30.06.2015 12:35 Uhr

John Guidetti: Vom Krankenbett ins Finale

Ist der Leader im schwedischen Team: John Guidetti
Ist der Leader im schwedischen Team: John Guidetti

Mit 19 Jahren galt John Guidetti als größtes Talent des schwedischen Fußballs. Dann beendete eine mysteriöse Infektion fast seine Karriere. Sein zweiter Anlauf ist vielversprechend und könnte mit dem EM-Titel gekrönt werden.

Noch während die deutsche U21 nach dem 0:5-Debakel gegen Portugal ihre Wunden leckte und verzweifelt versuchte, die historische Niederlage in Worte zu fassen, schrieb die schwedische Mannschaft im zweiten EM-Halbfinale auf ihre Art Geschichte. Nach dem 4:1 gegen Dänemark zog die Tre Kronor zum zweiten Mal in ein U21-EM-Finale ein. 

Dass am Tag danach dennoch ein anderes Thema die Schlagzeilen dominierte, hatten sie einem Interview zu verdanken, das nach dem Anpfiff am Spielfeldrand stattfand. Die Hauptdarsteller: ein gut gelaunter schwedischer Reporter und ein noch viel besser gelaunter John Guidetti.

Dänemark von "Superguidetti" erniedrigt

Noch bevor der Reporter seine erste Frage zum Spiel ausformuliert hatte, platzte es regelrecht aus dem Stürmer heraus: "Für sie ist es Zeit, nach Hause zu fahren. Wenn man 1:4 verliert, ist das erniedrigend. Sie haben nur geredet und nichts gezeigt." Als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, legte der 23-Jährige weiter nach und sagte: "Das ist die schlechteste Mannschaft, gegen die wir bei dieser Europameisterschaft gespielt haben." Respektlose Aussagen, die in Dänemark nicht besonders gut ankamen.

24 Stunden später entschuldigte sich John Guidetti zwar für seine Worte. Dennoch sagen sie viel über einen jungen Mann aus, dessen Homepage unter der Adresse "www.superguidetti.eu" zu erreichen ist. Sein unbändiges Selbstbewusstsein, das ihm nicht wenige als Arroganz auslegen, kommt nicht von ungefähr, denn obwohl der Stürmer immer noch am Anfang seiner Karriere steht, hat er bereits viele Höhen und noch mehr Tiefen kennengelernt.

Von Manchester über Burnley nach Rotterdam

Als der junge John im Alter von 16 Jahren von seinem Heimatverein IF Brommapojkarna zu Manchester City wechselte, schien sein Weg vorherbestimmt. Auf der Insel angekommen, glänzte der Schwede im U18-Team der Citizens mit 13 Toren in 13 Spielen. Schnell spielte er sich ins Blickfeld der ersten Mannschaft. Angesichts der hochklassigen Konkurrenz wurde Guidetti zunächst jedoch verliehen. Zur Rückrunde 2010/11 nach Burnley, zur Spielzeit 2011/2012 zu Feyenoord Rotterdam.

In den Niederlanden erlebte der Schwede das "beste Jahr meiner Karriere", wie er es rückblickend bezeichnet. Nicht nur, weil er in seiner ersten durchgängigen Profisaison starke 20 Tore in 23 Spielen erzielte, sondern weil er von den Fans geliebt und verehrt wurde.

"Alles war großartig"

"Es gab Fans, die sich meinen Namen tätowiert haben. 50.000 Menschen standen in jedem Heimspiel auf und riefen 'Super Guidetti', sie haben einen Rap-Song geschrieben mit der Zeile 'Schaut auf Messi, wir haben Guidetti' - es war einfach großartig", schwärmt Guidetti noch heute von den Sympathien, die ihm damals zuflogen.

"Das Leben in dieser Zeit war aufregend. Ich stand kurz davor, mit Schweden zur EM zu fahren, kämpfte um die Torjägerkanone in der Eredivisie, wurde von einer Zeitung zum Spieler der Saison gewählt. Ich flog, alles war großartig", erinnert sich der 23-Jährige.

Eine dramatische Wende nahm seine Laufbahn an einem schicksalsträchtigen Abend, der seine Karriere beinahe beendete.

Schockdiagnose in der Klinik

Freunde und Familie hatten zu seinem 20. Geburtstag eine Überraschungsparty in einem Restaurant organisiert. "Plötzlich habe ich mich richtig schlecht gefühlt und bin gegen Mitternacht nach Hause gefahren." Die Ärzte stellten tags darauf eine Virusinfektion fest und verordneten dem Stürmer eine zehntägige Pause. Doch diese harmlose Diagnose war nur der Anfang.

"Als ich zurück zum Training gekommen bin, konnte ich nicht mehr auf meinem rechten Bein stehen. Ich habe versucht, mir meine Hose anzuziehen und bin einfach umgefallen. Danach haben sie mich direkt wieder ins Krankenhaus gebracht", beschreibt Guidetti den Nachmittag, der für ihn weitreichende Folgen haben sollte.

In der Klinik stellten die Spezialisten fest, dass die ursprüngliche Virusinfektion von einem verdorbenen Stück Hühnchenfleisch stammte und nicht nur seinen Magen, sondern auch einen Nerv angriff. "Ich hatte keine Wahl und musste warten, bis der Nerv wieder nachgewachsen war", erklärt der Stürmer. "In dieser Zeit konnte ich nichts machen - außer warten." Den Preis, den der selbstbewusste Schwede am Ende zahlen musste, war hoch. Fast zwei komplette Jahre setzte ihn die Erkrankung außer Gefecht.

Als Außenseiter in das EM-Finale

In den letzten zwölf Monaten kämpfte sich Guidetti Stück für Stück zurück. Sein Comebackjahr bei Celtic (34 Spiele, 14 Tore) hatte Höhen und Tiefen, seine Zukunft bei Manchester City ist ungewiss. In der schwedischen U21 ist er dafür der unumstrittene Chef und greift mit seinen Teamkollegen im Finale gegen Portugal (ab 20:45 Uhr im Liveticker) völlig unerwartet zum Titel.

"Vielleicht sind wird Außenseiter - aber wir lieben das", weiß Guidetti, dass jedes Spiel erst gespielt werden muss. Sollte er mit seinem Team den EM-Titel holen, wäre es für den selbstbewussten Stürmer der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere, die von ebenso vielen Aufs wie Abs gezeichnet ist. Für ihn selbst wäre die Trophäe allerdings nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zu seinem persönlichen Ziel, das er wie folgt formuliert: "Ich will der beste Spieler der Welt werden. Warum sollte ich das nicht schaffen?!"

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Christian Schenzel

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