07.06.2018 07:40 Uhr

Bender: "Die Bayern müssen sich verbessern"

Manfred Bender spielte in der Bundesliga unter anderem beim FC Bayern
Manfred Bender spielte in der Bundesliga unter anderem beim FC Bayern

Manfred "Manni" Bender absolvierte 229 Spiele in der Fußball-Bundesliga, mit dem FC Bayern München wurde der frühere Mittelfeldspieler zweimal deutscher Meister. Seit 2017 arbeitet Bender als sportlicher Leiter am Deutschen Fußball Internat (DFI) in Bad Aibling.

Im exklusiven Interview mit weltfussball spricht der 52-Jährige über seine Arbeit mit den Bundesliga-Stars von morgen, die hohen Anforderungen an heutige Talente sowie Probleme im Nachwuchs des FC Bayern.

Herr Bender, in wenigen Tagen beginnt die Weltmeisterschaft in Russland. Sie selbst haben trotz ihrer erfolgreichen Profi-Karriere nie in der Nationalmannschaft gespielt. Hätten Sie auch gerne mal an einem großen Turnier teilgenommen?

Manfred Bender: Ich glaube, dass jedes Kind und jeder Fußballer davon träumt, einmal bei einer EM oder WM spielen zu dürfen. Meine beste Zeit war zwischen 1990 und 1997, da war die deutsche Nationalmannschaft als Welt- und Europameister extrem stark. Der damalige Bundestrainer Berti Vogts hat dann letztlich einen anderen Spielertypus bevorzugt.

Sie haben sich nach Ihrer aktiven Laufbahn zunächst als Profi-Trainer versucht und sind dann den Schritt in die Jugendarbeit gegangen. Welche Motivation steckte dahinter?

Ich war in den letzten Jahren immer viel unterwegs und wenig zu Hause. Das Angebot kam dann einfach zum richtigen Zeitpunkt. Das DFI liegt nur 40 Minuten von meinem Wohnort Ismaning entfernt. So konnte ich ein bisschen mehr in meiner Heimat bleiben. Gleichzeitig hat es mich auch gereizt, etwas Neues ausprobieren und mich weiterzubilden.

Was sind Ihre konkreten Aufgaben als sportlicher Leiter am DFI?

In ersten Linie bin ich für die Koordination der Trainerarbeit zuständig. Wir haben hier viele studentische Trainer, für die es auch wichtig ist, einen ehemaligen Profi als Ansprechpartner zu haben. Da entstehen dann positive Synergien, wo jeder von dem anderen etwas lernen kann. Daneben arbeite ich auch selbst zweimal die Woche mit unseren besten Spielern im U15- und U16-Bereich, bei denen wir glauben, dass sie den Weg in den Profifußball schaffen können. Dort versuche ich dann auch, meine Erfahrungen weiterzugeben.

Was ist das Besondere an der Talentförderung des DFI?

Unser Vorteil ist, dass die Schule nur 50 Meter entfernt vom Internat liegt. Dadurch können wir schon vormittags je nach Stundenplan individuell trainieren. So kommen wir auf sechs bis sieben Trainingseinheiten pro Woche und können folglich entsprechend große Fortschritte erzielen. Daneben gewährleisten wir durch die Arbeit unserer Pädagogen und Nachhilfelehrer, dass auch die schulischen Leistungen den Erwartungen entsprechen. Die Eltern legen natürlich großen Wert darauf, dass die Kinder auch ihren Abschluss erfolgreich machen.

Welche Talente versuchen Sie mit Ihrem Konzept anzusprechen und wie läuft ein Wechsel an das Internat ab?

Grundsätzlich haben wir Mannschaften von der U11 bis zur U19 im laufenden Spielbetrieb. Wir beobachten natürlich Spieler, wenn wir gegen andere Mannschaften spielen und fragen dann nach, ob eventuell Interesse besteht, ans DFI zu kommen. Daneben erhalten wir auch Bewerbungen von den Eltern. Diese Spieler sichten wir dann über mehrere Einheiten in einem Probetraining. So können wir das Talent einschätzen und sehen, ob der Spieler zu uns passt und ob er sich hier auch wohlfühlt. Dabei sind wir jedoch nicht nur hier lokal tätig, sondern haben auch Talente beispielsweise aus Südafrika.

Welches Ziel verfolgen Sie mit der Förderung der Talente? 

Unser Ziel ist es die Spieler so weit auszubilden, dass Sie den nächsten Schritt an einem Nachwuchsleistungszentrum packen können. Das ist nicht nur so dahergeredet. Letztlich geben wir auch teilweise unsere besten Spieler ab, damit diese sich bei einem Bundesligisten weiterentwickeln können. Da geht das Interesse des Spielers vor. In der Winterpause ist zum Beispiel einer unserer Besten aus der U15 ans Nachwuchsleistungszentrum der SpVgg Unterhaching gewechselt. Auch der FC Bayern und 1860 München holen regelmäßig Jungs von uns ins Probetraining.

Gibt es qualitative Unterschiede zwischen Ihrer Arbeit und der in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten?

Das Niveau in einem Nachwuchsleistungszentrum ist nochmal ein bisschen extremer. Dort steht die Leistung noch stärker im Vordergrund und dementsprechend höher ist auch der Druck. Da ist dann Schluss mit Streicheleinheiten, während die Spieler hier noch gewisse Komfortzonen erhalten. Aber unsere Einrichtung bietet gerade für Spieler im jungen Alter schon ein sehr gutes Umfeld zur Weiterentwicklung. Obwohl es das DFI erst seit sechs Jahren gibt, spielen wir mit der U13 und der U15 schon in der höchsten Spielklasse. Gerade da sind wir schon sehr gut aufgestellt.

Können Sie bereits im Jugendalter erkennen, welche Spieler das Potential haben, im Profi-Fußball zu landen?

Bei dem ein oder anderen kann man schon im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren das Talent erkennen. Aber gerade danach kommt es eben auch auf das soziale Umfeld an, wenn die Mädels oder die Freunde dazukommen und die Jungs vielleicht auch die ein oder andere Kneipe kennenlernen. Das sind dann alles Verlockungen, wo manch einer noch einmal einen anderen Weg einschlägt. Auch Spieler, die vielleicht weniger Talent haben und mehr über die Mentalität kommen, erkennt man schon zwischen 14 und 16. Bei der Einschätzung haben wir hier natürlich auch den Vorteil, dass wir die Jungs jeden Tag sehen und eben nicht nur drei Mal die Woche, wie der herkömmliche Vereinstrainer.

Das DFI verlangt einen Jahresbeitrag von über 20.000 Euro pro Spieler. Sprechen Sie nur Kinder aus Familien mit sehr guten finanziellen Möglichkeiten an?

Wir machen das hier auch ein bisschen nach dem amerikanischen Prinzip. Wenn wir einen Spieler sehen, der außergewöhnlich talentiert ist und die Eltern den Internatsbeitrag nicht aufbringen können, dann setzten wir uns zusammen und er bekommt ein Stipendium. Wir wollen natürlich auch schauen, dass wir die besten Jungs bekommen. Wir haben 105 Plätze, die sind ausgebucht und wir haben eine Warteliste. Ziel ist es, dass die Spieler, die neu dazukommen, besser sind als die, die wir abgeben und so die Leistungsdichte immer weiter zunimmt.

Laut der DFL ist das Durchschnittsalter der Teams in der Bundesliga seit der Jahrtausendwende um mehr als zweieinhalb Jahre von 27,1 auf 24,5 gefallen. Müssen Jugendspieler immer früher in der Lage sein, auf Bundesliganiveau mitzuhalten?

Definitiv. Ich bin selbst damals erst mit 22 Jahren Profi geworden, Edgar Schmitt (Teamkollege von Bender beim Karlsruher SC, Anm. d. Red.) damals gar erst mit 28. Sowas ist heutzutage völlig unvorstellbar. Das Scouting der Erst-, Zweit- und Drittligisten ist ein anderes. Dazu kommen die internationalen Vereine. Spätestens ab der U19 müssen die Jungs heute abliefern. Da braucht man dann ein stabiles Umfeld, um das zu schaffen. Da wird alles abverlangt.

Jonas Hector vom 1. FC Köln ist Teil der WM-Kaders, ohne im Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet worden zu sein. Ist so ein Weg, wie er ihn beschritten hat, in Zukunft noch denkbar?

Ich glaube es wird immer wieder einen geben, der erst mit 18 aufblüht. Aber das wird immer seltener werden. Wie gesagt: Das Scouting ist einfach zu gut geworden. Da wird bis in die Bezirksligen runtergeschaut. Es ist fast schon unmöglich, nicht entdeckt zu werden, wenn man Talent hat.

Welche Vereine machen Ihrer Meinung nach die beste Jugendarbeit im deutschen Fußball?

Der Vorreiter ist mit Sicherheit Schalke 04. Die gehören schon seit Jahrzehnten zu den besten Ausbildungszentren. Jetzt kommt noch RB Leipzig dazu, die für mich in der Konstellation mit RB Salzburg und dem FC Liefering das beste Konzept in Europa haben. Da können Spieler je nach Leistungsfortschritt in Österreich Spielpraxis sammeln. Wie man sieht, gibt es dort eine gute Durchlässigkeit. Diese österreichischen Klubs bilden einfach auf einem anderen Level Spieler aus als Bayern München, wo Talente nur in Regionalliga-Mannschaft Erfahrungen sammeln können.

Apropos Bayern: Ihr ehemaliger Verein hat nachweislich keine große Durchlässigkeit zwischen Nachwuchsabteilung und Profi-Team. Kann das der Anspruch des Rekordmeisters sein?

Bayern hat zuletzt viel Geld in einen neuen Campus investiert. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wollen auch mal wieder eine Generation sehen, wie damals mit Lahm, Müller und Schweinsteiger. Aber bei Bayern ist das einfach schwer, weil es kein richtiger Ausbildungsverein ist. Anderswo ist die Durchlässigkeit auf jeden Fall besser. Die Bayern müssen sich gerade nach den Investitionen in die Infrastruktur jetzt verbessern. Da wird es schon entsprechende interne Anweisungen geben.

In England gibt es Überlegungen, eine gewisse Durchlässigkeit zu erzwingen. Dort sollen striktere Regeln den Vereinen vorschreiben, dass eine gewisse Anzahl von Spielern im Kader die eigene Jugend durchlaufen haben muss. Wie stehen Sie zu so einem Konzept der erzwungenen Durchlässigkeit?

Bei den Engländern kann man das auf jeden Fall verstehen. Da spielen in den Mannschaften kaum noch Engländer, sondern das meiste ist eingekauft. Dass sich der Verband gerade in Anbetracht der Erfolglosigkeit der Nationalmannschaft Gedanken macht und die Regeln verschärfen will, ist nur logisch. In Deutschland haben wir da eine ganz andere Situation. In den oberen drei Ligen sind die Chancen für den Nachwuchs ohnehin gut, ohne dass es entsprechende Regeln geben müsste.

Das Gespräch führte Jonas Hofmann

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