03.05.2019 08:59 Uhr

Ist Favre wirklich der Richtige für den BVB?

Lucien Favre und der BVB haben in dieser Saison noch drei wichtige Spiele
Lucien Favre und der BVB haben in dieser Saison noch drei wichtige Spiele

Nach der herben Niederlage im Revierderby gegen den FC Schalke 04 herrscht bei Borussia Dortmund Katerstimmung. In der Nachberichterstattung dominierte vor allem der Trainer der Schwarz-Gelben die Schlagzeilen. Die einen kritisierten Lucien Favre für seine taktischen Vorgaben, andere seine Aussagen nach dem Spiel. Mitten im Meisterkampf mit dem FC Bayern steht der Schweizer plötzlich am Pranger. Eine bemerkenswerte Entwicklung.

Rückblende: Ein Blick auf die Hinrunden-Tabelle der Fußball-Bundesliga genügt, um sich die Stimmung bei Borussia Dortmund im Dezember ins Gedächtnis zu rufen. Der BVB thront auf Platz eins, die Bayern hinken sechs Punkte hinterher. Die Euphorie im Ruhrgebiet ist fast greifbar, der Dank gilt vor allem einem Mann: Lucien Favre.

Der im Sommer verpflichtete Trainer formte in kürzester Zeit aus einer runderneuerten Mannschaft einen ernstzunehmenden Titel-Aspiranten. Mit brillantem Tempo-Fußball, aber auch mithilfe eines gesunden Mannschaftsgefüges und der taktischen Finesse des 61-Jährigen avancierte der BVB zum Überfliegerteam.

Naturgemäß sprudelte von allen Seiten Lob auf den Heilsbringer. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc sahen sich in der Verpflichtung des "akribischen Arbeiters" bestätigt, für Kapitän und Aushängeschild Marco Reus war Favre ohnehin "fachlich und menschlich der Beste" und die Presse feierte den Eidgenossen schon als "besseren Trainer als Klopp" ("Bild") und "Gewinner des Jahres" ("kicker").

BVB-Coach Favre fliegt Aussage um die Ohren

Zurück ins Hier und Jetzt: Nach der Derby-Schmach und dem verpassten Sprung auf Platz eins am vergangenen Wochenende scheint der Hochgelobte seinen großen Kredit nur fünf Monate später verspielt zu haben.

Der einstige Taktik-Fuchs steht für manche nur noch "da wie der Ober-Loser" ("Bild"-Kolumne), seine Aussage nach der Pleite gegen Schalke 04 sei ein "Skandal" ("Eurosport"-Kommentar). Was war passiert?

Favre hisste im Titelkampf kurz nach dem nervenaufreibenden 2:4 gegen Schalke 04 die weiße Fahne, das Spiel der Bayern gegen Nürnberg wollte er gar nicht erst abwarten. Öffentlich erklärte er: "Der Titel ist verspielt."

Fluch und Segen zugleich für Favre, dass die Münchner die Dortmunder Steilvorlage nicht nutzten und sich lediglich einen Punkt erspielten. Bei nur zwei Zählern Rückstand auf den Tabellenführer scheint doch noch alles möglich.

Favres unglückliche Aussage hat jedoch ein Nachspiel. Neuerdings wird er in Teilen der Medienlandschaft infrage gestellt, seine Tauglichkeit für den BVB müsse angeblich hinterfragt werden.

Zwar sprach Zorc seinem Trainer im "kicker" öffentlich das Vertrauen aus. Der BVB gehe "unabhängig davon, ob wir Meister werden oder nicht", mit dem Fußball-Lehrer in die neue Saison.

Dass der Dortmunder Sportdirektor drei Spieltage vor Schluss eine solche Aussage überhaupt tätigen muss, spricht jedoch Bände. Laut waren kürzlich noch die Rufe nach einer vorzeitigen Verlängerung des bis 2020 laufenden Vertrags.

Das Problem mit der Kommunikation

Wenig verwunderlich, dass kurz nach Favres Resignation die Dortmunder Macher einspringen mussten, um schnell die Wogen zu glätten. "Wir geben erst dann auf, wenn es rechnerisch nicht mehr möglich ist", widersprach Watzke dem Trainer in aller Deutlichkeit im "kicker". Der BVB habe schließlich "eine Verpflichtung den Fans gegenüber".

Ebenso darf es nicht überraschen, dass dem Coach im Titelrennen nun ausgerechnet sein Umgang mit der Öffentlichkeit zum Verhängnis wird. Schließlich war der wortkarge Favre in den vergangenen Monaten vor allem dafür bekannt, gebetsmühlenartig jegliche Titel-Ambitionen von sich zu weisen und nur "von Spiel zu Spiel zu denken".

Während die Bayern öffentlich Druck auf die Konkurrenz ausübten, blieb Favre stets reserviert. Und als der Titelkampf mit dem FC Bayern enger wurde, übernahm Michel Zorc das Säbelrasseln und manifestierte die Ansprüche des BVB.

Standard-Debatte sorgt für Unmut beim BVB

Zu allem Überfluss drückt mittlerweile auch intern der Schuh beim BVB. Innerhalb der Mannschaft häuften sich zuletzt kritische Stimmen.

So zeigte sich Torhüter Roman Bürki nach insgesamt 18 Standard-Gegentoren in dieser Saison sichtlich resigniert ob der fehlenden Einsicht von Favre.

"Wir Spieler haben immer wieder Argumente gebracht, um vielleicht etwas zu ändern", klagte der Schlussmann in der "Sport Bild": "Da haben wir auch den Trainer miteinbezogen. Aber irgendwann gehen uns die Argumente aus."

Teile des Kaders fordern seit längerem bei Ecken und Freistößen eine Manndeckung, Favre lässt dennoch im Raum verteidigen. Das 2:1 von Schalkes Salif Sané im Derby veranschaulicht, wie überfordert die Borussia-Defensive mit dieser Vorgabe ist. Tatenlos schauten die Schwarz-Gelben zu, wie der Schalker den Ball ins Netz nickte.

Ob Kritik aus den eigenen Reihen oder von außen - was Dortmund aus den Ereignissen des 31. Spieltags bleibt, ist zweierlei: Zum einen muss Lucien Favre dringend an seiner Außendarstellung arbeiten, nur dann dürfte er auch auf lange Sicht der richtige Trainer für den BVB sein.

Außerdem gilt, auch wenn Favre anderer Meinung ist: Borussia Dortmund kann immer noch Meister werden.

Gerrit Kleiböhmer

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