04.07.2018 12:12 Uhr

Vom "Hund" an der Theke zum Hoffnungsträger

Mário Fernandes sorgt mit der Sbornaja für Furore
Mário Fernandes sorgt mit der Sbornaja für Furore

Einst trug Mário Fernandes das Trikot der Selecao, am Samstag kämpft der gebürtige Brasilianer mit der Sbornaja um den Einzug ins WM-Halbfinale. Dabei spricht er nicht einmal russisch.

Als kleiner Junge in Sao Caetano do Sul hatte Mário Fernandes von diesem Tag geträumt. So wie fast jeder Junge in Brasilien davon träumt, einmal in seinem Leben für die Selecao aufzulaufen. Dass er einmal ein anderes Nationaltrikot tragen würde, als den kanarienvogelgelben Dress, kam Fernandes nie in den Sinn. Erst Recht nicht bei seinem Debüt für den Rekordweltmeister im Herbst 2014 - wenige Wochen nach Brasiliens nationaler Schande im Halbfinale der Heim-WM gegen Deutschland.

Am Samstag vor dem Halbfinale in Sotschi gegen Kroatien wird Fernandes in seiner neuen Heimat das rote Hemd der Sbornaja überziehen, und er wird es mit Stolz tragen, auch wenn er die Worte der Nationalhymne nicht versteht. So schnell ändern sich die Zeiten. Fernandes ist jetzt Russe.

"Mein Problem war das Nachtleben"

Um seinen Sinneswandel zu verstehen, um zu begreifen, warum Fernandes seinen Traum von einer Karriere in der Selecao opferte und für ein Land aufläuft, dessen Sprache er nicht spricht, muss man seinem Bruder zuhören. "Russland", erzählte Jo Fernandes dem amerikanischen Sportmagazin "Bleacher Report", "hat sein Leben verändert". Die Russen haben Mario alle Türen geöffnet, "er sagt mir immer wieder, er hat den besten Platz der Welt gefunden".

Fernandes' Wechsel vor sechs Jahren von Gremio Porto Alegre zu ZSKA Moskau war alles andere als ungewöhnlich, viele Brasilianer verdienen viel Geld in der russischen Liga. Das lockte auch den Rechtsverteidiger, der in seiner Heimat als ebenso talentiert wie schludrig galt. "Mein Problem war das Nachtleben", sagt Fernandes über die Anfänge seiner Karriere. "Ich habe viel getrunken, als ich in Porto Alegre gespielt habe. Das bereue ich heute."

Aus der Sbornaja nicht mehr wegzudenken

Erst 12.000 Kilometer vom sonnigen Bundesstaat Rio Grande do Sul entfernt fand Fernandes zu sich selbst - und seine wahre Bestimmung. Wladimir Putin persönlich, so heißt es, verschaffte ihm per Präsidialdekret einen russischen Pass, im Oktober 2017 debütierte er für das Team von Trainer Stanislav Cherchesov und ist seitdem aus der Sbornaja nicht mehr wegzudenken. Bei der WM fehlte er nur im Gruppenspiel gegen Uruguay in der Startelf, das 0:3 ist bislang die einzige Niederlage der Außenseiter im Turnierverlauf.

Cherchesov hält große Stücke auf seinen Brasilianer, auch wenn Fernandes noch immer kein Russisch spricht. "Mario ist wie ein Hund. Er versteht alles, was er tun soll, aber er kann nicht antworten", sagte der Ex-Torwart von Dynamo Dresden: "Das Wichtigste ist jedoch, dass er seine Arbeit gut macht." Die verrichtet er derart souverän, dass sich manch einer in Brasilien ärgert, dass der Verteidiger nicht mehr im Dress der Selecao aufläuft. Nicht nur in Fernandes Heimatstadt Sao Caetano do Sul.

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