Shootingstar Eggestein: Ohne Bling-Bling zum DFB-Star?

Maximilian Eggestein zählt zu den Shootingstars der Fußball-Szene. Für die kommende Saison hat er große Pläne: Der 22-Jährige will bei Werder Bremen zum Führungsspieler reifen, die Europacup-Quali schaffen und bei Joachim Löw sein Nationalmannschaftsdebüt feiern.
Eine Bling-Bling-Attitüde geht Maximilian Eggestein so gänzlich ab. Mit einem Luxusauto in den sozialen Netzwerken zu posieren, fiele dem Laufwunder von Werder Bremen nie ein. Eggestein hat keinen sündhaft teuren Sportwagen. Der 22-Jahre alte Nationalmannschaftsanwärter hat auch keinen Account bei Instagram, Facebook oder Snapchat. "Natürlich gibt es da auch mal häufiger einen Spruch von Kollegen, aber bis jetzt konnte ich da ganz gut drauf verzichten", sagt Eggestein im "SID"-Interview.
Statt über Extravaganz definiert er sich voll über seine sportliche Klasse. In dieser Kategorie zählte er in der vergangenen Saison zu den aufregendsten Shootingstars der Bundesliga - jetzt soll der nächste Schritt folgen.
Der ehemalige Leader Max Kruse ist weg, Eggestein will lauter werden, auch mal Dreckssack sein. "Neben dem Platz ist es mir wichtig, mit meinen Mitmenschen vernünftig umzugehen", sagt er: "Auf dem Platz herrscht Wettkampf und dann kann man auch mal etwas dreckiger werden - und das kann ich auch."
Der Marktwert des Mittelfeldspielers wird inzwischen auf 30 Millionen Euro taxiert, Eggestein hätte im Sommer auch wechseln können. Bei Borussia Dortmund stand der gebürtige Hannoveraner auf dem Zettel, auch die Scouts der Premier League schauen bei ihm genau hin. Doch Eggestein, dessen Bruder Johannes ebenfalls für Werders Profis spielt, entschied sich für eine Zukunft in Bremen. Hier kann er sich für weitere Einladungen von Joachim Löw empfehlen.
Eggestein will mit Werder raus aus der Grauzone
Im März schnupperte Eggestein bei der deutschen A-Auswahl rein, blieb aber noch ohne Einsatz. Bei Löws Arbeitsaufträgen hörte er genau hin. "Er hat mir ähnliche Dinge gesagt, die ich mir auch selber schon als Ziel gesetzt habe", sagte Eggestein, der im Juni mit der U21 im EM-Finale stand: "Dass ich im Verein mehr Verantwortung übernehmen kann und konstant weiterspielen muss. Die Konkurrenz im Mittelfeld ist sehr groß - deswegen muss ich schauen, wie es weitergeht." Setzt er seine steile Entwicklung fort, wären weitere Ausflüge zur Nationalmannschaft die logische Konsequenz.
Bei der erneuten Jagd nach einem Europapokal-Platz ab Samstag, wenn die Bremer mit einem Duell gegen Fortuna Düsseldorf in die Liga-Saison einsteigen, soll Eggestein noch stärker vorangehen, er könnte auch noch mehr Torgefahr ausstrahlen. "Wir wollen nicht damit zufrieden sein, in der Grauzone der Tabelle zu landen", sagt Eggestein: "Wir möchten um etwas mitspielen."
Der mit 409,2 Kilometern laufstärkste Spieler der vergangenen Bundesliga-Saison ist bereit, noch auffälliger zu werden. Auf dem Rasen. Ansonsten will sich Eggestein weiter treu bleiben, trotz des vielen Geldes, das ihm sein neuer Vertrag einbringt. "Ich gehe ab und zu gerne lecker Essen. Zu Hause öfter mal griechisch, hier in Bremen mediterran - ohne genaue Richtung", sagt er. Mehr Luxus braucht Maxi Eggestein nicht.
Das ganze Interview zum Nachlesen:
Herr Eggestein, diese Bling-Bling-Attitüde einiger Kollegen geht Ihnen völlig ab. Was ist Ihre größte Extravaganz?
Maximilian Eggestein: Hmm, gute Frage. Ich gehe ab und zu gerne lecker Essen. Zu Hause öfter mal griechisch, hier in Bremen mediterran - ohne genaue Richtung.
Markenbildung wird gerade unter jüngeren Spielern ein immer größeres Thema, viele nutzen dazu die sozialen Netzwerke. Warum verzichten Sie auf Instagram und Co.?
Ich habe für mich noch nicht den Moment gehabt, in dem ich sage: 'Das brauche ich unbedingt'. Es kann noch kommen, dass ich irgendwann auch einen Account haben will, aber bisher war das noch nicht der Fall. Natürlich gibt es da auch mal häufiger einen Spruch von Kollegen, aber bis jetzt konnte ich da ganz gut drauf verzichten.
Sie werden stets als bodenständig und freundlich beschrieben. Können Sie auch ein Drecksack sein?
Man muss immer unterscheiden, was auf und neben dem Platz im Fußball geschieht. Neben dem Platz ist es mir wichtig, mit meinen Mitmenschen vernünftig umzugehen. Auf dem Platz herrscht Wettkampf und dann kann man auch mal etwas dreckiger werden - und das kann ich auch. Aber neben dem Platz sehe ich keinen Grund dazu.
Werder hat mit Max Kruse ein Gesicht der Mannschaft verloren. Wie interpretieren Sie vor diesem Hintergrund Ihre Rolle in der kommenden Saison?
Auf jeden Fall will ich noch mehr Verantwortung übernehmen. Darüber kann man immer viel reden, aber in erster Linie geht das über die Leistung auf dem Platz. Zudem ist sicher ein Aspekt, in dem ich besser werden kann, noch mehr zu kommunizieren und lauter zu werden. Es ist aber auch wichtig, dass man die Verantwortung untereinander teilt. Es hat immer so gewirkt, als hätte Max alles gemacht, aber auch mit ihm hatten wir verschiedene Verantwortungsträger. Das werden wir so auch weiterführen.
Fordert Ihr Trainer Florian Kohfeldt das auch von Ihnen, lauter zu werden?
Er versucht nicht, mich in eine Rolle reinzuzwingen. Ich finde, das macht auch keinen Sinn, das muss ganz intuitiv kommen. Aber er hat schon hin und wieder versucht, diesen Prozess auch anzuregen.
Sie kennen Kohfeldt schon sehr lange, unter ihm ist der Marktwert des Teams enorm gestiegen. Wie schafft er es, einen Spieler besser zu machen?
Ich glaube, gerade mit jungen Spielern braucht man auch viel Geduld. Wenn ich zum Beispiel meinen Bruder Johannes oder Milot Rashica anschaue, dann haben sie am Anfang nicht so die große Rolle gespielt, sind aber immer im Gespräch mit Flo geblieben. Und haben immer geduldig gearbeitet und sich entwickelt. Und als sie dann ihre Einsätze bekamen, haben sie einen echten Schuss gemacht. Wenn man Milot sieht, der ist in der Rückrunde ja explodiert. Da braucht man einen Trainer, der Vertrauen und Geduld hat - ich glaube, das zeichnet Flo aus. Er fordert natürlich auch viel von den Spielern ein, lässt sie aber nicht direkt fallen. Und deshalb haben sich viele Spieler so gut entwickelt.
Kohfeldt will auch sehr viel aus dem Privatleben seiner Spieler wissen. Wo sie essen gehen, was sie bei Netflix schauen, ob sie sich für Kultur interessieren. Nervt das nicht auch manchmal?
Es ist ja nicht so, dass er in die Kabine kommt und uns beim Begrüßen fragt, was wir am Abend zuvor bei Netflix geschaut haben. Das entsteht ja im Gespräch. Er hockt halt nicht die ganze Zeit nur in seiner Trainerkabine, um 15 Uhr zum Trainingsbeginn steht er dann auf dem Platz und um 16:30 Uhr, wenn das Training zu Ende ist, verschwindet er wieder in seiner Trainerkabine. Er will diesen Prozess, der in der Kabine entsteht, mit begleiten und erleben. Und da geht er natürlich mit vielen Spielern ins Gespräch und es entwickeln sich Themen über den Fußball hinaus.
Wie wichtig war er bei Ihrer Vertragsverlängerung?
Er war schon ein großer Faktor bei meiner Entscheidung. Ich spüre bei ihm einfach das Vertrauen und habe gemerkt, dass der Weg, den wir mit Werder unter ihm gehen, einfach gut ist. Was er auch immer vorlebt, ist, dass wir nie zufrieden sein wollen. In meiner Anfangszeit in Bremen hatte man immer das Gefühl, Platz acht sei eigentlich ganz gut für unsere Verhältnisse. Wir haben nicht die Möglichkeiten wie andere Klubs, also ist das in Ordnung. Dieses Gefühl vermittelt er halt gar nicht. Er will immer mehr. Deshalb haben wir auch wieder das Saisonziel Europa ausgegeben. Das finde ich gut und will das weiter vorantreiben. Wir wollen nicht damit zufrieden sein, in der Grauzone der Tabelle zu landen. Wir möchten um etwas mitspielen.
Sie haben in Bremen langfristig verlängert. Aber gibt es diesen einen Traumklub, bei dem Sie schwach werden könnten und um eine vorzeitige Freigabe bitten würden?
Den gibt es, aber den werde ich nicht kundtun, weil mir das irgendwann um die Ohren fliegt.
Ist es wahrscheinlicher, dass Sie es mit Werder nach Europa schaffen oder Ihr Debüt in der Nationalmannschaft feiern?
Das kann ich nicht einschätzen. Natürlich würde ich gerne wieder eine Einladung erhalten und dann hoffentlich irgendwann mein Debüt geben - aber dafür muss ich erst einmal meine Leistung bringen.
Was will Joachim Löw von Ihnen sehen, damit Sie regelmäßig berufen werden?
Er hat mir ähnliche Dinge gesagt, die ich mir auch selber schon als Ziel gesetzt habe. Dass ich im Verein mehr Verantwortung übernehmen kann und konstant weiterspielen muss. Die Konkurrenz im Mittelfeld ist sehr groß - deswegen muss ich schauen, wie es weitergeht.
Haben Sie sich eigentlich schon bei Ihren Eltern beschwert?
Wieso?
Um bei den Olympischen Spielen in Tokio spielen zu dürfen, sind Sie eigentlich ein paar Tage zu alt.
Ich glaube, meine Eltern haben bei der Familienplanung nicht so weit gedacht, dass sie ihre Kinder am Anfang des Jahres kriegen müssen, damit sie bessere Chancen in den Fußballmannschaften haben.
Haben Sie Tokio schon abgeschrieben? Oder ist es Ihnen egal, weil Sie ohnehin lieber bei der EM dabei sein wollen?
Abgeschrieben habe ich Tokio nicht, aber ich weiß, dass nur drei Spieler, die vor dem 1. Januar 1997 geboren wurden, mitfahren dürfen. Wenn ich mir etwas aussuchen könnte, wäre ich natürlich lieber bei der EM dabei als bei Olympia. Aber wenn es dann doch nach Tokio geht, wäre das auch ein tolles und vor allem einmaliges Erlebnis.