10.07.2018 10:55 Uhr

Locker, lässig, Lingard: England auf Mission

Jesse Lingard steht mit England im WM-Halbfinale
Jesse Lingard steht mit England im WM-Halbfinale

Seit mehr als einem halben Jahrhundert jagt England seinen zweiten großen Titel, oft schwermütig und verzweifelt. Doch die Junglöwen haben das Mutterland des Fußballs befreit. Dank Spielern wie Jesse Lingard.

Frau Lingard hatte verstanden. Ihr Sohn hatte es ja auch laut und deutlich in die Soziale Netzwelt geschrien. "Nein Mutti, ich komme nicht nach Hause. Aber der Fußball ..." Also setzte sich Mrs. Lingard in den Flieger nach Samara und überraschte Jesse.

Auf der Tribüne fielen sich Mutter und Sohn nach dem Viertelfinalsieg gegen Schweden in die Arme - und wenige Momente später waren Millionen Zuschauer bei Instagram und Twitter wieder hautnah mit dabei.

Jesse Lingard, 25, ist einer der hungrigen Junglöwen Englands, die am Mittwoch (20:00 Uhr) gegen Kroatien um das WM-Finale kämpfen. Als laufstarker Mittelfeldspieler leistet er auf dem Rasen wertvolle Dienste, ohne sich in den Mittelpunkt des Rudels zu drängen. Ganz anders verhält sich Lingard nach dem Abpfiff: Dann wird er zu JLingz, der Marke mit Millionen von Followern, ein Popstar, der weder sich selbst, noch den Fußball allzu ernst nimmt.

Lingard verkörpert die jungen Löwen

Lingard plappert gerne und viel. Und er tanzt. Ständig. "Ich verstehe nicht, wenn die Leute sagen: 'Warum tanzt du immer?' Was meinst du damit? So bin ich einfach. Wer hat das Recht mir zu sagen, dass ich nicht tanzen darf?", fragte Lingard vor dem Abflug nach Russland im Gespräch mit dem Magazin "Short List". Eine Antwort darauf lieferte Ex-Nationalspieler Rio Ferdinand: "Solange du nichts gewonnen hast, darfst du solche Dinge nicht tun", sagte der TV-Experte.

Ferdinand steht für eine verlorene Generation englischer Fußballer, die mit heiligem Ernst und zunehmender Verzweiflung einem Traum hinterherjagte. Alternde Löwen ohne Biss, die nicht mehr in der Lage waren, die großen Erwartungen des Fußball-Mutterlandes zu erfüllen und schließlich nicht mehr geliebt wurden. Lingard verkörpert die jungen Löwen, die mit erstaunlicher Leichtigkeit Fans und Medien auf der Insel auf ihre "Route '66" ("The Sun") mitnehmen.

Spaßmacher toben sich im Internet aus

"It's coming home" - Der Fußball kommt nach Hause, selbst wenn es nicht zum ersten großen Titel seit 52 Jahren reichen sollte. Die Löwen haben begriffen, auf welch historischer Mission sie sich befinden, welche Auswirkungen ihre Auftritte auf das durch den Brexit tief verunsicherte Land haben. "Die Chance, alle Menschen in England durch den Fußball zusammenzubringen, die Stimmung zu verändern, ist gewaltiger, als das, was wir mit unseren Ergebnissen bewirken", sagte Trainer Gareth Southgate.

Es ist sein Verdienst, dass Spaßmacher wie Lingard oder Kyle Walker sich nicht nur im Internet, sondern auch auf dem Platz austoben. Southgate schottet seine Jungs nicht ab, lässt ihnen Freiheiten. Er weiß: "Die Spieler haben auch eine Stimme. Sie können junge Leute beeinflussen, vor allem aus den Gegenden, aus denen sie kommen. Sie geben ihnen Hoffnung." Sie sind glaubwürdig - und werden von ihrem Verband bestärkt.

Schon die Bekanntgabe des Kaders setzte Maßstäbe, junge Fans riefen die Namen ihrer Idole, 105 Sekunden dauerte die Vorstellung, der Clip ging viral. Anders als beim DFB passt das Marketing zu den Protagonisten, was natürlich keinen Titel garantiert, die Chancen aber erhöht - und die Sympathiewerte in die Höhe schnellen lässt. Lingards Lockerheit wirkt ansteckend.

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