03.09.2017 12:30 Uhr

Das Ende der Ära Marcel Koller

Die sportliche Führung des ÖFB weiß: Der Traum von der WM 2018 ist vorbei
Die sportliche Führung des ÖFB weiß: Der Traum von der WM 2018 ist vorbei

Aus, Schluss und vorbei. Die 0:1-Niederlage am Samstagabend in Wales zerstörte endgültig Österreichs Hoffnungen auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2018. Auch die Ära von Marcel Koller neigt sich damit dem Ende zu.

Drei Spieltage stehen noch aus. Aber in der Gruppe D ist für die rot-weiß-rote Auswahl nach der Pleite im WM-Qualifikationsspiel in Cardiff alles gelaufen. In negativer Hinsicht. Serbien steht mit 15 Punkten an der Spitze, dahinter folgen Irland mit 13 Zählern und Wales mit elf Punkten. Österreich hält weiter bei nur acht Zählern und hat damit nur noch theoretische Chancen auf ein Ticket beim FIFA World Cup in Russland.

Als der ÖFB-Teamchef nach der bitteren Schlappe vor 32.633 Zuschauern im Cardiff City Stadium zur Pressekonferenz kam und auf dem Podium Platz nahm, da hämmerten die walisischen Journalisten längst in die Tasten. Das Goldtor des 17-jährigen Debütanten Benjamin Woodburn von Liverpool in der 74. Minute ließ sie von einer großen Nacht für die Hausherren schwärmen.

Die ersten 45 Minuten, in denen die Gastgeber teilweise nur wie bei einer "Hösche" im Training im Kreis den Ball nachliefen? Längst vergessen und kein Thema mehr. Der schwache Auftritt ihrer Stars Gareth Bale und Aaron Ramsey? Völlig uninteressant. Die Schlagzeilen gehörten Ben Woodburn. Baujahr 1999 und seit dem Vorjahr jüngster Torschütze der glorreichen Liverpool-Vereinsgeschichte, nun auch erstmals der Held im Nationalteam.

Wie kann man mit so viel Qualität so wenig erreichen?

Wales-Teamchef Chris Coleman hatte bereits vor seinem Kollegen gesprochen und gegenüber weltfussball offen und ehrlich zugegeben, welchen teilweise eklatanten Qualitäts-Unterschied es bis zum Wechsel gegeben hatte.

"Österreich hat wirklich eine sehr starke und talentierte Mannschaft. Wir hätten zur Pause auch 0:2 zurückliegen können. Da haben wir gesehen, wie schwierig es gegen diesen Gegner ist, der wirklich großartigen Fußball spielen kann. Schon vor dem 2:2-Remis in Wien hatten sie zu Hause seit langer Zeit kein Pflichtspiel verloren und das war sicher kein Zufall. Aber das war diesmal unsere Nacht", meinte der sympathische Cheftrainer des EM-Halbfinalisten.

Nicht Erfolgscoach Coleman, sondern sein Gegenüber muss sich fragen lassen, wie mit so viel mehr an fußballerischer Klasse für wenig Erfolg möglich ist. In vier Spielen gegen Wales und Irland kein einziger Sieg. Zwei Remis und zwei Niederlagen gegen wirklich biedere Gegner mit begrenzten spielerischen Mitteln. Kampfgeist, Härte, Leidenschaft und Mentalität reichen um Österreichs technische Überlegenheit Schachmatt zu setzen.

Vorerst keine Gedanken an die Zukunft - wirklich nicht?

Dann saß er endlich da. Es war kein leichter Gang für Marcel Koller. Es war dem Schweizer anzumerken. Seine Match-Analyse war wie immer. Passend. Auf den Punkt gebracht. Ehrlich. Auch kritisch. Doch einmal mehr galt es sich verbal mit einer Niederlage auseinanderzusetzen. Nur zwei Siege in den letzten 13 Länderspielen. Eine katastrophale Ausbeute. Kein Zufall mehr.

Die tolle Bilanz mit der ungeschlagenen EM-Qualifikation wurde längst vom Scheitern bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich und nun auch mit dem geplatzten Traum von der Weltmeisterschaft 2018 in Russland überschattet. Österreich weiter seit 1998 bei einer WM nur Zuschauer. Bitter, schmerzhaft, auch die Ära Koller geht ohne eine einzige Teilnahme am FIFA World Cup zu Ende.

Doch der 56-Jährige ist lang genug im Geschäft, um sich nicht zu überhasteten oder unüberlegten Reaktionen hinreißen zu lassen. Koller weiß ganz genau, dass sein gut dotierter Vertrag noch bis zum Ende der WM-Qualifikation läuft. Er hat damit noch drei Spiele Zeit über seine Zukunft nachzudenken. Fast ist aber: Diese wird nicht mehr in Österreich liegen.

"Es wäre zu früh nun darüber zu sprechen. Es stimmt, mein Vertrag läuft im November nach dem Ende der WM-Qualifikation aus. Aber ich weiß jetzt noch nicht, was die Gespräche bringen werden. Es ist schwierig so kurz nach dem Spiel zu sagen, ob ich weitermachen will oder ob es Zeit für etwas Neues ist", sagte Koller von weltfussball auf seine weitere Trainer-Tätigkeit angesprochen. 

Die Gespräche mit ÖFB-Sportchef Willi Ruttensteiner und Verbandsboss Leo Windtner werden folgen. Man kann ihnen vorgreifen: Es ist Zeit für einen Wechsel auf der Position des Cheftrainers und einen neuen Reiz von außen.

Die beiden besten Kandidaten stehen nicht zur Verfügung

Das Problem für den ÖFB ist nur: Die beiden besten Kandidaten für die prestigeträchtige Position als Teamchef des Heimatlandes stehen nicht zur Verfügung. Peter Stöger und Ralph Hasenhüttl sind durch ihre erfolgreiche Tätigkeit in der deutschen Bundesliga unabkömmlich.

Stöger führte den 1. FC Köln in die Europa League, Hasenhüttl darf mit RB Leipzig sogar in der Champions League ran. Erfolgreiche rot-weiß-rote Exporte auf dem Betreuer-Sektor. Zu erfolgreich, um sie aktuell loseisen zu können.

Im Ernst Happel-Stadion muss deshalb nach einer anderen Lösung gesucht werden. ÖFB-Rekordteamspieler Andreas Herzog wäre für viele Nostalgiker der logische neue Mann. Insider sehen jedoch die "Lobby" von Herzog im österreichischen Fußball-Bund als enden wollend an. Noch nie "Chef" bei einer Vereinsmannschaft und als Verantwortlicher mit Österreichs U21-Team sowie der US-Olympia-Auswahl nicht vom Erfolg verwöhnt. Man wird sehen, ob es Herzog auf die "short list" bei der Teamchef-Auswahl des Sportdirektors schaffen wird.

Zukunftsmusik. Am Dienstag beim Heimspiel gegen Georgien, wo sich eine Minuskulisse im Wiener Prater ankündigt, wird noch Marcel Koller das Zepter in der Hand haben. "Sie haben als Spieler und Trainer ja schon viel erlebt. Aber wie geht es ihnen eigentlich als Mensch nach dieser Enttäuschung Herr Koller?" weltfussball tat die journalistische Pflicht der Frage. Vom Schweizer gab es eine ehrliche Antwort: "Die Enttäuschung ist in der Tat da. Der Frust nach dieser Niederlage ist sehr groß. Natürlich gibt es da auch Überlegungen etwas anderes zu machen."

Es war endlich ausgesprochen. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Schade, dass die sonst erfolgreiche Teamchef-Ära des stets ruhigen, ausgeglichenen und zurückhaltenden Schweizers mit den Enttäuschungen bei der EM-Endrunde und in der WM-Qualifikation einen großen Makel hat. Marcel Koller hat in Wien einen guten Job gemacht. Aber nun ist es Zeit für Veränderung. 

Mehr dazu:
>> Die besten Bilder des österreichischen Nationalteams
>> Ergebnisse und Tabelle von Österreichs WM-Qualifikationsgruppe

Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Cardiff

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