Piszczek beim BVB: Neue Rolle, neues Glück

Łukasz Piszczek ist bei Borussia Dortmund vor dem Revierderby auf Schalke (am Samstag ab 15:30 Uhr im sport.de-Liveticker) eine der zentralen Säulen. Der Pole verkörpert nicht nur die Derby-Tugenden wie kein Zweiter im Kader des BVB. Nach einer schweren Zeit hat sich der 31-Jährige in den letzten Monaten in ungewohnter Rolle auch neu erfunden.
Es ist der typische Verlauf eines BVB-Spiels in diesen Tagen. Der Mannschaft gelingt nach starker Anfangsphase der Führungstreffer. In der 20. Minute köpft Wolfsburgs Abwehrspieler Jeffrey Bruma eine Hereingabe von Łukasz Piszczek ins eigene Tor. Danach schalten die Schwarzgelben einen Gang zurück. Kurz vor der Pause vergibt der VfL die Riesenchance zum 1:1.
In der Halbzeit stellen sich die Fans im wegen der Südtribünen-Sperre nur spärlich besetzten Signal Iduna Park auf eine Zitterpartie ein. Doch weit gefehlt: Wenige Zeigerumdrehungen nach Wiederanpfiff steht Piszczek nach einem Freistoß am Fünfmeterraum goldrichtig und nickt zum 2:0 ein. Der Widerstand der Wölfe ist gebrochen. Ousmane Dembélé legt später nach Vorarbeit des überragenden Piszczek noch den dritten Treffer für Dortmund nach.
Das wohl spielentscheidende Tor Mitte Februar im Bundesligaspiel gegen Wolfsburg war bereits das fünfte für Piszczek in der laufenden Saison. Der Routinier stellte damit eine persönlichen Bestmarke auf. Fünf Treffer in einer Spielzeit waren ihm bisher in seiner Karriere im deutschen Oberhaus nie gelungen.
Tuchel über Piszczek: "Ich liebe ihn"
Nach der Gala-Vorstellung Piszczeks gegen Wolfsburg sang BVB-Trainer Thomas Tuchel eine Lobeshymne auf den Matchwinner.
"Ich liebe ihn. Als Persönlichkeit und als Mensch", schwärmte der Coach. "Er ist ein Vorbild, wie man es sich nur wünschen kann, verkörpert alles, was den BVB auszeichnet und wofür der BVB stehen soll. Ich freue mich, dass er aktuell so gut drauf ist."
Tatsächlich gehört Piszczek in einer inkonstanten Dortmunder Mannschaft zu den konstantesten Spielern. Der drittbeste Liga-Torschütze des BVB spielt fast immer - und fast immer gut.
Schwächen kaschiert, Stärken betont
Dabei setzt Tuchel den einsatzfreudigen Dauerläufer seit der Winterpause häufig in einer für ihn ungewohnten Rolle ein: als rechter Verteidiger in einer Dreierkette.
Dort fällt die nachlassende Endgeschwindigkeit des vormaligen Außenverteidigers nicht so stark ins Gewicht. Seine Stärken, gutes Auge, Passsicherheit und Vorwärtsdrang im richtigen Moment, kann Piszczek aber ideal ausspielen.
Der 54-fache Nationalspieler habe diese Position "sehr gut angenommen", man sei "komplett zufrieden" mit ihm, lobte Sportdirektor Michael Zorc den Profi gegenüber dem "kicker". Dem aktuell unverzichtbaren Piszczek winkt nun sogar eine Vertragsverlängerung um ein Jahr bis 2019.
Renaissance nach schwerer Zeit
Dass Piszczek im schwarzgelben Dress noch einmal eine solche Renaissance erfahren würde, schien vor der laufenden Spielzeit fast undenkbar.
Nachdem er in der überragenden Champions-League-Saison 2012/2013 der Dortmunder zu einem der besten Außenverteidiger Europas avancierte, setzte ihn eine Hüftverletzung monatelang außer Gefecht. Danach konnte er an seine starken Leistungen nicht anknüpfen.
"Das war eine sehr schwere Zeit. In meinem Alter ist mir das nicht leichtgefallen. Ich musste das alles im Kopf ordnen", erzählte der medienscheue Piszczek in einem seiner seltenen Interviews dem polnischen Internetportal "polsatsport.pl".
Keine Freude mehr am Fußball
Zahlreiche weitere Verletzungen in der Zeit nach der Hüft-OP hemmten die Suche nach der Top-Form zusätzlich. Piszczek verlor zeitweise die Freude am Fußball, wie er selbst bekannte - und in der Spielzeit 2015/2016 auch vorübergehend seinen Stammplatz beim BVB.
Zu Beginn der laufenden Saison schien Youngster Felix Passlack auf rechts außen seine Nase gegenüber Piszczek vorne zu haben. Doch der endlich überwiegend beschwerdefreie frühere Herthaner nahm den Kampf um den Stammplatz an und setzte sich gegen seinen 13 Jahre jüngeren Kontrahenten durch.
Doppelte Schlüsselrolle im Derby
Die Zähheit, Durchsetzungsfähigkeit und Kampfkraft des seit 2010 in Dortmund angestellten Dauerbrenners wird, neben seinen fußballerischen Qualitäten, im Derby auf Schalke besonders gefragt sein. Piszczek kommt deswegen eine sportliche Schlüsselrolle bei seinem 15. Duell mit dem Erzrivalen zu.
Doch in der hitzigen Atmosphäre der Veltins-Arena muss der erfahrene Veteran mit seiner gewohnten Coolness auch Ruhepol sein für die zahlreichen jungen Spieler des BVB.
Gelingt Piszczek das, könnte Thomas Tuchel nach dem Spiel wieder eine Liebeserklärung für seine Nummer 26 anstimmen.
Tobias Knoop