Kovac und das Rotations-Problem

Nach zwei sieglosen Spielen in der Liga rangiert Bayern München "nur" auf Tabellenplatz zwei, böse Zungen reden sogar schon von einer "Mini-Krise". Was für die gesamte Liga wie ein Segen erscheint, wird nun zur ersten echten Bewährungsprobe für den neuen Trainer Niko Kovac!
Nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg und dem 0:2 bei Hertha BSC Berlin am vergangenen Freitag stören sich einige Kritiker an Kovacs Rotationsprinzip - allen voran Ex-Bayern-Star Stefan Effenberg. "Genau jetzt musst du die Rotation abstellen", erklärte der Champions-League-Sieger am Sonntag im "Doppelpass". "Die Situation gibt es im Moment nicht her."
Niko Kovac wechselte in der Tat merklich viel in den ersten Saisonwochen und tüftelte regelmäßig an der taktischen Formation seines Teams. In den vergangenen zwei Spielen blieben aber nun erstmals die gewünschten Erfolge aus. Hat Kovac tatsächlich zu viel rotiert?
Er selbst wehrt sich energisch gegen derartige Vorwürfe. "Sieben Spiele gewinnst du und rotierst, dann ist alles gut", sagte der 46-Jährige nach der ersten Pflichtspielniederlage in Berlin. "Und jetzt nach zwei Spielen will man alles infrage stellen, das ist zu einfach." Wenn er nicht rotieren würde, so Kovac, dann "wird gefragt, warum spielt der nicht?"
Unzufriedene Bayern-Stars?
Selbst einige Bayern-Stars sollen wegen der häufigen Wechsel schon murren. Laut der "Sport Bild" sind zum Beispiel Mats Hummels und Mittelfeldmotor James Rodríguez unzufrieden mit ihren dürftigen Einsatzzeiten. Was auch immer an diesen Gerüchten dran ist, sie verdeutlichen, dass die Rotation ein sehr sensibles Thema ist, erst recht für einen neuen Trainer.
Dabei bleibt Kovac eigentlich gar keine andere Wahl - wie schon vielen seiner Vorgänger. Mit regelmäßigen Einsatzzeiten muss er versuchen, alle Bayern-Stars bei Laune zu halten und gleichzeitig den internen Konkurrenzkampf zu beleben. Dieser trieb die Spieler in den Vorjahren immer wieder zu Höchstleistungen.
Dazu kommt, dass einige Schlüsselakteure aufgrund ihres Alters mehrfach Pausen benötigen, gerade im Hinblick auf die lange Saison. Franck Ribéry (35) und Arjen Robben (34) sind hierfür die besten Beispiele. Doch auch bei anderen Spielern will Kovac die Belastung nach der WM im Sommer früh steuern, damit sie über die gesamte Saison fit bleiben.
Nur zwei gesunde Außenverteidiger
Während dies gerade in der Offensive oder der Innenverteidigung problemlos möglich ist, sind Kovac auf anderen Positionen die Hände gebunden. Nach dem Innenbandriss von Rafinha und dem späten Verkauf von Juan Bernat zu Paris Saint-Germain stehen mit Joshua Kimmich und David Alaba nur noch zwei gesunde Außenverteidiger im Kader.
Auch wenn Kimmich bisher jedes Spiel über die volle Distanz machte, so brauchen auch diese beiden Spieler bei der bayrischen Dreifachbelastung hin und wieder eine Pause. Kovacs Antwort hierauf lautete, den gelernten Mittelfeldspieler Leon Goretzka hinten links auszuprobieren. Das Experiment blieb ohne großen Erfolg, doch es war eben auch aus der Not geboren.
Fernab jeder Rotations-Diskussion sieht Niko Kovac derzeit ganz andere Kernprobleme bei seiner Mannschaft: "Das, was uns im Moment fehlt, ist, dass wir Tore machen. Wir nutzen die Vielzahl der Chancen nicht." Die Statistik gibt ihm Recht: Nur schwache 22,6 Prozent der Münchner Großchancen führen zu Toren, Tabellenführer Borussia Dortmund nutzt zum Vergleich 47,5 Prozent seiner Möglichkeiten. Hinzu kamen sowohl gegen Augsburg als auch in Berlin eklatante individuelle Fehler in der Defensive.
Kovac bleibt trotz Negativ-Trend gelassen
Ein wirklicher Grund zur Beunruhigung sind die Fehltritte der vergangenen Woche für Kovac aber keineswegs. "Ich werde jetzt nicht anfangen, alles schwarz zu sehen", erklärt der gebürtige Berliner besonnen und weiß dabei genau, dass für die Bayern nichts schlimmer wäre, als Unruhe in den eigenen Reihen. Gleichzeitig liefert er ein selbstbewusstes Versprechen für die kommenden Spiele: "Es wird besser werden, das kann ich garantieren."
Die erste Möglichkeit zur Wiedergutmachung hat Kovac mit seinem Team am heutigen Abend. In der Champions League gastiert Ajax Amsterdam zum zweiten Gruppenspiel in der Allianz Arena und dürfte sich auf eine Münchner Mannschaft gefasst machen, die mit Nachdruck ihre "Mini-Krise" beenden möchte.
Moritz Wollert