20.06.2019 13:36 Uhr

VAR sorgt auch bei der Frauen-WM für Wut und Diskussionen

Erneut standen die Unparteiischen im Fokus
Erneut standen die Unparteiischen im Fokus

Drama dank Video-Assistent: Schottland scheidet nach der Wiederholung eines Elfmeters in der Nachspielzeit aus. Die neue Richtlinie sorgt für Aufruhr.

Zum großen WM-Aufregerthema twitterte Nadine Angerer den passenden Cartoon. Darauf zu sehen: Eine Schiedsrichterin, die eine Torhüterin mit Nägeln in die Füße an der Torlinie festhämmert. "Regeln der Zukunft", schrieb die frühere Fußball-Nationaltorhüterin dazu.

Der Anlass? In der dramatischen Schlussphase des finalen Gruppenspiels zwischen Schottland und Argentinien im Pariser Prinzenpark ließ die Unparteiische Ri Hyang-Ok beim Stand von 3:2 einen parierten Foulelfmeter der Südamerikanerinnen wiederholen. Der deutsche Video-Assistent Bastian Dankert hatte die Nordkoreanerin darauf hingewiesen, dass Torhüterin Lee Alexander bei der Ausführung des Strafstoßes, verursacht durch die Ex-Hoffenheimerin Sophie Howard, die Torlinie um wenige Zentimeter verlassen hatte.

Schon der dritte Vorfall dieser Art

Das Ende vom Lied? Florencia Bonsegundo versenkte den zweiten Versuch zum Ausgleich, das Remis nach 3:0-Führung bedeutete das bittere Aus für den WM-Neuling. Es folgten blankes Entsetzen und Tränen bei den Britinnen - zumal trotz langer VAR-Unterbrechung viel zu kurz nachgespielt wurde. Alles dank der Anwendung der neuen Richtlinie der Regelhüter des Weltverbandes FIFA.

Seit dem 1. Juni gilt die eigentlich zum Wohle der Keeper modifizierte Vorschrift, dass im Moment der Ausführung (nur) ein Fuß die Linie berühren muss. Früher waren es beide Füße, doch erst jetzt wird - bei der WM mithilfe der ausschließlich männlichen Schiedsrichter vor den Bildschirmen - genau hingeschaut. In Frankreich war es nach dem Siegtor der Gastgeberinnen gegen Nigeria (1:0) und dem Führungstreffer von Italien gegen Jamaika (5:1) bereits der dritte Vorfall dieser Art. Experten und Betroffene gehen auf die Barrikaden.

Kellermann spricht von "blankem Unsinn"

"Lee hat 27 Jahre lang Elfmeter so trainiert und jetzt bei einer WM sagen wir: 'Nein, das geht so nicht, du musst ganz anders trainieren!' Das ist lächerlich", brachte es die schottische Ex-Nationaltorhüterin Gemma Fay bei der "BBC" auf den Punkt. "Ich halte diese konsequente Umsetzung der Regel mit VAR für blanken Unsinn! Es sollte im Ermessen des Schiedsrichterteams bleiben", forderte Ralf Kellermann, sportlicher Leiter der Frauen-Abteilung des VfL Wolfsburg und in seiner aktiven Zeit selbst Torwart, in seiner "kicker"-Kolumne. Denn: "Es wird im Frauenfußball fast unmöglich, mit dieser Regel noch einen gut platzierten Elfmeter zu halten."

Deutschlands Nummer eins Almuth Schult empfindet die Umsetzung auch deshalb als unangemessen, weil auf zu früh in den Strafraum laufende Spielerinnen deutlich weniger streng geachtet werde. "Deswegen hoffe ich, dass nach dem Turnier über die Auslegung noch einmal nachgedacht wird", sagte die Angerer-Nachfolgerin.

Die Fachleute vom Schiedsrichter-Blog "Collinas Erben" fordern ebenfalls: "Seht darüber hinweg, wenn das zweite Bein einen halben Meter vor der Linie ist. Lasst den VAR nur in krassen Fällen eingreifen." Zumal der Regelverstoß mit einer Gelben Karte geahndet wird - ein Elfmeterschießen unter diesen Bedingungen dürfte zur Farce werden, wenn eine verwarnte Torhüterin zur Passivität verdammt ist.

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