Kroos 2.0? Kimmich zwischen Kritik und Karriereplan

19 Spiele über die volle Distanz, ein Tor, elf Vorlagen - die Saison 2018/2019 könnte für Joshua Kimmich kaum besser laufen. Der 23-Jährige ist beim deutschen Fußball-Rekordmeister FC Bayern München gesetzt. Doch die Situation des Allrounders birgt Konfliktpotenzial.
Beim jüngsten 4:1-Sieg der Bayern gegen den VfB Stuttgart sorgte eine Szene im ersten Durchgang für Aufsehen. Da hüpfte Trainer Niko Kovac an der Seitenlinie wütend auf und ab, gestikulierte wild und schrie Richtung Ersatzbank: "Rafa, warmmachen!" Gemeint war Routinier Rafinha, der sich auf seine baldige Einwechslung vorbereiten sollte.
Nach kurzem Grübeln sah Kovac doch noch von einem frühen Spielertausch ab, dennoch verfehlte die Maßnahme ihre Wirkung nicht. Plötzlich trabte Rechtsverteidiger Joshua Kimmich nach hinten und ordnete sich in den Defensivverbund der Münchner ein.
Zuvor hatte der deutsche Nationalspieler allzu oft seine angestammte Position verlassen, um sich ins Angriffsspiel einzubringen. Problem: Durch seine Flügelläufe fehlte Kimmich immer wieder in der Abwehr - sehr zum Missfallen von Coach Kovac, der seinen Schützling nicht zum ersten Mal zu mehr Disziplin aufrief.

"Die erste Halbzeit war nicht gut, das hat der Trainer angesprochen", gestand Kimmich nach Schlusspfiff, wohl wissend, dass sein Fehlpass im Mittelfeld den zwischenzeitlichen VfB-Ausgleich (26.) eingeleitet hatte.
Kimmichs Selbstverständnis bereitet dem FC Bayern Sorgen
Ein gebrauchter Tag also? Mitnichten, schließlich war der gebürtige Schwabe an drei von vier Bayern-Toren beteiligt und sorgte auch sonst unentwegt für Unruhe im Stuttgarter Strafraum.
Letztendlich veranschaulichte Kimmichs wechselhafte Darbietung das Dilemma des Rekordmeisters. Die Verantwortlichen wissen: Vorne ist der 23-Jährige ein wichtiger Impulsgeber, hinten zuweilen ein Risikofaktor.
Teil des Problems ist Kimmichs Selbstverständnis als Mittelfeldspieler. In Interviews betont der Rechtsfuß regelmäßig, wie wohl er sich als Sechser vor der Abwehr fühlt. Bundestrainer Joachim Löw setzte den technisch starken Youngster zuletzt verstärkt als Abräumer ein und zeigte sich mit dessen Leistungen durchaus zufrieden.
Im Mittelfeld der Bayern ist jedoch selten Platz für Kimmich, der bislang nur vier Mal im Zentrum aufgestellt wurde. Glücklich ist der WM-Teilnehmer über diesen Zustand nicht, schließlich kann er seine strategischen Fähigkeiten auf der Außenbahn weniger einbringen.
Erliegt Kimmich dem Lockruf aus Barcelona?
Manch ein Fan befürchtet deshalb bereits einen Abschied des DFB-Stars, der in München noch bis 2023 unter Vertrag steht. Ihre Sorge: Interessierte Klubs könnten Kimmich einen Stammplatz auf seiner Lieblingsposition versprechen.
Konkret soll der FC Barcelona bereits versucht haben, den Deutschen von einem Wechsel zu überzeugen. Laut "Don Balon" hatten sich Gerard Piqué, Philippe Coutinho und Lionel Messi zuvor für einen Kauf Kimmichs stark gemacht.
Auch Barca-Legende Xavi rührte in der "Sport Bild" unlängst die Werbetrommel für die Katalanen. "Du wärst der perfekte Spieler für den FC Barcelona! Wie zuvor Philipp Lahm könnte auch Joshua Kimmich ohne Probleme bei Barcelona spielen, das würde gut passen", schmeichelte der 39-Jährige, der im Mittelfeld der Blaugrana jahrelang die Fäden gezogen hatte.
FC Bayern will zweite "Causa Kroos" verhindern
Freilich verschwenden die Bayern-Bosse bislang keinen Gedanken daran, ihren Defensiv-Allrounder vorzeitig abzugeben. Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Co. wollen mit allen Mitteln verhindern, dass sich die "Causa Kroos" wiederholt.
Den Weltmeister hatten die Münchner 2014 gen Madrid ziehen lassen in der Annahme, dass das vorhandene Personal schon ausreichen würde. Ein folgenschwere Fehleinschätzung: Angeführt von Passmaschine Kroos gewann Real drei Mal in Serie die Champions League, während die Bayern stets vorzeitig die Segel streichen mussten.
Ob Kimmich einen ähnlichen Weg gehen könnte, bleibt ungewiss. Ebenso, wie der Karriereplan des Nationalspielers aussieht. Doch der Status quo birgt Konfliktpotenzial: Will der FC Bayern auf höchstem Niveau erfolgreich sein, braucht er eine sattelfeste Defensive mit Profis, die ihre Aufgaben erfüllen.. Zugleich soll Freigeist Kimmich bei Laune gehalten werden - ein Drahtseilakt für alle Beteiligten.