14.05.2019 12:13 Uhr

Eine Frage der Nerven! BVB-Abwehr wird zur Achillesferse

Manuel Akanji und der BVB kassierten bereits 44 Gegentreffer in dieser Saison
Manuel Akanji und der BVB kassierten bereits 44 Gegentreffer in dieser Saison

Am vorletzten Spieltag der Fußball-Bundesliga duselte sich Borussia Dortmund einmal mehr zum Sieg (3:2 gegen Fortuna Düsseldorf). Mal wieder offenbarte der BVB eklatante Abwehrmängel, mal wieder leisteten sich vermeintliche Stützen grobe individuelle Patzer, mal wieder begann beim Revierklub das große Zittern.

Dass der BVB eine sicher geglaubte Führung (fast) aus der Hand gibt, ist nichts Neues. Ganze 20 der insgesamt 44 (!) Gegentore kassierten die Schwarz-Gelben nach der 60. Minute. Nicht selten lag der BVB zu diesem Zeitpunkt in Front.

Mit 44 Gegentoren haben die Dortmunder bisher ohnehin 13 Treffer mehr als der FC Bayern und sogar 17 Buden mehr als RB Leipzig kassiert. Gerade in der Rückrunde zeichnen sich die defensiven Schwächen ab: Im ersten Saison-Abschnitt musste der BVB nur 18 Gegentreffer verkraften, in der zweiten Hälfte ganze 26. Das entspricht einem 53-prozentigen Anstieg im Vergleich zur Hinrunde.

Der Negativtrend begann bereits Anfang Februar: Erst scheiterte Dortmund im DFB-Pokal trotz zweimaliger Führung an Bremen, vier Tage später verspielte der BVB in der Liga gegen Hoffenheim sogar eine Drei-Tore-Führung und trennte sich 3:3. Gleiches spielte sich am 32. Spieltag nach einer 2:0-Führung gegen Werder (2:2) ab. 

Die Defensive entpuppt sich im Meisterschaftskampf mehr und mehr zur echten Achillesferse der Dortmunder. Doch woher kommen die Abwehr-Probleme?

Der jungen BVB-Verteidigung fehlt die Erfahrung

Besonders auffällig ist, dass der BVB bei einem Gegentreffer völlig die Kontrolle über das Spiel verliert - auch wenn der Klub nach wie vor in Führung liegt. Gerade die Viererkette agiert dabei teils kopflos, leistet sich völlig unerklärliche individuelle Fehler und wirkt wie gelähmt.

Dass den Abwehrspielern die Abgeklärtheit fehlt, liegt unter anderem wohl an der fehlenden Erfahrung. Von einem 19-jährigen Dan-Axel Zagadou, einem 20 Jahre alten Achraf Hakimi oder auch von einem 23-jährigen Manuel Akanji kann man nicht erwarten, dass sie völlig fehlerfrei spielen.

Die Nerven liegen beim BVB blank

Patzer, wie sie sich zuletzt gestandene Bundesliga-Spieler wie Roman Bürki gegen Werder Bremen und Marwin Hitz gegen Düsseldorf erlaubten, lassen sich hingegen nicht mit fehlender Erfahrung erklären.

Vielmehr ist das größte Problem der BVB-Abwehr das schwache Nervenkostüm. "Wir hatten die letzten Wochen nicht den Schlüssel, um dann mit dem Druck der Gegner umzugehen", gab Thomas Delaney zu und ergänzte ratlos: "Ich weiß nicht, ob das die Nerven sind."

 

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke erklärte den Bruch im Spiel nach dem Zittersieg gegen Düsseldorf hingegen mit dem "brutalen Druck", der aus der Tabellensituation resultiert. Deutlichere Worte fand Kult-Trainer und "Sport 1"-Experte Peter Neururer, der den Schwarzgelben schlicht "Versagens- oder Verlustängste" bescheinigte.

In der Tat war die Borussia auf einen eigenen Sieg und eine Niederlage oder ein Remis der Bayern bei RB Leipzig angewiesen, um noch ein Wörtchen bei der Vergabe der Meisterschaft mitreden zu können. Doch derartige Einbrüche in den Spielen entwickelten sich in den vergangenen Wochen fast schon zur Normalität. Einem Team, das ernsthaft um den Titel mitspielen will, darf so etwas nicht in dieser Regelmäßigkeit passieren.

Favre wird zur Rotation gezwungen

Ein weitere Grund für die Anfälligkeit der Hintermannschaft des BVB sind die zahlreichen notgedrungen Umstellungen von Trainer Lucien Favre. Allein 15 verschiedene Viererketten musste der Schweizer in dieser Saison auf den Platz schicken. Zum einen zwingen Verletzungen Favre zum Improvisieren, zum anderen fehlt die Breite im Kader, sodass zum Beispiel Mittelfeldspieler Julian Weigl in der Innenverteidigung aushelfen muss.

Durch die häufigen Rotationen fehlen der Defensive die einfachsten Mechanismen, eine grundsolide Stabilität und das 100-prozentige Vertrauen in die Nebenleute.

Der BVB hat ein Standard-Problem

Hinzu kommt, dass bei den Profis offenbar eine Unzufriedenheit bezüglich Favres Standard-Taktik herrscht. "Wir Spieler haben immer wieder Argumente gebracht, um vielleicht etwas zu ändern", sagte Bürki gegenüber der "Sport Bild" über die raumorientierte Verteidigung seines Coaches: "Da haben wir auch den Trainer miteinbezogen. Aber irgendwann gehen uns die Argumente aus. Vielleicht sind wir bei Standards einfach nicht gut genug."

Das belegen auch die Zahlen: Allein in der Rückrunde kassierte der BVB neun Gegentreffern nach Standards. Nur Absteiger Hannover 96 steht in der Bundesliga schlechter da.

Das Abwehr-Problem des BVB lässt sich wohl nur auf eine Kombination der genannten Gründe zurückführen. Eins steht jedenfalls fest: Um noch eine Chance im Titel-Showdown zu haben, müssen sowohl Spieler als auch Trainer schnell an ihrem Nervenkostüm arbeiten und völlig unbeschwert in die Partie bei Borussia Mönchengladbach gehen. Doch auch dann ist der BVB noch darauf angewiesen, dass der FC Bayern München gegen Eintracht Frankfurt Nerven zeigt.

Lissy Beckonert

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