommentierte Ex-Manager Christian Heidel den Abgang von Kolasinac zum FC Arsenal gegenüber "Spiegel Online".

In der Tat kann Schalke internationalen Topklubs aus finanzieller Sicht in keinster Weise das Wasser reichen. Das Durchschnittsgehalt, das die Königsblauen ihren Profis zahlen, liegt bei rund 2,5 Millionen Euro. Die Stars des FC Bayern kassieren dagegen im Schnitt 7,4 Millionen Euro. Mit der finanzstarken Premier League kann Schalke ohnehin nicht mithalten.

Dem FC Schalke 04 fehlt die Strahlkraft

Hinzu kommen Schalkes mauen sportlichen Aussichten in den letzten Jahren. Abgesehen von der Vizemeisterschaft in der Saison 2017/18 konnte sich der Klub aus Gelsenkirchen seit 2014 nicht mehr für die Champions League qualifizieren.

Da ist es natürlich naheliegend, dass Topspieler wie Matip, Kolasinac oder Goretzka sich für einen Klub entscheiden, der international ein Wörtchen mitzureden hat.

Durch die Königsklassen-Abstinenz hat Schalke in den letzten Jahren auch an Strahlkraft verloren. An der Aufpolierung des Images arbeitet S04 schon länger. "Wichtiger Faktor ist dabei die Modernisierung der Infrastruktur beziehungsweise des Klubgeländes. Dafür wird ein fast dreistelliger Millionenbetrag aufgebracht. Wenn wir das alles umgesetzt haben, hoffen wir, dass es insbesondere für Nachwuchsspieler schwer wird, sich gegen Schalke 04 zu entscheiden", betonte Heidel 2018.

Schalkes desaströse Transferpolitik

Ein zusätzlicher Aspekt, der Schalke in den letzten Jahren in ein schlechtes Licht rückte, ist die desaströse Transferpolitik. Nicht nur bei Abgängen leistete sich der Revierklub Fehler, sondern auch bei Neuzugängen.

Hauptverantwortlich hierfür war Christian Heidel. Zahlreiche Transfers des ehemaligen Sportdirektors erwiesen sich als Flop. Ganze 82,5 Millionen Euro investierte Schalke allein in Breel Embolo, Sebastian Rudy, Nabil Bentaleb, Yevhen Konoplyanka und Hamza Mendyl.

Eine derart fehlerhafte Transferpolitik hat natürlich auch eine abschreckende Wirkung auf Spieler, die überlegen, ob sie auf Schalke verlängern wollen oder nicht.

Fehlende Vereinstreue

Eine weitere Ursache für Schalkes Verlust von Topspielern liegt wohl im Rückgang der Vereinstreue. Banden sich Stars in früheren Zeiten nicht selten jahrelang an ihren Herzensklub, ist das Business inzwischen kurzweiliger geworden. "Ich glaube, derjenige Spieler, der in Dortmund geboren ist und zur Schule gegangen ist und dann dort Fußball spielt, der ist Geschichte", sagte S04-Aufsichtsratchef Clemens Tönnies bei einer Talkrunde im Jahr 2018. Was für den Erzrivalen zählt, trifft aber auch auf die Knappen zu.

Dass Nachwuchsspieler, die den Sprung in den Profikader geschafft haben, langfristig bleiben, könne Schalke sich laut Tönnies "abschminken". "Wenn er gut ist, halten wir ihn. Wenn er besser wird, geht er", musste sich der 63-Jährige eingestehen.

Schalkes Versäumnisse mit bösen Folgen

Dass Schalke seine Spieler ausgerechnet ablösefrei verliert, liegt unter anderem auch an Versäumnissen der Bosse. So hätte Kolasinac ein Jahr vor seinem Abschied gerne verlängert. Doch nach dem Managerwechsel von Horst Heldt auf Heidel wurde eine mögliche Ausdehnung erst einmal hinten angestellt - mit bitteren Folgen.

Auch der Abschied ohne Einnahmen von Nübel ist auf einen Irrtum von Heidel zurückzuführen. Der ehemalige Sportvorstand ging wohl davon aus, dass sich Nübels Vertrag automatisch bis 2021 verlängert und ließ Verhandlungen deshalb zunächst ruhen.

Schalkes Hoffnungen ruhen auf Kutucu und McKennie

Nübel schließt sich stattdessen dem FC Bayern München an, wo er nicht nur weniger Geld verdienen soll, sondern auch Nummer zwei hinter Manuel Neuer ist. Für viele ein unerklärlicher Entschluss - auch für den FC Schalke 04. "Verstehen müssen wir seine Entscheidung nicht", hieß es in der offiziellen Mitteilung des Revierklubs.

Auch Tönnies hat kein Verständnis für Nübel. "Wir haben alles dafür getan, ihn auf Schalke zu halten. Nun müssen wir seine Entscheidung akzeptieren - kapieren tue ich sie nicht", sagte er zur "Bild".

Mit Weston McKennie und Ahmed Kutucu stehen im Sommer dann nur noch zwei Eigengewächse im Profikader, die regelmäßig zum Einsatz kommen. Die Verträge der beiden Youngster sind noch bis 2022 datiert. Schalke wird sich wohl rechtzeitig auf die Agenda schreiben, das Duo langfristig zu binden und somit das hausgemachte Problem nicht zum Dauerzustand werden zu lassen.

Lissy Beckonert

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