Julian Weigl: Der mit dem Storch knobelt

Julian Weigl ist bei Borussia Dortmund die Schaltzentrale vor der Abwehr. Auf dem Platz ist er nicht mehr wegzudenken, nun folgte die Vertragsverlängerung. Einst wäre der Mittelfeldspieler fast bei Bayern München gelandet.
Erika und Margret hatten beim Kaffeekränzchen viel zu besprechen. "Weigl? Darf der Junge überhaupt so lange aufbleiben?", fragte die resolute Dame in der gelben Spitzenbluse, und sie urteilte spitzzüngig: "Seine dürren Stelzen hat er wohl beim Knobeln mit 'nem Storch gewonnen!"
Zum Glück für den deutschen Nationalspieler Julian Weigl war die Lästerei nur Teil eines humorigen Einspielfilmchens, das der jugendliche Profi von Borussia Dortmund vor seinem Auftritt im "ZDF"-Sportstudio über sich ergehen lassen musste. "Ich muss schon robuster werden", sagte er zum Einstieg ins Gespräch, "gegen Sokratis sehe ich in unserer Kabine aus wie ein Schuljunge."
Daran, was diese dünnen Beinchen zu leisten vermögen, gibt es keine Zweifel: Der BVB verlängerte noch vor Weihnachten den Vertrag mit seinem Mann in der Schaltzentrale vor der Abwehr bis 2021.
Tuchel bremst seinen Protegée
Der 21-Jährige selbst lässt das alles elegant abperlen, so wie er es immer tut. Man meint, den Schliff einiger Rhetorikkurse zu hören, wann immer Julian Weigl redet - er klingt, als wäre er 30 Jahre älter und sein eigener Manager.
Gerne parliert er auch in tadellosem Englisch, wie zuletzt, als ihn nach dem 2:2 bei Real Madrid in der Champions League die spanischen Journalisten mit ihren Gerüchten bestürmten. "I'm happy in Dortmund", sagte er höflich. Sein Trainer Thomas Tuchel empfahl ohnehin, nun noch nicht den größten Schritt zu gehen: "Ich glaube, so weit ist er noch nicht. Wir sollten nicht vergessen, dass es erst sein zweites Jahr bei uns ist."
Bayern lehnte Weigl im Probetraining ab
In Vergessenheit geraten sollte auch nicht, dass Weigl noch vor einigen Wochen in einer Schwächephase steckte. Er wirkte plötzlich nicht wie eine Pass-, sondern eher wie eine Querpassmaschine: weiterhin mit Zuspielquoten nahe der 100 Prozent, allerdings ohne großen Einfluss auf das Spiel. Die Wende brachte seine starke Torvorlage im Estadio Santiago Bernabéu.
In dieser Saison ist die Verantwortung nochmal erheblich gestiegen. Konnte er sich im letzten Jahr noch hinter Mats Hummels oder Ilkay Gündoğan verstecken, so ist er nun der Schlüsselspieler im Aufbau des Vize-Meisters: Hakt es bei Weigl, hakt es beim BVB. Das wissen auch die Gegner.
Suspendierung dank Taxifahrer
Zu denen gehört der FC Bayern, der sich ärgert, dass ihm dieses Talent durch die Lappen gehen konnte. Weigl kickte einst beim TSV Rosenheim, einem Partnerverein der Münchner - doch der Rekordmeister empfand ihn bei einem Probetraining als "nicht so dynamisch". So landete er also bei 1860, was auch besser war: Weigl-Senior ist Löwen-Fan.
Beim Zweitligisten gab es nicht nur sportlich viel zu lernen. Julian Weigl war gerade Kapitän geworden, mit 18, da ging er nach einer Niederlage mit seinen Teamkollegen feiern und wurde von einem Taxifahrer an den Klub verpfiffen. Die Folge: Eine Suspendierung - und die Absetzung als Kapitän nach zwei Spielen.
Kein Wunder, dass Weigl jedes Wort auf die Goldwaage legt ehe er es ausspricht.