05.07.2018 11:50 Uhr

Russland-Keeper Akinfeev: Zwischen Trottel und Gott

Igor Akinfeev wurde nach dem Elfmeter-Krimi gefeiert
Igor Akinfeev wurde nach dem Elfmeter-Krimi gefeiert

Igor Akinfeev war dazu auserkoren, in die Fußstapfen des großen Lev Yashin zu treten. Die Weltkarriere blieb aus - bei der Heim-WM in Russland wird der Torwart der Sbornaja dennoch als "Gott" gefeiert.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Gott der Sbornaja ein ausgemachter Trottel. Ein Torwart mit Flutschfingern, "lächerlich" in den Schlagzeilen der russischen Medien. Igor Akinfeev, das deutete sich vor vier Jahren in Brasilien an, hielt nicht das, was sein Talent versprochen hatte, weil er nicht hielt, was er halten musste.

Heute ist sein Anfängerfehler von Cuiaba gegen Südkorea und das schmachvolle WM-Aus in einer der leichtesten Gruppen 2014 längst verziehen, in Moskau singen die Menschen auf den Straßen: "Hey, hey, Igor Igor Akinfeev!" Spätestens seit dem Elfmeter-Krimi im Achtelfinale gegen Spanien ist er wieder ein Volksheld und steht plötzlich in der Tradition der großen Torhüter seiner Heimat.

"Akinfeev ist ein Gott", sagt nicht nur sein Jugendtrainer Pavel Koval, als übermenschlich bezeichnete ihn auch die Zeitung "Komsomolskaja Prawda" nach den Großtaten gegen Koke und Iago Aspas. Für Koval ist sein früherer Schützling längst eine Legende. "Ich habe drei große Torhüter gesehen. Es gab die Ära von Lev Yashin, die Ära von Rinat Dasayev und jetzt die Ära von Akinfeev."

Auf den Spuren der ehemaligen Welttorhüter?

Russland ist keine Nation mit tiefverwurzelter Fußballkultur, weil auch die Sowjetunion keine war. Weltruhm erlangten nur Yashin, Europameister von 1960, und Dasayev, EM-Zweiter von 1988. Beide waren Erscheinungen im Strafraum und wurden mit Preisen überhäuft; Yashin ausgezeichnet zum Welttorhüter des 20. Jahrhunderts, Dasayev gewählt zum Welttorhüter vor 30 Jahren.

Akinfeev war auserkoren, in ihre Fußspuren zu treten. Wie Yashin (Dynamo) und Dasayev (Spartak) spielt er in der Hauptstadt beim Vorzeigeklub ZSKA Moskau. Mit 16 debütierte er in der russischen Liga und hielt gleich in seinem ersten Spiel einen Elfmeter. Im WM-Viertelfinale am Samstag in Sotschi (20:00 Uhr) bestreitet er gegen Kroatien sein 111. Länderspiel, seine berühmten Vorgänger hat er in dieser Statistik längst hinter sich gelassen.

Und dennoch hat Akinfeev die hohen Erwartungen nie erfüllt, nicht nur wegen des Aussetzers in Brasilien. Immer wieder wurde er mit Schwergewichten des europäischen Fußballs in Verbindung gebracht, mal sollte er zu Bayern München gehen, mal zu Manchester United. Doch Akinfeev blieb in Moskau, mit ZSKA kassierte er in 43 Europapokalspielen nacheinander mindestens ein Tor. Eine Bestmarke auf die er gerne verzichtet hätte.

Cherchesov stellt sich hinter Akinfeev

Mit hohen Erwartungen kennt sich auch Stanislav Cherchesov aus, nicht nur als Trainer der Sbornaja. Der Schnauzbartträger war einst auch Torwart, unter anderem bei Spartak Moskau, Lokomotive Moskau und in der Bundesliga bei Dynamo Dresden. Er vertraut seinem Kapitän und nahm ihm auch den Fehler beim 0:3 im letzten Gruppenspiel gegen Uruguay nicht krumm, als Akinfeev einen Freistoß von Luis Suárez in die Torwartecke rauschen ließ.

Cherchesov hält Akinfeev weder für einen Trottel, noch für einen Gott, sondern einfach nur für einen guten Torwart. Akinfeev dankt ihm den Rückhalt, indem er hält, was er halten muss - und manchmal sogar etwas mehr.

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