26.05.2017 13:42 Uhr

RC Straßburg: Wundersamer Aufstieg eines Kult-Klubs

Der RC Strasbourg ist wieder erstklassig
Der RC Strasbourg ist wieder erstklassig

Die Legende lebt! Der RC Strasbourg ist nach Jahren in den Niederungen von Frankreichs Amateurfußball wieder in die Ligue 1 aufgestiegen. Ein altes Stadion, heißblütige Fans, eine historisch prekäre Region und ein ehemaliger Karlsruher an der Klubspitze - ein bunter Fleck auf Frankreichs Fußballkarte ist zurück.

111 Jahre alt und damit einer der ältesten französischen Vereine überhaupt, über 2000 Spiele in der Ligue 1, dreimaliger Pokalsieger sowie Meister 1979 – der Racing Club de Strasbourg Alsace ist einer der absoluten Kultvereine in Frankreich und repräsentiert den Osten des Landes wie kein anderer Sportklub.

Nach neun Jahren Abstinenz sicherte sich der RCSA in einem denkwürdigen Saisonfinale den ersten Platz in der Ligue 2 durch ein knappes 2:1 gegen Bourg-Péronnas. Fast 30.000 Zuschauer im alten Stade de la Meinau sowie 10.000 weitere in der Innenstadt tränkten die Stadt an der deutsch-französischen Grenze in ein blau-weißes Farbenmeer.

Die Rückkehr ins Oberhaus ist umso emotionaler, weil die Elässer auf eine lange Leidensgeschichte zurückblicken. Anfang der 2000er Jahre mit Enfants terribles wie José Luís Chilavert oder Danijel Ljuboja als Chaosklub mit Höhen und Tiefen verschrien, leitete der Erstligaabstieg 2008 den tiefen Fall der "Alsaciens" ein.

Misswirtschaft und ständig wechselnde Klubpräsidenten und Trainer fuhren Straßburg, das 2009 noch Austragungsort der EM 2016 hatte werden sollen, endgültig gegen die Wand. 2011 musste der Klub Insolvenz anmelden und in der 5. Liga neu starten.

Fußball vereint die Kulturen

Viele Fans befürchteten das Ende ihres Racing Clubs und eine Massenflucht zu den benachbarten Profiklubs Metz, Nancy oder Dijon. Doch weit gefehlt – auch in den Niederungen des französischen Fußballs blieben die Anhänger ihrem Verein treu und stellten bis in die zweite Liga hinein Zuschauerrekorde auf.

"Die Zuschauer haben den Klub gerettet", sagt Straßburgs Vize-Bürgermeister Alain Fontanel und ergänzt: "Der Elsass ist eine historisch ganz besondere Region mit großer deutsch-französischer Diversität. Racing stiftet Identität und schweißt die unterschiedlichen Menschen hier fest zusammen."

Deutsche Stehplatzmentalität

In der Tat hängen die vier Aufstiege in den letzten sechs Jahren eng mit der gewaltigen Unterstützung von den Rängen zusammen. In Anspielung auf den beliebtesten Klub des Landes gilt Straßburg als "Marseille des Ostens" und tauchte in der vergangenen Saison selbst als Zweitligist regelmäßig in den Top 5 der französischen Zuschauertabellen auf.

"Wir sind in Straßburg stark von der deutschen Stehplatz-Fankultur beeinflusst. Das wird uns auch in der Ligue 1 auszeichnen, wo viele Stadien wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen nur halb gefüllt und ziemlich leise sind", so ein Anhänger einer Straßburger Ultra-Gruppierung gegenüber "Le Parisien".

Kollektiv als Garant für den Durchmarsch

Dieser bedingungslose Zusammenhalt ist auch sportlich der entscheidende Faktor der Blau-Weißen in der abgelaufenen Spielzeit gewesen. Als Aufsteiger aus der 3. Liga nach 15 Spieltagen noch auf dem 11. Rang, startete der RCSA vor allem in der Rückrunde durch und verwies schließlich auch die finanziell weitaus besser gestellte Konkurrenz aus Lens oder Reims auf die Plätze.

"Racing war nicht unbedingt stärker als andere Mannschaften, aber das Entscheidende war unsere Einstellung. Unser Teamgeist war fantastisch, es gab keinerlei Probleme innerhalb der Mannschaft", betont der ehemalige Karlsruher Marc Keller, seit fünf Jahren Präsident seines Kindheitsklubs und mitverantwortlich für den Wiederaufbau am linken Rheinufer.

Mittellos zum Klassenerhalt

Ein anderer Schlüssel war die beste Offensive der Liga, in der vor allem Toptorjäger Khalid Boutaïb mit 20 Saisontoren heraussticht. Der inzwischen 30-jährige Marokkaner wurde jedoch erst vor drei Jahren Profi und zögert noch, seinen auslaufenden Vertrag im Elsass zu verlängern – angeblich soll er hochdotierte Angebote aus der Türkei und den Emiraten vorliegen haben.

Schließlich ist der ehemalige Pleite-Klub finanziell nach wie vor nicht auf Rosen gebettet. Die Rückkehr in die höchste Spielklasse ging schneller als erwartet, das Budget wird in der kommenden Saison bei gut 30 Mio. liegen und damit zu den kleinsten der Ligue 1 gehören.

Dennoch: Mehr als eine ganze Region steht hinter dem Ex-Meister und wird den Racing Club unabhängig vom Saisonverlauf tragen. "Der Aufstieg stand wie ein Berg vor uns, und wir haben es geschafft", so Marc Keller. Der nächste Berg wartet bereits ab August.

Johann Mai

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